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Die Monster AGs

Am kommenden Donnerstag und Freitag findet in Bangkok die Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft statt. Sie soll dem deutschen Investment in Asien einen neuen Pusch geben. Insbesondere erhoffen sich Wirtschaftsvertreter vor Ort, dass die Konferenz den Investoren wieder mehr Appetit auf den Standort Thailand macht. Die zehnte Asien-Pazifik-Konferenz steht unter dem Motto "Wachsende Märkte stärker nutzen" und gilt als Forum für den Austausch zwischen deutschen Firmenvertretern und ihren in Asien ansässigen Wirtschaftspartnern. Erwartet werden rund 750 Repräsentanten aus allen Industriezweigen. Schwerpunkte sind unter anderem die Automobilbranche, Umwelt- und Kommunikationstechnologie und Dienstleistungen. Die Asien-Pazifik-Konferenz findet alle zwei Jahre statt, das letzte Mal war Japans Hauptstadt Tokio der Gastgeber. Dass dieses Mal das südostasiatische Bangkok der Austragungsort ist, war deshalb kein Zufall. Generell gilt Asien-Pazifik als die größte Wachstumsregion der Welt. Doch investiert haben ausländische Geschäftsleute in den vergangenen Jahren vor allem in China, viele andere Länder fielen hinter dessen Anziehungskraft zurück. Ingesamt muss das Engagement deutscher Investoren in Asien-Pazifik dringend angekurbelt werden, meint Paul Strunk, Haupt-Geschäftsführer der Deutsch-Thailändischen Handelskammer in Bangkok:

Von Nicola Glaß |
    Wir hatten im Jahr 2003 circa 13 Prozent des gesamten deutschen Außenhandels mit dieser Region, und wir hatten circa sieben Prozent der deutschen Auslands-Direktinvestitionen mit Asien-Pazifik. Das ist zu wenig! Es ist zu wenig angesichts des riesigen Wachstums, das hier statt greift, wir müssen zulegen, wir müssen Gas geben. Die Chancen sind hier, wir sind eingeladen, an der Region und diesem Wachstum teilzunehmen, und wenn wir das nicht tun würden, wären wir höchst schlecht beraten.

    Ähnlich sieht es Vongthip Chumpani von der Bangkok-Bank, Beraterin ausländischer Investoren in Thailand. Auch für sie ist und bleibt Asien im weltweiten Vergleich die Boomregion schlechthin, und das aus ganz bestimmten Gründen:

    Wegen der zu erwartenden Rezession in den USA und einem Europa, das jetzt erst einmal etwas Zeit braucht, um sich nach der Erweiterung auf insgesamt 25 neue Länder zu konsolidieren, kann man davon ausgehen, dass in den nächsten vier oder fünf Jahren Asien die Wachstumslokomotive sein wird.

    Dabei ist die Asien-Pazifik-Konferenz als Forum, um die Region entsprechend zu promoten, nicht mehr wegzudenken. (.) Dass die internationale Konferenz jetzt zum zweiten Mal in Bangkok stattfindet, bezeichneten führende deutsche Wirtschaftsvertreter bereits im Vorfeld als "wichtige Standortbestimmung".

    Dabei standen fast alle Länder Südost-Asiens in den vergangenen Jahren im Schatten Chinas. Erst allmählich ist Thailand als Standort wieder ins Bewusstsein deutscher und anderer ausländischer Investoren gerückt. Durch den Ausbruch der asiatischen Wirtschafts- und Finanzkrise 1997 und 1998 war es mit der einstigen Boomregion Südostasien und den sogenannten Tigerstaaten steil bergab gegangen. Die Währungen verfielen rasant, die Wirtschaftsdaten brachen ein, die internationale Verschuldung stieg und Millionen Menschen verarmten von einem Tag auf den anderen. Thailand und einige seiner Nachbarländer haben sich seitdem wieder erholt. Premier Thaksin Shinawatra, der seit Anfang 2001 im Amt ist, brachte die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs: Sein System zielt darauf ab, die Binnenwirtschaft zu stimulieren, zum Beispiel durch kreditfinanzierte Programme, die der Landbevölkerung zugute kommen sollen.

