Im Studio begrüßt Sie Christoph Vratz.
Carl Friedrich Abel
Allegro, aus: Solo à Viola di gamba è Basso G-Dur WKO 149
Tänzerisch und dennoch resolut: Das war ein kleiner Ausschnitt aus dem Allegro der Sonate G-Dur für Viola da Gamba und Cembalo von Carl Friedrich Abel.
Sie kannten sich aus gemeinsamen Leipziger Zeiten: Johann Christian Bach und Carl Friedrich Abel. Schon ihre Väter waren miteinander bekannt: Abel senior spielte als Gambist am Köthener Hof, als Johann Sebastian Bach dort Kapellmeister war. Abel junior erlernte das Gambenspiel von seinem Vater, ging aber nach dessen Tod nach Leipzig, wo er unter Bachs Leitung in verschiedenen Kantaten-Aufführungen mitwirkte. 1743 siedelte er nach Dresden über, wo er eine Stelle im berühmten Hoforchester erhielt. 14 Jahre blieb er dort, bis er – vertrieben durch die Folgen des Siebenjährigen Krieges – den Schritt nach London wagte: 1759 kam Abel in die Stadt an der Themse und erwarb sich schnell den Ruf eines herausragenden Virtuosen – nicht nur als Gambist, sondern auch als Cembalist und Hornist. Sogar auf einem Instrument, das sich Pentachord nannte, brillierte er.
Abels Ruf sprach sich bis zur Königsfamilie herum. Königin Sophie-Charlotte, die deutsche Gattin von Georg III., ernannte ihn zu ihrem Kammermusiker. Damit ist Carl Friedrich Abel einer der letzten großen Gambenvirtuosen der Musikgeschichte; denn nach ihm geriet das Instrument in Vergessenheit und wurde vom aufstrebenden Violoncello verdrängt. Erst im 20. Jahrhundert, im Zuge der Wiederentdeckung der historischen Aufführungspraxis, erlebte die Gambe eine Renaissance.
Carl Friedrich Abel
Presto, aus: Sonata à Viola di gamba Solo et Basso e-Moll WKO 150
Für den Gambisten Thomas Fritzsch bedeutet Virtuosität nie Kraftmeierei oder Schnelldurchlauf, wie im Schlusssatz, Presto, aus Abels e-Moll-Sonate. Historische Aufführungspraxis setzt Fritzsch gleich mit einer Art freien Denkens und Sprechens. Sein Spiel wirkt reflektiert und doch frei, als sei es just aus dem Moment heraus geboren. Gerade in den Schlusssätzen der Abel-Sonaten demonstriert er, dass Schnelligkeit keine Frage des metronomischen Tempos ist, sondern auf Beweglichkeit und Schwerelosigkeit basiert. Leicht und fließend, natürlich und elegant klingt diese Musik.
Carl Friedrich Abel und Johann Christian Bach bildeten in England vorübergehend eine WG. Sie teilten sich eine Wohnung im damals noblen Londoner Norden. Bach war 1762 in die Stadt gekommen, drei Jahre nach Händels Tod. London war zu jener Zeit die bevölkerungsreichste und auch wohlhabendste Stadt Europas. Die Opernveranstalter buhlten um die Gunst des Publikums. Kein Wunder, dass der Bach-Sohn nach seiner Ankunft zunächst einmal Opernmusik schrieb. Im Druck jedoch erschien als erstes eine Sammlung mit sechs Klavierkonzerten.
1764 begründete er die "Bach-Abel-Konzerte", die ersten Londoner Abonnementskonzerte. Das war der Anfang einer 17 Jahre andauernden Erfolgsgeschichte. Die ersten Konzerte fanden in einem mondänen Londoner Vorort statt, im Haus der italienischen Sängerin Teresa Cornely. Sie besaß Geld und Einfluss. Zunächst plante sie eine Reihe von sechs Konzerten. Doch der Erfolg war so groß, dass bald schon ein größerer Veranstaltungsort gefunden werden musste. Leider ist über die Programme nichts bekannt. Denkbar wäre, dass Bach und Abel hier auch eigene Werke gemeinsam aufgeführt haben.
