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"Die Partei leidet unter einem ganz großen Widerspruch"

Aus kapitalistischer Sicht ist die Entwicklung Chinas eine große Erfolgsgeschichte, sagt Oskar Weggel vom Institut für Asienkunde in Hamburg. Ideologisch betrachtet sei dies aber ein großer Misserfolg, "denn es ist das Gegenteil von dem rausgekommen, was ursprünglich geplant war".

Oskar Weggel im Gespräch mit Peter Kapern | 01.07.2011
    Peter Kapern: In China feiert heute die Kommunistische Partei ihr 90-jähriges Jubiläum, mit dem üblichen Pomp in der großen Halle des Volkes. Seit über 60 Jahren regiert die KP die Volksrepublik, die sich in dieser Zeit von einem verarmten Land zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt entwickelt hat. Partei- und Staatschef Hu Jintao lobte zwar das Erreichte, warnte aber auch, die KP stehe vor massiven Problemen in der Zukunft, vor allem wegen der parteiinternen Korruption.
    Bei uns am Telefon nun der China-Experte Professor Oskar Weggel. Guten Tag, Herr Weggel.

    Oskar Weggel: Guten Tag, Herr Kapern.

    Kapern: 90 Jahre Kommunistische Partei Chinas. Kann man eigentlich vorbehaltlos sagen, das ist eine Erfolgsgeschichte?

    Weggel: Na ja, wenn man es kapitalistisch betrachtet, ist es eine ganz große Erfolgsgeschichte. Dieses Land hat sich innerhalb dieser Jahrzehnte vom roten Ausrufezeichen im Fernen Osten zum kapitalistischen Herz Asiens entwickelt und ist drauf und dran, New York abzulösen. Also insofern großer Erfolg, aber wenn man seine Ideologie betrachtet, dann ist es natürlich ein riesiger Misserfolg, denn es ist das Gegenteil von dem rausgekommen, was ursprünglich geplant war.

    Kapern: Das ist ja gewissermaßen die Klemme, in der Beobachter des chinesischen Systems stecken. Hier im Westen herrschte ja die Überzeugung vor, sobald China wirtschaftlich erfolgreich ist und sich der Welt öffnen muss, wird die kommunistische Diktatur zusammenbrechen. Ist das, was wir in China erleben, der Beweis, dass diese Theorie falsch ist? Passen Diktatur und Kapitalismus also doch perfekt zusammen?

    Weggel: Nein, das nicht. Also ich glaube, dass die Überlebensfähigkeit unter einem ganz großen Fragezeichen steht. Es wird das nicht gelingen, was wieder beschworen worden ist, nämlich Entbürokratisierung der Strukturen und Entkorrumpisierung. Es findet stattdessen ein großer Rückschritt statt.
    Ich möchte noch eines betonen: Die Partei leidet unter einem ganz großen Widerspruch, nämlich einerseits ist der Kurs wirtschaftlich völlig liberal und politisch ist er völlig autoritär, und das kann nicht auf die Dauer gut gehen. Es gibt deswegen meines Erachtens nur zwei Lösungen, um aus diesem Missgeschick herauszukommen. Das eine wäre der Nationalismus, das wäre natürlich die schlechtere Lösung, nämlich dass 1,3 Milliarden Menschen sich plötzlich überlegen fühlen und dass sie beispielsweise gegen ihre eigenen Minderheiten und gegen die Nachbarstaaten mit nationalistischen Mitteln vorgehen. Das wäre das Schlimmste, was wir uns vorstellen können.

    Ich halte aber eine andere Lösung für besser und für wahrscheinlicher, nämlich dass China sich demokratisiert, und damit wären wir genau bei dem Stichwort, das Sie gerade gebracht haben. Diese Demokratisierung Chinas scheint mir sehr wahrscheinlich zu sein, und zwar über einen Dreisprung. Es muss zunächst mal ein Teil der Bevölkerung wohlhabend werden und dann bildet sich daraus ein Mittelstand, und da haben wir immerhin schon über 200 Millionen Menschen, die zu diesem Mittelstand gerechnet werden können, und der verlangt dann politische Partizipation. Das heißt, früher oder später wird es in der Volksrepublik zu ähnlichen Lösungen kommen wie in Taiwan seit 1987, nämlich zu einer Demokratisierung, und dann würde es meines Erachtens auch ein Mehr-Parteien-System geben, das Problem der Medienfreiheit würde langsam gelöst, auch die Menschenrechte würden etwas lockerer gesehen. Und übrigens, um in der aktuellen Entwicklung zu bleiben, Deutschland würde beispielsweise zu einem immer wichtigeren Punkt, auf den China sich mit seiner modernen Entwicklung konzentriert. Es hat gerade ein Weißbuch gegeben, in dem dieser Weg vorgezeichnet wurde, und der Besuch Wen Jiabaos jetzt gerade in Berlin hat gezeigt, dass man diesen Weg auch praktisch weiterbeschreiten will.

    Kapern: Das klingt ja alles ganz hoffnungsvoll, Herr Weggel. Aber wie groß ist denn der Anteil derjenigen innerhalb der KP, die bereit wären, diese Demokratisierung auch mal wieder mit Panzern zu stoppen wie 1989?

    Weggel: Na ja, da gibt es natürlich solche und solche. Jiang Zemin hat Ende der 90er-Jahre eine Konsequenz aus der neuen Mitgliedschaft ziehen müssen. Es gibt natürlich die alten Leute, die gerne mit Panzern auffahren würden, aber all die neuen Mitglieder, der Nachwuchs kommt aus dem Club der Millionäre, und deswegen wurde damals bereits, 1998, die Theorie der sogenannten drei Vertretungen verkündet. Das heißt, China wird nicht mehr nur von den Arbeitern und von den Bauern, sondern auch von der Unternehmerschaft repräsentiert. Und es wurde damals auch im gleichen Jahr der Schutz des Privateigentums und der Schutz des Privatunternehmertums ausgerufen. Und können Sie sich vorstellen, dass ein Privatunternehmer Interesse daran hat, seine Panzer gegen Studenten auffahren zu lassen, ähnlich wie es beispielsweise 1989 in der Mitte Pekings geschehen ist?

    Kapern: Professor Oskar Weggel war das, der China-Experte, heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Weggel, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Weggel: Auf Wiederhören, Herr Kapern!