    Auch setzte Thailand zunehmend auf internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie: Insbesondere fördert das Land Veredelungsindustrien, Technologie sowie Service- und Dienstleistungen. Nach offiziellen Angaben erreichte Thailand im vergangenen Jahr ein Wachstumsplus von 6,7 Prozent. Das Land reiht sich somit von seinen reinen Wirtschaftsdaten ein in den Reigen der "Monster AGs" - ein Bild für die boomenden asiatischen Länder im Schatten des chinesischen Drachen. Ob die für dieses Jahr angestrebten acht Prozent Wirtschaftswachstum in Thailand allerdings erreicht werden, bleibt dahingestellt:
    Zwar boomt in Bangkok die Baubranche, überall wachsen teure Appartementhäuser und Bürotürme in den Himmel. Im Süden der Hauptstadt entsteht der neue Internationale Flughafen, die Kosten gehen in die Milliarden. Doch manche fürchten, dass sich das Land am Bauboom übernehmen könnte. Zumal auch die Verschuldung der privaten Haushalte wächst, denn die Regierung ermuntert die Leute zum immensen Konsum. Hinzukommt: Schwere Krisen wie der Ausbruch der Vogelgrippe und die anhaltenden Unruhen in den Südprovinzen dürften die optimistischen Prognosen ohnehin dämpfen.

    Indes nimmt die Motorisierung unbeirrt zu, Bangkoks Verkehrsadern sind fast immer verstopft. Das Land ist gleichzeitig Anziehungspunkt für die internationale Automobilbranche. Darunter große deutsche Unternehmen wie Daimler-Chrysler, BMW und Porsche, die teils sogar mit eigenen Fabriken vor Ort vertreten sind.

    Daimler-Chrysler zum Beispiel baut in Thailand die Automobiltypen der S-, C-, und E-Klasse und will jetzt auch den Bau der A-Klasse starten. Der derzeitige Thailand-Chef Karl-Heinz Heckhausen kam 1998 hierher – zu tiefsten Krisenzeiten. Damals hatte der Konzern gerade damit begonnen, sein Netzwerk neu zu formieren. In Thailand hatte das Unternehmen bereits einen General-Distributeur vor Ort gehabt, der die Geschäfte von Mercedes-Benz seit 40 Jahren geleitet hat. Schon während der Asienkrise hatte sich offenbar abgezeichnet, dass sich das Land zum wichtigsten Dreh- und Angelpunkt für die Automobilindustrie in Südostasien entwickeln würde. Und diese Branche zieht auch wichtige Zulieferindustrien an. Gemeinsam mit der Deutsch-Thailändischen Handelskammer will Thailands Daimler-Chrysler-Chef Heckhausen vor allem auch kleine und mittlere Unternehmen ermuntern, sich hier niederzulassen:

    Wir sind hier in der Kammer sehr aktiv, um auch den kleineren Investoren oder den kleineren Firmen zu helfen. Schauen sie sich nur das Thema Automobilindustrie an, die Komponenten, es wird mehr und mehr spezialisiert. Es gibt dann entweder die Möglichkeit, dass die sich hier in eigener Regie breit machen oder aber mit einem Joint Venture, mit einem thailändischen Partner. Das muss man dann sehen, und genau das wollen wir jetzt bei der AP-Konferenz herausstellen.