Johann Christian Bach
Allegro, aus: Sonata Cembalo, Viola da gamba G-Dur Warb B 4b
Bereits bei der 1999 entstandenen Aufnahme der Bach-Violin-Sonaten harmonierten Thomas Fritzsch und Shalev Ad-El am Cembalo perfekt miteinander. Damals übernahm Simon Standage den Geigenpart und Fritzsch die "ad libitum"-Stimme der Gambe. Dieses symbiotische Zusammenspiel zeichnet auch diese Neuproduktion aus.
Fritzsch, der seine Laufbahn in Zwickau und Leipzig auf dem Cello begonnen hat, zählt heute zu den weltweit renommierten Gambisten. Neben zahlreichen, teils preisgekrönten CD-Produktionen sorgt er immer wieder mit Entdeckungen für Aufsehen, etwa mit Bachs Cello-Suiten in der Bearbeitung mit Klavierstimme von Robert Schumann – oder eben mit den Johann-Christian-Bach-Sonaten.
Der israelische Cembalist und Dirigent Shalev Ad-El spielt auf der 2009 gebauten Nachbildung eines Taskin-Cembalos aus dem Jahr 1763. Er setzt auf winzige Verzögerungen, um die Töne ausklingen zu lassen; seine Läufe perlen, nicht stechend brillant, sondern sich anschmiegend an den Melodieverlauf. Fritzsch deutet seinen Part auf der Gambe auf ebenso dezente wie – etwa bei den Trillern und ihren Echo-Effekten – klug dialogisierende Weise.
Die Entdeckungsgeschichte dieser Johann Christian Bach-Sonaten ist beinahe abenteuerlich: Lange Zeit schien fraglich, inwieweit die Freundschaft mit Abel auch kompositorische Früchte getragen hat. Einziges Indiz: ein Rechtsstreit im Jahr 1773, in dem Bach gegen Raubdrucke einer Sonate für "Cembalo oder Pianoforte mit Begleitung" klagt. Ein früher Fall von Urheberrechtsverletzung.
Knapp 200 Jahre später, Ende Mai 1992, taucht beim Londoner Auktionshaus Sotheby's ein bis dahin unbekanntes Konvolut von Manuskripten auf: je zwei Sonaten für Cembalo und Viola da gamba sowie für Pianoforte und Viola da gamba. Komponist: Johann Christian Bach. Den Zuschlag erhielt ein ungenannter privater Sammler.
Thomas Fritzsch hat ihn ausfindig gemacht und nicht nur Kopien dieser vier Sonaten erhalten, sondern auch gleichzeitig eine Aufführungserlaubnis. Die erste Wiederaufführung erfolgte 2008 im Rahmen des Leipziger Bachfestes. Nun liegen diese Sonaten erstmals auf CD vor.
Näheres über die Entstehungsdaten, ihre Handschriften und das Puzzle, das sich daraus für die Interpreten ergeben hat, lässt sich im Beihefttext nachlesen, den Thomas Fritsch verfasst hat. Über die Bedeutung dieser Werke schreibt er: "Bach erweist sich in den vier Sonaten als moderner, innovativer Komponist. Einerseits folgt die von ihm gewählte zweisätzige Anlage ganz dem in London verbreiteten musikalischen Geschmack, andererseits wählt Bach sich als Gegenüber ein zunehmend aus der Mode fallendes Instrument."
Von Patina oder einem Aus-der-Mode-Gefallen-Sein ist in dieser Aufnahme nichts zu spüren. Fritzsch und Ad-El verstehen sich nicht als Eingreiftruppe für Reserverepertoire. Ihr Missionarsgeist für diese Musik zeigt sich vielmehr in einer frei atmenden Spiellust, filigran, aber nie scheu, innig, entspannt, in keinem Moment beiläufig. So gespielt, atmet diese Musik, sie tänzelt, erzählt, unterhält – so wie im 18. Jahrhundert üblich. Das gilt auch für die "Pastorale", den zweiten Satz aus der "Sonata a Piano e Forte [e Viola da gamba]" in F-Dur.
Johann Christian Bach
Pastorale, aus: Sonata a Piano e Forte [e Viola da gamba] F-Dur Warb B 15b
Eine Aufnahme mit Sonaten für Cembalo beziehungsweise Pianoforte und Viola da gamba von Carl Friedrich Abel und Johann Christian Bach habe ich Ihnen heute vorgestellt. Erschienen ist diese Produktion mit Thomas Fritzsch und Shalev Ad-El beim Label Coviello Classics.
Am Mikrofon verabschiedet sich Christoph Vratz.
