
"denn ich weiß / wenn ich Fehler mache / bin ich nie allein", heißt es in dem Gedicht eines Monatsgewinners. In euren Texten schreibt ihr von der starken Verbundenheit zwischen Freunden, von Seelenverwandtschaft und von Freunden als Retter und Beschützer. Freunde sind für euch "Regenschirme", die Gefahren fernhalten und Sicherheit geben: "Seit Jahren trafen wir uns hier / Nachmittags im morschen Dickicht / Unsere Namen ins Holz geritzt / Schien mir alles so stabil." Darum ist es umso schmerzhafter, wenn Freundschaften zerbrechen: "Ich lebte weil du mich liebtest". Weil man in einer engen Freundschaft so viel von sich preisgibt, braucht es schnell ein neues Schutzschild, wenn der Freund als Beschützer wegbricht: "Und ich trug den neuen Regenmantel / Er schützte mich vor deinen leeren Worten."
Wir sagen danke für eure Einsendungen!
Die Monatsgewinner im April 2015:
Viele Freunde?
ich habe viele freunde;
459 sagt facebook,
459 profilbilder,
459 fremde
459 sagt facebook,
459 profilbilder,
459 fremde
ich habe freunde, die mit mir lachen,
ich habe freunde, die mit mir feiern,
ich habe freunde, die ich nie gesehen hab,
ich habe freunde, die ich nicht kenne.
ich habe freunde, die mit mir feiern,
ich habe freunde, die ich nie gesehen hab,
ich habe freunde, die ich nicht kenne.
ich habe wochenendfreunde,
ich habe schulhoffreunde,
ich habe chatfreunde,
ich habe quatschfreunde.
ich habe schulhoffreunde,
ich habe chatfreunde,
ich habe quatschfreunde.
und doch ist da dieses gefühl;
wenn ich lache, dann lache ich allein,
wenn ich feier, dann feier ich allein,
Du fehlst.
wenn ich lache, dann lache ich allein,
wenn ich feier, dann feier ich allein,
Du fehlst.
Du warst da, als ich weinte,
Du warst da, als ich schrie,
Du warst da, als ich stolperte,
Du warst da, als ich fiel.
Du warst da, als ich schrie,
Du warst da, als ich stolperte,
Du warst da, als ich fiel.
ich sehe Deine hand:
augestreckt, um zu geben -
um zu nehmen?
Unwichtig.
augestreckt, um zu geben -
um zu nehmen?
Unwichtig.
Leonie Buderus, Jahrgang 1997
Das Poesiealbum
auf dem Speicher
in einer alten Truhe
längst vergessen
zwischen blinden Fotos
altem Hochzeitsschleier
löchrigem Zylinder
verbognen Ehrennadeln
in Staub geschmiegt
viele Monde lang
Kriege, Leben, Tode,
Träume überdauert
liegt ein Büchlein
braun genarbtes Leder
golden eingestanzt
schwach zu lesen
in einer alten Truhe
längst vergessen
zwischen blinden Fotos
altem Hochzeitsschleier
löchrigem Zylinder
verbognen Ehrennadeln
in Staub geschmiegt
viele Monde lang
Kriege, Leben, Tode,
Träume überdauert
liegt ein Büchlein
braun genarbtes Leder
golden eingestanzt
schwach zu lesen
POESIE
zaghaft möchten meine Hände
die Vergangenheit berühren
Sonne fällt durch kleine Ritzen
goldgerändert sind die Seiten
vergilbt und stockig das Papier
die Vergangenheit berühren
Sonne fällt durch kleine Ritzen
goldgerändert sind die Seiten
vergilbt und stockig das Papier
1887
mein Herz ist aufgeregt
ein Büchlein voller Freundschaft
in einer Schrift
die ich nicht richtig lesen kann
liebevoll gemalte Bilder
Schatten von gepresstem Klee
zerbröselt – Reste fallen mir entgegen
ein Büchlein voller Freundschaft
in einer Schrift
die ich nicht richtig lesen kann
liebevoll gemalte Bilder
Schatten von gepresstem Klee
zerbröselt – Reste fallen mir entgegen
zurück fliegt meine Phantasie
zurück zu Mädchen – Freundinnen
in Kleidern hell und duftig
mit Rüschenschürzen aufgehübscht
seh ich sie Kränzlein winden
mit roten Mündern reifen Kirschen gleich
schaukeln sie mit ondulierten Locken
Liebreiz färbt die zarten Wangen
zurück zu Mädchen – Freundinnen
in Kleidern hell und duftig
mit Rüschenschürzen aufgehübscht
seh ich sie Kränzlein winden
mit roten Mündern reifen Kirschen gleich
schaukeln sie mit ondulierten Locken
Liebreiz färbt die zarten Wangen
Liebste Freundin
