05. März 2023
Die Presseschau

Mit Stimmen zum Krieg in der Ukraine und zur Entscheidung der früheren Fraktionsvorsitzenden der Linken, Wagenknecht, nicht mehr für ihre Partei zu kandidieren.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht hinter einem Rednerpult.
Ein Jahr nach seiner Rede zur "Zeitenwende" zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine - Bundeskanzler Scholz bei der Regierungserklärung. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG kommentiert die Rede von Bundeskanzler Scholz zum Jahrestag seiner Ankündigung einer Zeitenwende: "Garantien können nur wirksam sein, wenn Deutschland, die USA und andere Länder konkrete Beistandsverpflichtungen eingehen. Damit ihnen Putin ihre Entschlossenheit zum Schutz des Friedens auch glaubt, müssen sie Vorbereitungen treffen. Sie müssen Materiallager in der Ukraine anlegen, sie müssen Straßen und Bahnstrecken für schnellen Nachschub ausbauen. Vor allem müssen sie Soldaten bereithalten – wenn nicht in der Ukraine selbst, wie führende deutsche Fachleute das fordern, dann doch in verbündeten Ländern nebenan, in Rumänien oder Polen. Scholz hat jetzt den ersten Schritt getan. Er spricht von Sicherheitszusagen, und ohne geht es nicht. Aber wenn Putin ihn ernst nehmen soll, muss er gemeinsam mit starken Verbündeten jetzt sehr bald konkret werden", fordert die FAS.
Die österreichische PRESSE AM SONNTAG blickt besorgt auf die Haltung Chinas und warnt: "Die Welt taumelt auf eine gefährliche Zäsur zu. Sollte China seine bisherige Politik der (prorussischen) Neutralität im Ukraine-Krieg aufgeben und Moskau mit Waffenlieferungen unterstützen, kippt das geopolitische System. Die USA loten für diesen Fall bereits aus, ob europäische Verbündete bei Sanktionen gegen die Volksrepublik mitziehen. Auf Staaten wie Deutschland, deren Exporthandel vom Reich der Mitte abhängig ist, käme nach Pandemie und Energiepreisschock der nächste Schlag in die volkswirtschaftliche Magengrube zu. Ein neuer Kalter Krieg mit China wäre für alle Seiten ein sehr kostspieliges Unterfangen. Doch Handel – das ist eine der traurigen Lehren des russischen Überfalls auf die Ukraine – schützt nicht vor irrationaler Konfrontation", stellt DIE PRESSE AM SONNTAG aus Wien fest.
Die ehemalige Franktionsvorsitzende der Linken, Wagenknecht, will nicht mehr für ihre Partei kandidieren. "Es ist Zeit, dass Wagenknecht geht und ihre Unterstützer mitnimmt", schreibt die WELT AM SONNTAG und führt aus: "Zu tief sind die Gräben – persönlich wie politisch. Die Erde zu verbrannt, als dass darauf noch einmal etwas Neues gedeihen könnte. Für Wagenknecht und ihre Gegner könnte es jeweils ein Neuanfang sein. Mindestens ebenso wahrscheinlich – vielleicht sogar wahrscheinlicher – könnte es für beide Seiten das politische Ende bedeuten. Freilich, noch ist die umstrittene Politikerin Mitglied der Linken. Und doch erinnert ihr Vorgehen an das, was ihr Ehemann, der ehemalige Linke-Chef Oskar Lafontaine, vor eineinhalb Jahren tat: Auch der kündigte an, nicht mehr für die Linke im Saarland bei der damaligen Landtagswahl antreten zu wollen. Nur einige Monate später folgten der Austritt und der Bruch mit der Partei, die er einst selbst gegründet hatte. Im Gegensatz zu Lafontaine allerdings hat Wagenknecht noch nicht das Ende ihrer politischen Karriere verkündet. Und damit bleibt die wichtigste Frage offen: Was macht die Linke-Politikerin? Ihre bisherige Antwort: politischer Rückzug, Arbeit als Publizistin – 'oder es ergibt sich politisch etwas Neues'. Seit Monaten gibt es Gerüchte, Wagenknecht könne eine eigene Partei gründen. Entsprechendes verkündet hat sie nicht", notiert die WELT AM SONNTAG.