Carl Friedrich Abel
Allegro, aus: Solo à Viola di gamba è Basso G-Dur WKO 149
Tänzerisch und dennoch resolut: Das war ein kleiner Ausschnitt aus dem Allegro der Sonate G-Dur für Viola da Gamba und Cembalo von Carl Friedrich Abel.
Sie kannten sich aus gemeinsamen Leipziger Zeiten: Johann Christian Bach und Carl Friedrich Abel. Schon ihre Väter waren miteinander bekannt: Abel senior spielte als Gambist am Köthener Hof, als Johann Sebastian Bach dort Kapellmeister war. Abel junior erlernte das Gambenspiel von seinem Vater, ging aber nach dessen Tod nach Leipzig, wo er unter Bachs Leitung in verschiedenen Kantaten-Aufführungen mitwirkte. 1743 siedelte er nach Dresden über, wo er eine Stelle im berühmten Hoforchester erhielt. 14 Jahre blieb er dort, bis er – vertrieben durch die Folgen des Siebenjährigen Krieges – den Schritt nach London wagte: 1759 kam Abel in die Stadt an der Themse und erwarb sich schnell den Ruf eines herausragenden Virtuosen – nicht nur als Gambist, sondern auch als Cembalist und Hornist. Sogar auf einem Instrument, das sich Pentachord nannte, brillierte er.
Abels Ruf sprach sich bis zur Königsfamilie herum. Königin Sophie-Charlotte, die deutsche Gattin von Georg III., ernannte ihn zu ihrem Kammermusiker. Damit ist Carl Friedrich Abel einer der letzten großen Gambenvirtuosen der Musikgeschichte; denn nach ihm geriet das Instrument in Vergessenheit und wurde vom aufstrebenden Violoncello verdrängt. Erst im 20. Jahrhundert, im Zuge der Wiederentdeckung der historischen Aufführungspraxis, erlebte die Gambe eine Renaissance.
Carl Friedrich Abel
Presto, aus: Sonata à Viola di gamba Solo et Basso e-Moll WKO 150
Für den Gambisten Thomas Fritzsch bedeutet Virtuosität nie Kraftmeierei oder Schnelldurchlauf, wie im Schlusssatz, Presto, aus Abels e-Moll-Sonate. Historische Aufführungspraxis setzt Fritzsch gleich mit einer Art freien Denkens und Sprechens. Sein Spiel wirkt reflektiert und doch frei, als sei es just aus dem Moment heraus geboren. Gerade in den Schlusssätzen der Abel-Sonaten demonstriert er, dass Schnelligkeit keine Frage des metronomischen Tempos ist, sondern auf Beweglichkeit und Schwerelosigkeit basiert. Leicht und fließend, natürlich und elegant klingt diese Musik.
Carl Friedrich Abel und Johann Christian Bach bildeten in England vorübergehend eine WG. Sie teilten sich eine Wohnung im damals noblen Londoner Norden. Bach war 1762 in die Stadt gekommen, drei Jahre nach Händels Tod. London war zu jener Zeit die bevölkerungsreichste und auch wohlhabendste Stadt Europas. Die Opernveranstalter buhlten um die Gunst des Publikums. Kein Wunder, dass der Bach-Sohn nach seiner Ankunft zunächst einmal Opernmusik schrieb. Im Druck jedoch erschien als erstes eine Sammlung mit sechs Klavierkonzerten.
1764 begründete er die "Bach-Abel-Konzerte", die ersten Londoner Abonnementskonzerte. Das war der Anfang einer 17 Jahre andauernden Erfolgsgeschichte. Die ersten Konzerte fanden in einem mondänen Londoner Vorort statt, im Haus der italienischen Sängerin Teresa Cornely. Sie besaß Geld und Einfluss. Zunächst plante sie eine Reihe von sechs Konzerten. Doch der Erfolg war so groß, dass bald schon ein größerer Veranstaltungsort gefunden werden musste. Leider ist über die Programme nichts bekannt. Denkbar wäre, dass Bach und Abel hier auch eigene Werke gemeinsam aufgeführt haben.