das Leben müssen wir überstehen
wir alle müssen es tragen
mit Glück, Leid und Schuld
wir werden hoffen, suchen, wagen
bis unser Vorhang fällt
wir alle müssen es tragen
mit Glück, Leid und Schuld
wir werden hoffen, suchen, wagen
bis unser Vorhang fällt
zur ewigen Erinnerung
im Wonnemonat Mai 1887
im Wonnemonat Mai 1887
Deine Katharina
Marie-Celestine Cronhardt-Lück-Giessen, Jahrgang 2000
Tränen aus verblassten Träumen
Großes Mädchen schau mich an
Geh nicht weg ohne einen
Letzten tränengetränkten Abschiedskuss
Still und heimlich
Als hättest du mich nie gesehen
Als hättest du mich nie gekannt
Geh nicht weg ohne einen
Letzten tränengetränkten Abschiedskuss
Still und heimlich
Als hättest du mich nie gesehen
Als hättest du mich nie gekannt
Weißt du nicht mehr
Wie ich bei dir war
Und dir stumm zuhörte
Als alle andren dich verließen
Wie du mir die Grausamkeit der Welt erklärtest
Obwohl du sie noch nicht gespürt hattest
Weißt du nicht mehr
Wie du mir schworst immer für mich da zu sein
und ich stumm den Schwur erwiderte
Weißt du nicht mehr
Wie ich es stumm ertragen habe
dass du mich mit bunten Pinseln bemalt
Mit klebrigen Küssen bedeckt
Und in den kalten Teich geworfen hast?
Wie ich bei dir war
Und dir stumm zuhörte
Als alle andren dich verließen
Wie du mir die Grausamkeit der Welt erklärtest
Obwohl du sie noch nicht gespürt hattest
Weißt du nicht mehr
Wie du mir schworst immer für mich da zu sein
und ich stumm den Schwur erwiderte
Weißt du nicht mehr
Wie ich es stumm ertragen habe
dass du mich mit bunten Pinseln bemalt
Mit klebrigen Küssen bedeckt
Und in den kalten Teich geworfen hast?
Deine Fantasie war mein Verstand
Deine Hände waren mein Skelett
Ich hörte durch deine Ohren
Ich sah durch deine Augen
Ich lebte weil du mich liebtest
Deine Hände waren mein Skelett
Ich hörte durch deine Ohren
Ich sah durch deine Augen
Ich lebte weil du mich liebtest
Heute schaust du mich an- stumm
Nicht weil es nichts zu erzählen gibt
Sondern weil du weißt
dass ich nicht antworten werde
Nicht weil es nichts zu erzählen gibt
Sondern weil du weißt
dass ich nicht antworten werde
Großes Mädchen geh nicht weg
Wenn du den Glauben in mich verlierst
Verliere ich mich
Wenn du aufhörst, mir deine Geschichten zu erzählen
Werde ich dich nicht mehr hören
Wenn du aufhörst mich anzuschauen
Werde ich erblinden
Wenn du mich nicht mehr berührst
Werde ich erschlaffen
Kraftlos und leblos möchte ich
Tränen aus verblassten Träumen weinen
Doch ich kann nicht weinen, nicht schreien, dich nicht festhalten
Weil du aufgehört hast
mich zu lieben
Mich, deinen stummen Freund
deinen Teddybär
Wenn du den Glauben in mich verlierst
Verliere ich mich
Wenn du aufhörst, mir deine Geschichten zu erzählen
Werde ich dich nicht mehr hören
Wenn du aufhörst mich anzuschauen
Werde ich erblinden
Wenn du mich nicht mehr berührst
Werde ich erschlaffen
Kraftlos und leblos möchte ich
Tränen aus verblassten Träumen weinen
Doch ich kann nicht weinen, nicht schreien, dich nicht festhalten
Weil du aufgehört hast
mich zu lieben
Mich, deinen stummen Freund
deinen Teddybär
Mareen Kraft, Jahrgang 1998
Der Regenmantel
Gestern hatten wir gesprochen
Ich trug den neuen Regenmantel
Gelb war er
Er schütze mich vor dem Regen
Ich trug den neuen Regenmantel
Gelb war er
Er schütze mich vor dem Regen
Seit Jahren trafen wir uns hier
Nachmittags im morschen Dickicht
Unsere Namen ins Holz geritzt
Schien mir alles so stabil
Nachmittags im morschen Dickicht
Unsere Namen ins Holz geritzt
Schien mir alles so stabil
Doch irgendwann kamst du nicht mehr
Das Geäst verfaulte mit der Zeit
Unter meinen Sohlen knarrte das Holz
Und so verwucherte unsere Freundschaft
Das Geäst verfaulte mit der Zeit
Unter meinen Sohlen knarrte das Holz
Und so verwucherte unsere Freundschaft
Du hattest gesagt, dass alles gut werden würde
Das hattest du mir versprochen.