    Den Standort Thailand noch besser zu vermarkten, auch darauf wollen die Organisatoren der Asien-Pazifik-Konferenz setzen. Unbestritten ist zwar, dass China die Wachstumslokomotive in der Region Asien-Pazifik bleiben wird. Laut der "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" überholte der "chinesische Drache" bei den ausländischen Direktinvestitionen im vergangenen Jahr sogar die USA: China zog umgerechnet rund 53 Milliarden US-Dollar an Land, die USA etwa 40 Milliarden. Doch das riesige "Reich der Mitte" hat auch viele Probleme: Während die Ostküste und die großen Städte boomen, sind viele Gegenden im westlichen Hinterland verarmt. Das birgt sozialen Zündstoff. Nachdem die Wirtschaft Chinas so viele Jahre rasant gewachsen ist, ist nun Zeit für eine Konsolidierung. Auch wenn sie Chinas wirtschaftliche Zukunft weiterhin positiv beurteilt, sollten sich Investoren trotzdem auch nach anderen Investitionsmöglichkeiten umschauen, empfiehlt Vongthip Chumpani von der Bangkok-Bank:

    Ich würde nicht sagen, dass man China überschätzt hat, es ist wirklich die weltgrößte Fabrik, die Produktionskosten sind diejenigen, die am meisten wettbewerbsfähig sind, auch hat China viel an Hochtechnologien entwickelt. Aber das Wachstum war so spektakulär, es ist wie bei einem Rad: Wenn man die Spitze erreicht hat, wird es anschließend Zeit, innezuhalten und eine Pause einzulegen, bevor der nächste Schwung kommt. Ausländische Investoren müssen folglich diversifizieren.

    Investment in China lohnt sich jedoch nur für diejenigen, die einen langen Atem und entsprechenden Geldbeutel haben, um Durststrecken durchzustehen. Noch hält die China-Euphorie ausländischer Firmen an. Doch in der letzten Zeit zeichnet sich daneben offenbar ein Trend ab, in dessen Folge sich manche Unternehmen entschlossen haben, ihre Standortwahl und ihre Investitionen neu zu überdenken – und zwar zugunsten Südostasiens. Dazu sagt der Thailand-Chef von Daimler-Chrysler, Karl-Heinz Heckhausen:

    Einige haben sich verabschiedet und sind auch reumütig wieder zurückgekommen hierher, das sehe ich als einen positiven Trend. Und die Regierung hier macht alles, um den Investoren hier gute Einstiegsmöglichkeiten zu geben, und die Regierung macht alles, um die Voraussetzungen hier als Standort nicht nur für die Automobilindustrie, sondern ganz besonders auch für die Komponentenhersteller zu vereinfachen.

    Investoren beim Einstieg in den Markt zu helfen, dafür steht auch das Anwaltsunternehmen Lorenz und Partner in Bangkok. Die Kanzlei ist seit etwa sieben Jahren in Thailand aktiv. Als die Asienkrise ausbrach, waren die Mitarbeiter hauptsächlich damit beschäftigt, Risiken abzuwickeln. Jetzt aber, wo es in den vergangenen Jahren wirtschaftlich wieder bergauf ging, liegt der Schwerpunkt auf künftigen Projekte, die es für verschiedene Mandanten zu entwickeln gilt. Vorwiegend Mittelständler brauchen Hilfe. Die Qualitäten des Standortes Thailand beurteilt Till Morstadt von Lorenz und Partner so:

    Man versucht einfach, Thailand nicht mehr als Billiglohnland zu verkaufen, sondern als Konkurrenz zu Singapur oder Hongkong. Es gibt neue Förderungen für "regional headquarters", wo sie eben Fördermaßnahmen dafür bekommen, wenn sie hier ihr Asienzentrum aufbauen. Ich denke, dass sind eigentlich auch die Stärken von Thailand gegenüber China oder auch anderen Standorten in Südostasien, dass sie hier diese sehr gute Infrastruktur nutzen können.

