"In Turkmenistan habe ich drei Jahre die Grenze zu Afghanistan bewacht. An der Grenze der Provinzen Bagdis und Herat. Ich frage mich, warum die Deutschen dort ihre Soldaten hinschicken."
Karpow schüttelt den Kopf. Er kann es nicht verstehen. Afghanistan ist doch die Hölle, sagt er. Und: "Ich war froh, als die Sowjetunion vor 20 Jahren dort den Krieg beendete."
Links ziehen dichte Wälder vorbei, slowakisches Staatsgebiet. Mit den Kollegen aus Ungarn, und der Slowakei arbeiten wir hervorragend zusammen, sagt Viktor. Im Vergleich zu Afghanistan ist das hier doch eine "Freundschaftsgrenze". Allerdings nicht für Afghanen, die versuchen würden, in die EU zu gelangen
"Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich noch einmal so viele afghanische Flüchtlinge zu Gesicht bekommen würde. Mitte und Ende der Neunziger kamen ganze Familien, haufenweise. Miliz. Militär, Leute aus den Ministerien, die sind mit ihren Kindern, mit ihren Frauen geflüchtet, haufenweise kamen sie hier an. Dass dies noch einmal passieren würde, das konnte ich mir nicht vorstellen."
Der Kleinbus verlässt die Straße, holpert über einen Schlammweg. Links und rechts abgeerntete Maisfelder, ab und zu ein Baum. Dann ein grauer Metallzaun, dahinter ein flaches Gebäude. Ein Wachturm überragt das Ganze.
Hinter dem Metallzaun ein Stützpunkt der ukrainischen Grenztruppen. Der befehlshabende Offizier salutiert zackig. Viktor Karpow grüßt zivil zurück. Geht dann auf einen grünen VW-Bus zu, der vor dem Flachbau der Grenzer parkt. Kein Dreckspritzer verunziert den Lack. Kein Staub trübt die Scheibe. Die Radkappen glänzen. Viktor Karpow nickt zufrieden..
"Wir haben zwei solche Überwachungswagen. Der eine ist in Salowka stationiert, der andere hier. Der eine ist von den Grenztruppen selbst finanziert, der andere ist als Hilfslieferung gesponsert worden."
Ein junger Grenzer öffnet die Seitentür des Wagens. Gibt den Blick frei auf zwei drehbare Schalensitze, drei Flachbildschirme, eine Steuerungskonsole. Darunter surren leise leistungsstarke Computer.
"Das ist deutsche Technik", sagt Karpow stolz. "We make it visibile" - Wir machen es sichtbar, das Logo der Firma Carl Zeiss prangt auf den Geräten. Der junge Grenzer drückt einen Knopf. Eine Luke im Dach des Transporters öffnet sich. Ein dickes Metallrohr fährt aus. Mit drei großen Kameralinsen..
"Das hier funktioniert genauso wie eine normale Videokamera. Und das hier ist ein Wärmesensor. Wir können Menschen erkennen, aber auch jedes andere Lebewesen, das Wärme abstrahlt. Den Wärmesensor benutzen wir meistens in der Nacht und diese Kamera hier am Tag."
Auf Knopfdruck drehen sich Kameras in Position, der Grenzer startet den Wärmesensor. In einem Umkreis bis zu fünf Kilometern registriert der Wärmequellen
"Die fünf Kilometer sind eine ideale Entfernung, insbesondere bei guten Wetterbedingungen. Wenn es nicht regnet oder es keinen Nebel gibt."
Weiß leuchtet eine Silhouette auf dem Bildschirm auf. Routiniert bedient der Grenzer den Joystick. Bis die Kontur an Schärfe gewinnt.
"Gucken Sie, dort sitzt ein Hase. Man kann auch die Entfernung berechnen. Der sitzt 3,5 Kilometer entfernt."
Viktor Karpow und der befehlshabende Offizier recken die Hälse, blicken auf den Bildschirm, nicken zufrieden. Ein Hase in der Slowakei. In dreieinhalb Kilometer Entfernung. Rund eine Million Euro hat der Wärmespähwagen gekostet. Technik aus Deutschland, mitfinanziert von der EU, unterwegs im Grenzschutz in der Ukraine. Jeden Tag ist der Wagen nun im Einsatz, sagt der Offizier. Mit Erfolg. Neulich erst haben sie wieder einige Flüchtende auf dem Weg nach Westen gestoppt.
"Das war ungefähr vor einem Monat. Es ist ihnen nicht gelungen, die Grenze zu passieren. Es waren fünf afghanische Staatsbürger. Sie wurden dort, in dieser Richtung festgenommen. Unweit des Grenzsteines. Aber mehr darf ich dazu nicht sagen."
Viktor Karpow nickt zustimmend. Grenzgeheimnis. Aus Sicherheitsgründen. Wie damals, an der einstmals sowjetischen Grenze zu Afghanistan.