Gestern war es
Und ich trug den neuen Regenmantel
Er schützte mich vor deinen leeren Worten.
Das hattest du mir versprochen.
Gestern war es
Und ich trug den neuen Regenmantel
Er schützte mich vor deinen leeren Worten.
Miriam-Sofie Linke, Jahrgang 1999
o.T.
Brandnarben zieren den Rücken
einer desillusionierten Atmosphäre, öffnen sich
unter Peitschenhieben der Elektrostatik
fallen bluttropfend und du
bist Regenschirm, breitest dich aus
über Abgründen meiner deplatzierten
Jugend ohne eingebaute
Kindersicherung, Anker oder Wissen
dass jede Grenze überschreiten
zahlen heißt.
einer desillusionierten Atmosphäre, öffnen sich
unter Peitschenhieben der Elektrostatik
fallen bluttropfend und du
bist Regenschirm, breitest dich aus
über Abgründen meiner deplatzierten
Jugend ohne eingebaute
Kindersicherung, Anker oder Wissen
dass jede Grenze überschreiten
zahlen heißt.
Splitter dorniger Eintagslieben paaren sich mit
zufälligen Nahtoderfahrungen und du
flanierst schon wieder auf gläsernen Dächern
einsturzgefährdeter Neubauten, Adrenalin
macht herrlich vergesslich
wir brechen
die Äste Yggdrasils, statt
hochzuklettern wie Chamäleons, die
mit gesenkten Lidern und Karriereaussichten
befremdete Blicke schweifen lassen auf Mahnmale
unserer postpubertären Bedeutungslosigkeit.
zufälligen Nahtoderfahrungen und du
flanierst schon wieder auf gläsernen Dächern
einsturzgefährdeter Neubauten, Adrenalin
macht herrlich vergesslich
wir brechen
die Äste Yggdrasils, statt
hochzuklettern wie Chamäleons, die
mit gesenkten Lidern und Karriereaussichten
befremdete Blicke schweifen lassen auf Mahnmale
unserer postpubertären Bedeutungslosigkeit.
Ich jage Chimären die mich quälen im Permafrost
immer schattiger werdender Zukunftsaussichten, denn ich weiß
wenn ich Fehler mache
bin ich nie allein.
immer schattiger werdender Zukunftsaussichten, denn ich weiß
wenn ich Fehler mache
bin ich nie allein.
Vladimir Schadrin, Jahrgang 1996
Und hier ein Beitrag "außer Konkurrenz":
(Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)
(Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)
Lux (2015)
Öffne deine Venen weit
damit ich darin schlafen kann,
ich möchte aus dir trinken
auch
wenn ich nicht durstig bin,
ich gieße meinen Atem
aus
in deinen weiten Lungen,
ich brauche dich,
drum halte mich,
ich falle,
darum falle nicht,
und setzte meine Füße auf
wenn ich sie nicht mehr finden kann,
fülle mich mit Leben an,
bis ich lebendig bin
und
finde meine Worte
auch
wenn ich sie nicht verlier',
dann
stütze dich auf meinen Arm
wenn ich die Adern lasse,
nur
halte die Gedanken stets
im Auge
deiner Zeit,
und
trage meine Stimme
auch
wenn ich vergangen bin.
damit ich darin schlafen kann,
ich möchte aus dir trinken
auch
wenn ich nicht durstig bin,
ich gieße meinen Atem
aus
in deinen weiten Lungen,
ich brauche dich,
drum halte mich,
ich falle,
darum falle nicht,
und setzte meine Füße auf
wenn ich sie nicht mehr finden kann,
fülle mich mit Leben an,
bis ich lebendig bin
und
finde meine Worte
auch
wenn ich sie nicht verlier',
dann
stütze dich auf meinen Arm
wenn ich die Adern lasse,
nur
halte die Gedanken stets
im Auge
deiner Zeit,
und
trage meine Stimme
auch
wenn ich vergangen bin.
Julia Fourate, Jahrgang 1994