Johann Christian Bach
Allegro, aus: Sonata Cembalo, Viola da gamba G-Dur Warb B 4b
Bereits bei der 1999 entstandenen Aufnahme der Bach-Violin-Sonaten harmonierten Thomas Fritzsch und Shalev Ad-El am Cembalo perfekt miteinander. Damals übernahm Simon Standage den Geigenpart und Fritzsch die "ad libitum"-Stimme der Gambe. Dieses symbiotische Zusammenspiel zeichnet auch diese Neuproduktion aus.
Fritzsch, der seine Laufbahn in Zwickau und Leipzig auf dem Cello begonnen hat, zählt heute zu den weltweit renommierten Gambisten. Neben zahlreichen, teils preisgekrönten CD-Produktionen sorgt er immer wieder mit Entdeckungen für Aufsehen, etwa mit Bachs Cello-Suiten in der Bearbeitung mit Klavierstimme von Robert Schumann – oder eben mit den Johann-Christian-Bach-Sonaten.
Der israelische Cembalist und Dirigent Shalev Ad-El spielt auf der 2009 gebauten Nachbildung eines Taskin-Cembalos aus dem Jahr 1763. Er setzt auf winzige Verzögerungen, um die Töne ausklingen zu lassen; seine Läufe perlen, nicht stechend brillant, sondern sich anschmiegend an den Melodieverlauf. Fritzsch deutet seinen Part auf der Gambe auf ebenso dezente wie – etwa bei den Trillern und ihren Echo-Effekten – klug dialogisierende Weise.
Die Entdeckungsgeschichte dieser Johann Christian Bach-Sonaten ist beinahe abenteuerlich: Lange Zeit schien fraglich, inwieweit die Freundschaft mit Abel auch kompositorische Früchte getragen hat. Einziges Indiz: ein Rechtsstreit im Jahr 1773, in dem Bach gegen Raubdrucke einer Sonate für "Cembalo oder Pianoforte mit Begleitung" klagt. Ein früher Fall von Urheberrechtsverletzung.
Knapp 200 Jahre später, Ende Mai 1992, taucht beim Londoner Auktionshaus Sotheby's ein bis dahin unbekanntes Konvolut von Manuskripten auf: je zwei Sonaten für Cembalo und Viola da gamba sowie für Pianoforte und Viola da gamba. Komponist: Johann Christian Bach. Den Zuschlag erhielt ein ungenannter privater Sammler.
Thomas Fritzsch hat ihn ausfindig gemacht und nicht nur Kopien dieser vier Sonaten erhalten, sondern auch gleichzeitig eine Aufführungserlaubnis. Die erste Wiederaufführung erfolgte 2008 im Rahmen des Leipziger Bachfestes. Nun liegen diese Sonaten erstmals auf CD vor.
Näheres über die Entstehungsdaten, ihre Handschriften und das Puzzle, das sich daraus für die Interpreten ergeben hat, lässt sich im Beihefttext nachlesen, den Thomas Fritsch verfasst hat. Über die Bedeutung dieser Werke schreibt er: "Bach erweist sich in den vier Sonaten als moderner, innovativer Komponist. Einerseits folgt die von ihm gewählte zweisätzige Anlage ganz dem in London verbreiteten musikalischen Geschmack, andererseits wählt Bach sich als Gegenüber ein zunehmend aus der Mode fallendes Instrument."
Von Patina oder einem Aus-der-Mode-Gefallen-Sein ist in dieser Aufnahme nichts zu spüren. Fritzsch und Ad-El verstehen sich nicht als Eingreiftruppe für Reserverepertoire. Ihr Missionarsgeist für diese Musik zeigt sich vielmehr in einer frei atmenden Spiellust, filigran, aber nie scheu, innig, entspannt, in keinem Moment beiläufig. So gespielt, atmet diese Musik, sie tänzelt, erzählt, unterhält – so wie im 18. Jahrhundert üblich. Das gilt auch für die "Pastorale", den zweiten Satz aus der "Sonata a Piano e Forte [e Viola da gamba]" in F-Dur.
Johann Christian Bach
Pastorale, aus: Sonata a Piano e Forte [e Viola da gamba] F-Dur Warb B 15b
Eine Aufnahme mit Sonaten für Cembalo beziehungsweise Pianoforte und Viola da gamba von Carl Friedrich Abel und Johann Christian Bach habe ich Ihnen heute vorgestellt. Erschienen ist diese Produktion mit Thomas Fritzsch und Shalev Ad-El beim Label Coviello Classics.
Am Mikrofon verabschiedet sich Christoph Vratz.