    Deutsche Unternehmer, die neue Investitionen in Südostasien erwägen, haben neben Thailand aber noch ein anderes südostasiatisches Land im Blick: Vietnam. Das Land hat es geschafft, den Anteil der Menschen, die mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen müssen, von 58 Prozent auf 29 Prozent zu senken. Dennoch bleibt Vietnam in großen Teilen ein armes Land, trotz der sieben Prozent Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr. Vor allem die jungen Vietnamesen sind begierig auf eine bessere Zukunft, und das kommunistische Regime hat sich zumindest in ökonomischer Hinsicht geöffnet. Das zeigt sich bislang schon an den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen: Laut offizieller Angaben ist Deutschland mit einem Anteil von zeitweilig 28 Prozent am europäisch-vietnamesischen Handel innerhalb der EU der größte Wirtschaftspartner Vietnams. Zudem unterzeichneten beide Länder erst kürzlich neue Wirtschaftsabkommen im Wert von mehr als 150 Millionen Euro: Bundeskanzler Gerhard Schröder war Anfang Oktober anlässlich des Asien-Europa Gipfels in die vietnamesische Hauptstadt Hanoi gereist. Paul Strunk von der Deutsch-Thailändischen Handelskammer:

    Da, wo das Wachstum ist, da spielt die Musik, und wenn wir schauen, wo Wachstum ist, dann ist das natürlich in China, das weiß jeder, aber es ist auch in Südostasien, und hier vor allen Dingen in Thailand und Vietnam. Das sind die beiden Länder, die in den vergangenen Jahren nach China die höchsten Wachstumsraten aufzuweisen hatten, und so wird es auch in etwa in den nächsten Jahren bleiben, vielleicht etwas reduziert, aber im Vergleich mit anderen Ländern Asiens wird hier weiterhin ein sehr starkes Wachstum zu verzeichnen sein.

    Eines der deutschen Unternehmen, das bereits Niederlassungen in Asien hat, ist die mittelständische Firma Häfele. Sie ist spezialisiert auf Beschläge für die Möbelindustrie und in Thailand schon seit zehn Jahren vor Ort. Häfele hat von Anfang an darauf gesetzt, eigene Niederlassungen zu gründen statt Joint-Ventures einzugehen. Eine Strategie, die sich offenbar gelohnt hat. Mit dem Standort Thailand sei man hochzufrieden, sagt Volker Hellstern, Geschäftsführer von Häfele Thailand:

    Ein Joint Venture mit einem Partner im Markt, der sich auskennt, ist sicherlich der sehr schnelle Erfolg, Häfele ist bis heute noch ein Familienunternehmen, das heißt, Entscheidungen können sehr schnell getroffen werden, und das mag Häfele auch und damit ist Häfele auch relativ erfolgreich, aber lieber den etwas längeren Weg gehen, ,und aber den Weg, von dem wir denken, dass er richtig ist, als der schnelle Erfolg und hinterher Probleme.

    Aufgrund der Tatsache, dass viele Investoren den Blick längst auf mehrere Länder der Region Asien-Pazifik richten, haben die entsprechenden Firmen das Beratungsangebot für ihre Kunden erweitert. Dazu Rechtsanwalt Till Morstadt von Lorenz und Partner in Bangkok:

    Die Eintrittskarte ist meistens Thailand, dass Leute eine Beratung bezüglich Thailand wollen. Wir haben aber allmählich auch eine ganz gute Expertise in länderübergreifender Beratung. Wir arbeiten sehr stark zusammen mit einer deutschen Großkanzlei, die in Singapur und Shanghai Niederlassungen hat, wir selbst sind im Moment in einer Expansionsphase und wir kooperieren sehr stark mit einer Kanzlei in Vietnam, seit einigen Monaten, und wollen mittelfristig auch einen deutschen Anwalt in Vietnam installieren, der dann eben quasi die gleiche Beratung machen kann wie wir hier auch, weil wir schon sehen, dass die Nachfrage der Mandanten da ist.

