"Man kann doch nicht den Menschen sagen, dass ihre Zukunft durch Europa bedroht wird. Also, das ist politisch absurd und auch völlig falsch."
Sylvie-Yvonne Kaufmann ist empört über antieuropäische Strömungen, zumal in ihrer Partei, der deutschen Linken. Die 54-jährige Japanologin aus Berlin ist seit zehn Jahren Abgeordnete des Europäischen Parlaments – und eine überzeugte Europäerin:
"Wenn Sie sich das Gesicht waschen wollen und noch verschlafen sind, den Wasserhahn aufdrehen – die Trinkwasserreinheit ist ein europäischer Standard. Wenn Sie verreisen, haben Sie Fluggastrechte gegenüber Fluggesellschaften. - So könnte man sehr, sehr viele Beispiele nennen. Und ich glaube, dass das für die Lebenswirklichkeit der Menschen eine sehr, sehr wichtige Frage ist, dass dieses Europa heute so alltäglich und auch angenehm für sie ist."
Vor fünf Jahren zog Sylvie-Yvonne Kaufmann als Spitzenkandidatin der PDS mit sechs weiteren deutschen Genossen in die Konföderale Fraktion der Vereinigten Linken und Nordischen Grünen Linke – wie die 41-köpfige Linksaußengruppe in Straßburg offiziell heißt – ein. Engagiert ficht die einstige Genossin der SED für ein – wie sie stets betont – soziales Europa. Denn obgleich sie am Lissabon-Vertrag selbst im Verfassungskonvent mitgearbeitet hat, sieht sie ihn nicht unkritisch:
"Im Vertrag von Lissabon ist eine neue Agentur verankert, die Europäische Verteidigungsagentur - das finde ich völlig falsch, dass die Europäische Union ihren zivilen Charakter aufgibt und möglicherweise zu einer Militärmacht ausgebaut werden soll. Da, finde ich, ist Opposition zu dieser Entwicklungsrichtung der Europäischen Union vonnöten, sei es jetzt im sicherheits- und militärpolitischen Bereich, sei es im sozialen Bereich, wo auch vieles im Argen liegt. Und darum geht es, aber nicht, das Projekt Europäische Union als Bedrohung darzustellen. Das ist für mich inakzeptabel."
Die Linke in Deutschland aber zieht gegen den Lissabon-Vertrag zu Felde – mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Im Wahlkampf wird Europa auch schon mal zur Chiffre für einen übermächtigen Neoliberalismus. Diether Dehm, europapolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, spricht Ängste in der Bevölkerung an, die Idee der europäischen Einigung sei zu einer Bedrohung verkommen.
"Also, ich wünschte, dass meine Partei auch noch ein bisschen lauter würde: für die europäische Integration und gegen den Lissabon-Vertrag."
Diether Dehm, aus Westdeutschland stammender europapolitischer Sprecher der Linken im Deutschen Bundestag, glaubt, die Idee der europäischen Einigung sei zu einer Bedrohung verkommen.
"Diese Idee ist von den Eliten dieses Europas, den Neoliberalen, prokapitalistischen Eliten zunehmend mehr mit Füßen getreten worden."
Dass die Europa-Abgeordnete Kaufmann sich dennoch für den Verfassungsvertrag stark macht und der Linken auch noch in einem Buch Irrtümer und Missverständnisse in der Europa-Politik vorhält, erregt den Unmut ihrer Partei. Diese rächt sich an ihr: Sylvie-Yvonne Kaufmann findet ihren Namen nicht auf der Liste der 16 Kandidaten für den Europa-Wahlkampf, die dem Parteitag am Wochenende zur Abstimmung vorliegt. Mit der Spitzenkandidatur soll Partei-Chef und -Veteran Lothar Bisky belohnt werden.
"Mein Gott, ich habe meine Wertschätzung für Sylvie-Yvonne Kaufmann immer zum Ausdruck gebracht. Ich werde auch nichts anderes erzählen. Aber jetzt müssen wir auch sehen, dass wir uns mit der Partei in einem Parteibildungsprozess befinden – ob mir das gefällt oder nicht."
