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Die merkwürdigen Erzählungen eines Kirchenmannes

In dem Regiedebüt des neuseeländischen Filmemachers Toa Fraser spielt Schauspielerlegende Peter O'Toole einen uralten Mann, der sich verbittert in sein Innenleben zurückgezogen hat. Doch die merkwürdigen Erzählungen eines Kirchenmannes mit konkreten Wiedergeburtserfahrungen verändern auf wundersame Weise sein Leben.

Von Hartwig Tegeler | 04.01.2012
    Diese Welt, spät im 19. Jahrhundert, London, ist verhärtet und verknöchert. Und diese Donnerstage, wenn der "junge Fisk", wie sein Vater den Mann, der auch schon in seinen Vierzigern ist, immer nur nennt, wenn Henslowe also seinen alten Griesgram von Vater vor allem besucht, weil es immer so war.
    "Und, wie geht es ihm?"

    Ach, diese Donnerstage.

    "Sie wissen ja, wie er ist. Er hat mir die Zeitung zurückgegeben, damit ich sie vernünftig glatt bügele."

    Zyniker, Griesgram, Menschenhasser - so kann man Horatio Fisk sehr gut nennen.

    "Trotzdem, Vater. Ich verstehe nicht, was du damit sagen möchtest. Trotzdem, Vater, was?"

    Den Tod seiner Frau hat dieser Mann nicht verwunden, den seines Sohnes, der im Burenkrieg in den 1890er-Jahren starb, ebenso wenig. Und dann geht dieser Sohn eines Tages zu einem Vortrag über Wiedergeburt und lernt einen Dekan kennen, Dean Spanley, der seinerseits Liebhaber von Tokajer ist, wenn er den aber zu sich nimmt, nun ja, in eine sehr sinnliche und sehr konkrete Erinnerung an ein vorheriges Leben als Hund gerät.

    "In solchen Momenten wünscht man sich, mit dem Geruchssinn eines Hundes versehen zu sein."

    Die Erinnerung an diese Hundeinkarnation wird aber für die Menschen in diesem Kaminzimmer, wo Dekan Spanley den Tokajer genießt und in Vierbeiner-Erinnerungen schwelgt, weitreichende Folgen haben.

    "Dean Spanley", das Regiedebüt des neuseeländischen Filmemachers Toa Fraser mit Peter O'Toole, Jeremy Northam, Sam Neill und Bryan Brown ist ein wunderbarer Film. Denn sehr schön inszeniert Toa Fraser diese Enge der viktorianischen Welt, im Dekor, in den Farben, um sie dann mit dieser merkwürdigen Geschichte über das vergangene Leben des Dekans in eine ganz andere Richtung zu treiben. Die Gespräche beim Tokajer geführt, oder besser: die Monologe von Dekan Spanley, denen der junge und der alte Fisk zusammen mit ihrem Freund Wrather zuhören, wenn er in Menschengestalt von den Erlebnissen als Hund berichtet:

    "Ich traute dem Mond nicht, keine zwei Nächte in Folge. Man kann ihn weder hören noch riechen."

    Die Gespräche durchbrechen den Panzer des alten versteinerten Fisk. Denn recht bald wird klar, dass Dekan Dean Spanley in seiner Hundeinkarnation ...

    "Waren Sie ein schmächtiger oder ein großer Hund?"

    ... einst eben diesem alten Horatio Fisk gehörte. Und so erfährt der, warum sein geliebter Hund eines Tages weglief, welche Freude er dabei erlebte, und dann durchaus heimkehren wollte ...

    "Dann machten wir kehrt und liefen nach Hause. - Demzufolge kannten Sie den Heimweg. - Oh, ja. Dreh dich in Richtung Heimat und gehe los."

    Und Horatio erfährt endlich, warum sein Hund nie zu Hause ankam.

    Am Anfang scheinbar Ausstattungskino, eine Art Posse über seltsame Herren, die parlieren und parlieren, im Hintergrund das knisternde Kaminfeuer ... was so begann, wandelt sich auf wunderbare Weise zu einer sehr schönen Geschichte über die Möglichkeit und die Unmöglichkeit zu trauern.

    "Wenn Sie mich entschuldigen würden. - Habe ich irgendetwas gesagt, das Sie traurig macht, Sir. - Nein, nein, nein, gar und gar nicht. Ich musste bloß an meinen Sohn Harrington denken."

    Ja, "Dean Spanley" hat ein berührendes Happy End. Aber vorher geht es darum, sich zu erinnern. An zwei Tode, den eines Sohnes im Krieg, den eines Hundes auf einem Feld. Und jeder mag denken, und ich dachte es auch: Was für ein Kitsch! - Weit gefehlt! "Dean Spanley" ist ein Film über menschliche Gefühle, manchmal sehr komisch, manchmal sehr traurig, so wie sich's fürs Kino gehört, das von Menschen und - wie hier - von einer Vater-Sohn-Geschichte handelt. Es ging ihm, meint Regisseur Toa Fraser im Bonusmaterial der DVD "Dean Spanley", um die Beziehung von Menschen. Um echte Gespräche zwischen echten Menschen.

    "Dean Spanley" von Toa Fraser (Neuseeland/GB 2008 - DVD: 2011)
    Anbieter: Ascott Elite - 1 DVD mit Bonusmaterial