    Einig sind sich Experten längst darüber , dass in der Region nichts ohne China geht. Dabei hat die Wachstumslokomotive zweierlei Auswirkungen auf Südostasien: Einerseits bedeutet der wirtschaftliche Aufschwung Chinas natürlich eine Standortkonkurrenz für ASEAN, also die südostasiatische Staatengemeinschaft. Andererseits profitieren die Länder Südostasiens aber auch vom mächtigen Nachbarn, mit dem sie teils auch schon bilaterale Freihandelsabkommen abgeschlossen haben.

    Allerdings sieht ein solches Handelsabkommen vor, dass prinzipiell beide Partner davon profitieren. Das Risiko daran: Kleinere Länder müssen verhindern, dass die Produkte des größeren Handelspartners ihren Markt möglicherweise derart überschwemmen, dass sie selbst nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Der Anwalt Till Morstadt von der Kanzlei Lorenz und Partner in Bangkok befürwortet grundsätzlich den Abschluss von Freihandelsabkommen, findet jedoch manche Punkte bei dem zwischen Thailand und China vereinbarten Abschluss bedenklich:

    Ich halte das teilweise etwas für übereilt, es gibt jetzt dieses neue Freihandelsabkommen mit China bezüglich landwirtschaftlicher Güter, da muss man mal sehen. Das kann natürlich schon sehr problematisch werden für heimische Industrien. Und das ist natürlich gerade in so einer Phase, wo sie sich wieder im Aufbau befinden, gefährlich, dass sie dadurch das ganze Wachstum letztendlich wieder ins Stocken bringen, weil sie dann nur noch versuchen, irgendwelche Industrien wieder zu subventionieren, damit sie wettbewerbsfähig bleiben gegenüber dem Import. Es ist eine schwierige Sache, grundsätzlich halte ich es für richtig, den Weg zu gehen. Ob man ihn so schnell gehen muss, möchte ich mal dahingestellt lassen.

    Viele Investoren hoffen jedoch, dass der von China ausgehende Wettbewerbsdruck sich positiv auf die ASEAN-Region auswirkt. Die südostasiatischen Länder wissen ebenfalls, dass sie dem wirtschaftlichen Sog nicht entkommen können. Paul Strunk von der Deutsch-Thailändischen Handelskammer in Bangkok bewertet diese Entwicklung folgendermaßen:

    Die Länder Südostasiens haben in den vergangenen Jahren China weniger als Gefahr angesehen, sondern haben sich konfuzianisch-buddhistischem Denken entsprechend auf die positive Seite konzentriert. Nämlich darauf, wie sie sich an dieses Riesenpferd China anhängen können, das da nun mal nach vorne strebt. Thailand hat in den letzten fünf Jahren 250 Prozent im Handel mit China zugelegt, jetzt existiert ein neues Freihandelsabkommen mit China, was diese Handelserweiterung noch weiter stärken wird.

    Die deutschen Investoren, sagen die Organisatoren der diesjährigen Asien-Pazifik-Konferenz, seien eingeladen, an den Wachstumschancen innerhalb der Region teilzuhaben und nicht nur den Blick auf den Wirtschaftsriesen China zu richten. Dass viele Geschäftsleute mit einem Engagement in den südostasiatischen ASEAN-Staaten vielleicht noch zögern könnten, liegt nach Auffassung der thailändischen Managerin Vongthip Chumpani aber auch daran, dass sich für deutsche Investoren mittlerweile noch ganz andere attraktive Standorte aufgetan haben:

    Wahrscheinlich können wir nicht allzu viele Investitionen von Deutschland oder Europa erwarten, weil ich denke, sie werden es bevorzugen, in den neuen zehn EU-Ländern zu investieren. Sie haben dieselben Regeln und Gesetze, und ich denke, da ist es selbstverständlich, dass sie mehr in die osteuropäischen Länder investieren als den ganzen Weg nach Thailand oder nach Südostasien zu kommen. Es sei denn, sie haben sowieso vor, in diese Märkte zu expandieren. Die ASEAN-Region umfasst rund 500 Millionen Menschen, und wir sind alle Konsumenten.