DER SPIEGEL kommentiert in seiner Online-Ausgabe das Gutachten zur Cannabis-Legalisierung, das von Bayerns Gesundheitsminister Holetschek in Auftrag gegeben und am Mittwoch vorgestellt wurde: "Es ist ganz im Sinne des Auftraggebers ausgefallen und lautet kurz gefasst: Eine Legalisierung sei weder mit EU- noch mit Völkerrecht vereinbar. Das Gutachten bleibt allerdings nicht viel mehr als eine medienwirksame Demonstration bayerischen Legalisierungstrotzes. Tatsächlich könnte die Legalisierung auf europäischer Ebene kompliziert werden – unmöglich ist das Vorhaben nach Ansicht anderer renommierter Experten aber nicht. Vielmehr wirkt die Präsentation des Gutachtens wie ein verzweifelter Versuch, die Pläne der Regierung mit juristischen Zweifeln im Keim zu ersticken, weil sich Sachargumente abgenutzt haben oder wissenschaftlich widerlegt worden sind. Besonders aus den Reihen der CSU wird teilweise so haarsträubend populistisch argumentiert, dass es einem die Lederhose auszieht", heißt es im SPIEGEL.
Die JERUSALEM POST aus Israel kritisiert die Justizreform der rechten Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu: "Es scheint, als hätten Netanjahu und seine Handlanger das Ausmaß des Widerstands nicht vorausgesehen. Es gäbe durchaus sinnvolle Reformen. Wie wäre es mit zusätzlichen Richtern und einem Berufungsgericht, um die absurd langen Verfahren zu verkürzen, die ein Affront für alle Israelis sind? Dieser Notwendigkeit werden alle zustimmen. Wenn Netanjahus Bande ihren Coup durchsetzt, wird bei der nächsten Wahl jeder Israeli wissen, dass eine Stimme für die Rechte eine Stimme für Autoritarismus, globale Isolation, sozialen Zerfall und wirtschaftliche Verarmung ist. Wenn die meisten Menschen trotzdem für sie stimmen, dann wird dies das Regierungssystem und die Realität sein, die sie verdienen. Der Staat wird zusammenbrechen, genau wie die beiden vorangegangenen Versuche einer jüdischen Souveränität im Land Israel gescheitert sind. Aber auch das Gegenteil ist möglich. Es besteht die Chance, dass die Rechte die Strafe erhält, die sie so sehr verdient. Dann kann Israel den langen Heilungsprozess beginnen, nicht nur als Demokratie, sondern auch an der palästinensischen und ultraorthodoxen Front", argumentiert die JERUSALEM POST.
Der britische SUNDAY TELEGRAPH bemängelt das Windsor-Abkommen zwischen der EU und Großbritannien, das den Streit um das Nordirland-Protokoll beilegen soll: "Es besteht ein Widerspruch zwischen den Behauptungen der EU-Kommission und der britischen Regierung. Die einzige Möglichkeit, diese Ungereimtheiten und Widersprüche aufzulösen, sind aussagekräftige und genaue Antworten auf wichtige Fragen, einschließlich des Drängens auf eine Ausstiegsklausel. Verschiedene Experten, Gruppen und Einzelpersonen, darunter die European Research Group und die Nordiren, haben eine Flut neuer Informationen vorgelegt, die immer mehr praktische Fragen und Bedenken zu den entscheidenden Fragen der demokratischen Zustimmung und der Art des Abkommens aufwerfen. Diese Analyse ist im nationalen Interesse und im Interesse der Menschen in Nordirland. Und sie ist von entscheidender Bedeutung für das Karfreitagsabkommen und die Stabilität im Land", unterstreicht THE SUNDAY TELEGRAPH aus London.
In der Türkei ist das Oppositionsbündnis zehn Wochen vor der Präsidentschaftswahl zerbrochen. Die KLEINE ZEITUNG aus Österreich kommentiert: "'Sie können eigentlich nichts mehr falsch machen', bescheinigten Politologen noch vor wenigen Tagen dem Oppositionsbündnis in der Türkei. Mitte Mai wird gewählt. Vier Wochen nach dem verheerenden Erdbeben, bei dem rund 50.000 Menschen ums Leben kamen, waren Präsident Erdogan und seine AKP nicht nur angezählt. Angesichts des katastrophalen Krisenmanagements der Regierung, angesichts der staatlich sanktionierten Korruption im Bauwesen, die ans Licht kam, hatte der scheinbar Unbesiegbare den Glanz verloren. Nach den Schockwellen des Erdbebens wartete ein politisches Beben bei den Wahlen. Wenn nicht noch ein Wunder eintritt, wird es ausbleiben. Das Oppositionsbündnis beging den einzigen Fehler, der ihm nicht unterlaufen durfte: Es zerbrach, nachdem man sich nicht auf einen Kandidaten einigen konnte. Ein Riesengeschenk an Erdogan, der das Land zunehmend autoritär regiert. Jetzt ist es er, der angesichts der Schwäche des Gegners falsch machen kann, so viel er will", befürchtet die KLEINE ZEITUNG.