Das Vorschlagsrecht für die Liste zur Europa-Wahl liegt beim sogenannten Bundesausschuss der Linken, und dieser hat für die Vertreterversammlung am Wochenende eine fein austarierte Liste aufgestellt. Um die 30 zu vergebenden Plätze auf der Liste kämpfen 81 Bewerber – überwiegend absolute No-Names, von europapolitischer Qualifikation kann nicht die Rede sein. Ein neuer Proporz herrscht in der neuen Partei: Das Verschmelzungsprodukt von PDS und WASG trägt – kaum kaschiert – über die Europapolitik einen Personalstreit aus, einen Kampf um den Griff auf gutgefüllte Töpfe. Und das gelingt, solange die Partei sich als Sammelbecken für Enttäuschte unterschiedlichster Rotschattierungen versteht und ihr Programm nicht unmissverständlich Positionen festlegt – wie der Noch-Europa-Parlamentarier André Brie, gleichfalls nicht mehr auf der Vorschlagsliste vertreten, seit langem bemängelt:
"Wenn wir nur Protest ausdrücken, wenn wir nur populistisch sind, dann wird diese Partei auch keine Zukunft haben. Und die Fragen, die wir ansprechen, wo wir Protest haben, müssen, auch um eindeutig unterscheidbar zu sein gegenüber zum Beispiel der NPD, die ja auch einen Protest artikuliert und missbraucht, müssen verbunden werden mit realistischen Alternativen."
Der Vorwurf, die Parteispitze wolle mit plumpen antieuropäischen Vorurteilen – ähnlich wie die Rechtsaußenparteien – auf Stimmenfang gehen, kommt aus verschiedenen ostdeutschen Landesverbänden der Linken: Europa-Politik ist mehr als der Kampf gegen den Lissabon-Vertrag, mahnen sie und wollen ausdrücklich auch die Arbeit ihrer sieben Europa-Parlamentarier gewürdigt wissen. Schließlich haben sie in der Fraktion der Linksaußen-Parteien in Straßburg und Brüssel viel Gewicht. Soll das von Newcomern und antieuropäische Nein-Sagern aufs Spiel gesetzt werden? Sylvie-Yvonne Kaufmann und André Brie geben sich noch nicht geschlagen. Sie kündigen für das Wochenende eine Kampfkandidatur an, nicht zuletzt um einen Richtungswechsel in der Europapolitik der Linken zu verhindern.
Sylvie-Yvonne Kaufmann ist empört über antieuropäische Strömungen, zumal in ihrer Partei, der deutschen Linken. Die 54-jährige Japanologin aus Berlin ist seit zehn Jahren Abgeordnete des Europäischen Parlaments – und eine überzeugte Europäerin:
"Wenn Sie sich das Gesicht waschen wollen und noch verschlafen sind, den Wasserhahn aufdrehen – die Trinkwasserreinheit ist ein europäischer Standard. Wenn Sie verreisen, haben Sie Fluggastrechte gegenüber Fluggesellschaften. - So könnte man sehr, sehr viele Beispiele nennen. Und ich glaube, dass das für die Lebenswirklichkeit der Menschen eine sehr, sehr wichtige Frage ist, dass dieses Europa heute so alltäglich und auch angenehm für sie ist."
Vor fünf Jahren zog Sylvie-Yvonne Kaufmann als Spitzenkandidatin der PDS mit sechs weiteren deutschen Genossen in die Konföderale Fraktion der Vereinigten Linken und Nordischen Grünen Linke – wie die 41-köpfige Linksaußengruppe in Straßburg offiziell heißt – ein. Engagiert ficht die einstige Genossin der SED für ein – wie sie stets betont – soziales Europa. Denn obgleich sie am Lissabon-Vertrag selbst im Verfassungskonvent mitgearbeitet hat, sieht sie ihn nicht unkritisch:
"Im Vertrag von Lissabon ist eine neue Agentur verankert, die Europäische Verteidigungsagentur - das finde ich völlig falsch, dass die Europäische Union ihren zivilen Charakter aufgibt und möglicherweise zu einer Militärmacht ausgebaut werden soll. Da, finde ich, ist Opposition zu dieser Entwicklungsrichtung der Europäischen Union vonnöten, sei es jetzt im sicherheits- und militärpolitischen Bereich, sei es im sozialen Bereich, wo auch vieles im Argen liegt. Und darum geht es, aber nicht, das Projekt Europäische Union als Bedrohung darzustellen. Das ist für mich inakzeptabel."
