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Die Päpste und die Burg der Engel

Das Castel Sant’Angelo und der Einfluss der katholischen Pontifices auf die Stadt Rom: Vielschichtiges Thema einer Ausstellung noch bis zum Dezember in der Engelsburg. 130 Kunstwerke erzählen dem Besucher von Päpsten, die in Bezug auf die Stadt Rom besonders erinnerungswürdig sind.

Von Thomas Migge |
    Mit den Päpsten hatte die Engelsburg ursprünglich gar nichts zu tun. Auch wenn das Bauwerk von einem mächtigen Engel gekrönt wird, der ein Schwert in seine Scheide steckt. Bauherr war kein katholischer sondern ein heidnischer Pontifex. Es war Kaiser Hadrian, der wie alle römischen Kaiser auch oberster Pontifex, also oberster Priester war, der sich ein gewaltiges Familiengrab direkt am Tiber errichten ließ. 139 nach Christus war es fertiggestellt. Im 5. Jahrhundert aber wurde das Grabmal Teil einer neuer Stadtmauer.

    Die Totenstätte als Teil der Festung beherbergte so viele Kunstschätze, dass die Römer im Jahr 455, um einen Angriff der Wandalen abzuwehren, massenweise antike Kunstwerke auf die Aggressoren warfen. Im 6. Jahrhundert diente das ehemalige Hadrian-Grabmal dann als Gefängnis, als sogenannter "carceres Theodorici". Erst mit Papst Gregor dem Grossen im späten 6. Jahrhundert wurde aus dem heidnischen ein geweihter Ort, erklärt der römische Kunsthistoriker und Engelsburgkenner Claudio Strinati:

    "Er war es, der dieses Gebäude wieder aufbaute, es – man würde heute sagen – restaurierte und wieder funktionstüchtig machte. Während einer Prozession, in Rom herrschte die Pest, kam Gregor an der Ruine vorbei und erblickte auf deren Spitze den Erzengel Michael, der ein flammendes Schwert in die Scheide steckte. Das wurde als das bevorstehende Ende der Pest interpretiert. Die Folge: der Papst ließ auf der Grabruine eine Kapelle errichten. Er erkannte aber auch den praktische Nutzen der Anlage"

    Mit Papst Gregor begann die eigentliche Geschichte der Engelsburg, denn Gregor gab ihr den offiziellen Namen "castellum Sancti Angeli". Die Päpste, die Engelsburg und der Einfluss der katholischen Pontifices auf die Stadt Rom: das ist das vielschichtige Thema einer Ausstellung, die im Castel Sant' Angelo bis Dezember besichtigt werden kann. Die Historikerin Rosa Mattinelli:

    "Mit dieser Ausstellung kehren die Päpste zurück nach Hause. Bis zur italienischen Staatseinigung 1870 gehörte die Engelsburg dem Papst, danach dem italienischen Staat. Die Ausstellung zeigt anhand einiger weniger Päpste, was diese für die Stadt Rom getan haben. Hier wird thematisiert was einige Päpste in Rom bewirkten."

    130 Kunstwerke, darunter Gemälde, Skulpturen, Architekturmodelle und historische Dokumente, erzählen dem Besucher von Päpsten, die – in Bezug auf die Stadt Rom – besonders erinnerungswürdig sind. Die Auswahl der Päpste, so die Kuratoren, erfüllt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Ein Porträt des berühmten mittelalterlichen Künstlers Arnolfo di Cambio aus dem 13. Jahrhundert zeigt Papst Bonifaz VIII. Er war nicht nur ein gewiefter Jurist und politischer Stratege sondern auch ein Ökonom: das von ihm im Jahr 1300 ausgerufene erste Heilige Jahr der Kirchengeschichte, institutionalisiert durch die ebenfalls ausgestellte "Bulle Antiquorium habet fida relatio", schuf eine kirchliche Tradition, die dem Papst regelmäßige Einkünfte garantierte.

    Dazu trug auch der von Bonifaz geförderte Ablasshandel bei, mit dem die Kreuzzüge finanziert wurden. Dank der sich zunächst nur alle 100 und ab 1475 alle 25 Jahre wiederholenden Heiligen Jahre erhielt die Stadt Rom eine für sie enorm wichtige Einnahmequelle. Die Pilger brachten Geld in eine Stadt, die selbst großen Industrien besaß. Päpstlichen Bullen, Kunstwerke, historische Dokumente: Ausstellungskurator Mario Lolli Ghetti stellte er unbekannte Objekte zusammen.

    "Wir zeigen hier nicht die bekannten Meisterwerke zum Thema, von Caravaggio und anderen Künstlern. Die kann man sich in römischen Museen anschauen. Wir zeigen Objekte, die man nicht unbedingt zu sehen bekommt. Zum Beispiel ein Selbstbildnis Michelangelos während er die sixtinische Kapelle malte. Weniger bekannte Ausstellungsgegenstände also, die deshalb aber nicht weniger interessant sind."

    Objekte wie zum Beispiel Architekturentwürfe für bauwütige Päpste wie Julius II., der die Kirche von 1503 bis 1513 führte. Er ließ ganze Straßenzüge anlegen, darunter die Via Giulia, an der der römische Adel seine neuen Paläste zu errichten hatte. Julius II. begriff sich als eine Art katholischer Imperator und wollte Rom zu einer Stadt machen, die an Glanz und Größe der antiken Metropole erinnerte. Päpste wie er waren dafür verantwortlich, dass die wichtigsten Künstler ganz Italiens in Rom angestellt wurden: als Maler und Architekten. Zahleiche Gemälde und Architekturmodelle aus Holz zeugen in der Ausstellung von den päpstlichen Förderern der Künste.

    Frühbarocke Partituren verweisen in der Ausstellung auf Innozenz X., Papst von 1644 bis 1655. Er verbot Frauen, in den Opern des Kirchenstaates aufzutreten und leistete damit der in den meisten Fällen verhängnisvollen Kastration von zahllosen Jungen den Vorschub, die fortan Frauenrollen zu singen hatten. Die Ausstellung erinnert auch an Papst Paul VI. Er löste 1966 – nicht ohne heftigen Widerstand seitens zahlreicher Kardinäle – den umstrittenen Index verbotener Bücher auf, der 1558 unter Paul IV. eingerichtet wurde, um "gefährliche" Schriftwerke aus dem Verkehr zu ziehen.

    Schriftwerke wie zum Beispiel die des dominikanischen Predigers Giordano Bruno. Die Ausstellung verschweigt nicht, dass der im Jahr 1600 wegen seiner angeblich häretischen Ideen auf dem römischen Marktplatz Campo de Fiori hingerichtete Kirchenmann im Jahr 2000 von der Kirche rehabilitiert wurde. Damals erklärte der päpstliche Kulturrat die Hinrichtung aus kirchlicher Sicht für Unrecht.