    Ob dem Motto dieser zehnten Asien-Pazifik-Konferenz "Wachsende Märkte stärker nutzen" letztendlich auch Rechnung getragen wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall werden die Teilnehmer über Strategien diskutieren, um das relativ niedrige Engagement der deutschen Wirtschaft zu beleben. Beispielsweise sollen die Investitionen in der Region bis zum Jahr 2010 auf zehn Prozent der gesamten deutschen Auslandsinvestitionen steigen. Es geht aber auch darum, festzustellen, in welchen Bereichen der angestrebte Binnenmarkt innerhalb der ASEAN-Länder noch nicht verwirklicht worden ist. Doch angesichts der langen Entwicklung, welche die Europäische Union bis zu ihrem heutigen Status durchgemacht hat, erwarten die Kenner in Asien Geduld von ausländischen Investoren.

    Zumal das soziale Gefälle und die wirtschaftlichen Unterschiede innerhalb Südostasiens enorm sind: Während Länder wie Thailand, Malaysia oder auch Vietnam das Interesse von Investoren auf sich ziehen, stehen arme Staaten wie Laos, Kambodscha und auch das wegen der regierenden Militärjunta vom Westen geächtete Myanmar hinten an. Die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN ist so heterogen wie kaum eine andere Region auf der Welt. Paul Strunk von der Deutsch-Thailändischen Handelskammer Bangkok:

    So sieht es eigentlich auch der deutsche Investor, der hier Prioritäten setzt. Er ist an Vietnam interessiert wegen der Dynamik, des Puschens von einem niedrigen wirtschaftlichen Entwicklungsstand nach oben, er ist von Thailand beeindruckt, und zur Zeit sind das die beiden Länder, die auf seiner Palette möglicher Investitionen vorne stehen. In meinen Augen immer noch nicht weit vorne genug, da er doch weiterhin diese Obsession hat, in China sein zu müssen, und da er andererseits aber auch andere Teile der Welt sieht. Er sieht Osteuropa und er sieht – und fragt sich vor allen Dingen auch - wie seine Zukunft in Deutschland sein wird, und das unterscheidet ihn derzeit sehr stark von anderen europäischen und den amerikanischen Investoren.

    Immerhin haben die ASEAN-Mitglieder seit der Asienkrise selbst verstärkt versucht, die Vision von einer Asiatischen Freihandelszone "AFTA" voranzubringen. Nach zähem Ringen und protektionistischen Bestrebungen haben manche Länder Südostasiens einsehen müssen, dass sie bei der Verwirklichung von "AFTA" mit ihren Nachbarn an einem Strang ziehen müssen. Klar ist andererseits auch, dass eine ASEAN-Freihandelszone nicht ohne die Wirtschaftsmächte Ostasiens, eben China, Japan und auch Südkorea, auskommen kann. Japan scheint die tiefe Rezession der 90er Jahre weitgehend überwunden zu haben. Als besonders zukunftsträchtig erweisen sich Industriezweige wie Umwelt, Biotechnologie sowie die Bereiche Information/Kommunikation. Auch der kleinere Nachbar Südkorea, einst schwer von der Asienkrise gebeutelt, hat ehrgeizige Pläne: Das damalige Musterkind des Internationalen Währungsfonds zog in 2003 rund 6,5 Milliarden US-Dollar an Direktinvestitionen an, in diesem Jahr will man die 10-Milliarden-Dollar-Grenze durchbrechen. Süd- und Ostasien werden demnach irgendwann zu einer sogenannten PAN-Asiatischen Freihandelszone verschmelzen. Für deutsche Investoren, die an der Region Asien-Pazifik weiter festhalten oder sich neu engagieren wollen, kann das nur vorteilhaft sein.