Die Linke in Deutschland aber zieht gegen den Lissabon-Vertrag zu Felde – mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Im Wahlkampf wird Europa auch schon mal zur Chiffre für einen übermächtigen Neoliberalismus. Diether Dehm, europapolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, spricht Ängste in der Bevölkerung an, die Idee der europäischen Einigung sei zu einer Bedrohung verkommen.
"Also, ich wünschte, dass meine Partei auch noch ein bisschen lauter würde: für die europäische Integration und gegen den Lissabon-Vertrag."
Diether Dehm, aus Westdeutschland stammender europapolitischer Sprecher der Linken im Deutschen Bundestag, glaubt, die Idee der europäischen Einigung sei zu einer Bedrohung verkommen.
"Diese Idee ist von den Eliten dieses Europas, den Neoliberalen, prokapitalistischen Eliten zunehmend mehr mit Füßen getreten worden."
Dass die Europa-Abgeordnete Kaufmann sich dennoch für den Verfassungsvertrag stark macht und der Linken auch noch in einem Buch Irrtümer und Missverständnisse in der Europa-Politik vorhält, erregt den Unmut ihrer Partei. Diese rächt sich an ihr: Sylvie-Yvonne Kaufmann findet ihren Namen nicht auf der Liste der 16 Kandidaten für den Europa-Wahlkampf, die dem Parteitag am Wochenende zur Abstimmung vorliegt. Mit der Spitzenkandidatur soll Partei-Chef und -Veteran Lothar Bisky belohnt werden.
"Mein Gott, ich habe meine Wertschätzung für Sylvie-Yvonne Kaufmann immer zum Ausdruck gebracht. Ich werde auch nichts anderes erzählen. Aber jetzt müssen wir auch sehen, dass wir uns mit der Partei in einem Parteibildungsprozess befinden – ob mir das gefällt oder nicht."
Das Vorschlagsrecht für die Liste zur Europa-Wahl liegt beim sogenannten Bundesausschuss der Linken, und dieser hat für die Vertreterversammlung am Wochenende eine fein austarierte Liste aufgestellt. Um die 30 zu vergebenden Plätze auf der Liste kämpfen 81 Bewerber – überwiegend absolute No-Names, von europapolitischer Qualifikation kann nicht die Rede sein. Ein neuer Proporz herrscht in der neuen Partei: Das Verschmelzungsprodukt von PDS und WASG trägt – kaum kaschiert – über die Europapolitik einen Personalstreit aus, einen Kampf um den Griff auf gutgefüllte Töpfe. Und das gelingt, solange die Partei sich als Sammelbecken für Enttäuschte unterschiedlichster Rotschattierungen versteht und ihr Programm nicht unmissverständlich Positionen festlegt – wie der Noch-Europa-Parlamentarier André Brie, gleichfalls nicht mehr auf der Vorschlagsliste vertreten, seit langem bemängelt:
"Wenn wir nur Protest ausdrücken, wenn wir nur populistisch sind, dann wird diese Partei auch keine Zukunft haben. Und die Fragen, die wir ansprechen, wo wir Protest haben, müssen, auch um eindeutig unterscheidbar zu sein gegenüber zum Beispiel der NPD, die ja auch einen Protest artikuliert und missbraucht, müssen verbunden werden mit realistischen Alternativen."
Der Vorwurf, die Parteispitze wolle mit plumpen antieuropäischen Vorurteilen – ähnlich wie die Rechtsaußenparteien – auf Stimmenfang gehen, kommt aus verschiedenen ostdeutschen Landesverbänden der Linken: Europa-Politik ist mehr als der Kampf gegen den Lissabon-Vertrag, mahnen sie und wollen ausdrücklich auch die Arbeit ihrer sieben Europa-Parlamentarier gewürdigt wissen. Schließlich haben sie in der Fraktion der Linksaußen-Parteien in Straßburg und Brüssel viel Gewicht. Soll das von Newcomern und antieuropäische Nein-Sagern aufs Spiel gesetzt werden? Sylvie-Yvonne Kaufmann und André Brie geben sich noch nicht geschlagen. Sie kündigen für das Wochenende eine Kampfkandidatur an, nicht zuletzt um einen Richtungswechsel in der Europapolitik der Linken zu verhindern.