22. September 2024
Die Presseschau

In den Kommentaren der deutschen und internationalen Zeitungen geht es unter anderem um die Lage in Nahost und um die Landtagswahl in Brandenburg am heutigen Sonntag.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke bei der Stimmabgabe in Forst
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke bei der Stimmabgabe (AFP / RALF HIRSCHBERGER)
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU merkt dazu an: "Es ist erst drei Wochen her, dass die Menschen in Sachsen und Thüringen ihre Landtage neu gewählt haben. Es waren drei Wochen, die die politische Landschaft der Bundesrepublik in einem Maß verändert haben, wie dies selten innerhalb so kurzer Zeit geschehen ist. Und nicht zum Guten. Wer hätte Anfang September gedacht, dass die Union und die Ampelparteien in einen Überbietungswettbewerb um die härteste Migrationspolitik einsteigen würden – mit radikalen Sozialkürzungen und mit Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen? Es muss bezweifelt werden, dass das der Profilierung der demokratischen Parteien dient. Eher könnte eine solche Politik Wasser auf die Mühlen der antidemokratischen AfD sein. Denn die Wählerschaft kann es als Beleg ansehen, dass die Erfolge der AfD Druck auf die anderen Parteien ausüben", findet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG macht sich Gedanken über die Rolle des noch neuen "Bündnisses Sahra Wagenknecht" bei der Landtagswahl: "Das Thema, um das es dem BSW und seiner Gründerin vor allem geht, ist 'Frieden'. Wagenknecht sagt immer wieder, dass das BSW gegründet wurde, weil sich sonst niemand für ihn einsetze. Unter 'Frieden' versteht die neue Partei ein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine, keinen Rückzug des russischen Angreifers, dessen 'preiswerte Rohstoffe' Wagenknecht bei ihren Wahlkampfauftritten in Ostdeutschland schon wieder verspricht. Das kommt dort bei vielen Wählern an, genau wie ihre Versicherung, sie werde einen dritten Weltkrieg verhindern. Landesthemen haben auch BSW-Sympathisanten bei Kundgebungen eher erduldet, Jubel gab es vor allem für die Ablehnung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen, die in Deutschland stationiert werden sollen. Koalitionspartner des BSW müssen also wissen, wie ernst es der Partei mit ihrer Rhetorik ist", so der Einwand der F.A.S.
Die LÜBECKER NACHRICHTEN gehen davon aus, dass die Wahl in Brandenburg Auswirkungen auf die Bundesregierung und besonders auf die Machtposition von Bundeskanzler Scholz haben könnte: "Vielleicht ist es dem Kanzler ganz recht, sich die Wahlergebnisse erst einmal aus sicherer Entfernung anzuschauen. Denn Scholz kann bei dieser Wahl eigentlich nichts gewinnen. Sollte der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke sein Ziel erreichen, und die SPD doch noch zur stärksten Partei vor der zurzeit in den Umfragen führenden AfD machen, dann wird es heißen: Er hat das nur geschafft, weil er konsequent auf die Wahlkampfhilfe des Kanzlers verzichtet und sich in der Migrationsdebatte sogar gegen die SPD-geführte Bundes-Ampel positioniert hat. Sollte Woidke nur auf Platz zwei landen und dann wie angekündigt die Regierungsbildung jemand anderem aus der SPD überlassen, wird man wieder einmal Scholz und seine zerstrittene Regierung dafür verantwortlich machen", glauben die LÜBECKER NACHRICHTEN.
Die WELT AM SONNTAG wiederum spekuliert, dass die FDP unter Finanzminister Lindner ohnehin auf ein Scheitern der Ampel-Koalition hinarbeite: "In dieser Woche stoppte sein Finanzministerium einen Entwurf für das Bundestariftreuegesetz, das Arbeitsminister Hubertus Heil vorgelegt hatte. Es ist nicht nur im Koalitionsvertrag vereinbart, sondern gehört auch zu den SPD-Ideen, die einer Mehrheit der Bevölkerung plausibel erscheinen: Wer Aufträge der öffentlichen Hand will, also von unser aller Steuergeld bezahlt, der soll anständige Löhne zahlen. Das Tariftreuegesetz infrage zu stellen, heißt für die SPD, die Ampel infrage zu stellen. Den Zorn hatte Lindner absichtlich getriggert, mit einer besonderen Provokation: Die Tariftreue ist über einen Referentenentwurf noch gar nicht hinausgekommen. Eine Blockade in einem so frühen Zustand hat eine unmissverständliche Botschaft: Wir werden euch das versalzen, egal, was ihr tut. Im politischen Berlin kursiert ein Verdacht, der mit Lindners 'Herbst der Entscheidungen' zu tun hat: Der FDP-Chef wolle die Ampel nicht selbst aufkündigen, sondern die SPD mit tausend Nadelstichen triezen, bis sie die Geduld verliert und der Kanzler die FDP rauswirft", vermutet die WELT AM SONNTAG.
Themenwechsel. Zu einer möglichen Ausweitung des Kriegs im Nahen Osten schreibt die Zeitung ARAB NEWS: "Nach zwei Tagen voller Explosionen, die durch Sprengsätze verursacht wurden, intensivierten die israelischen Streitkräfte ihre Bombenangriffe auf den Südlibanon. Nun wird auch spekuliert, dass die Angriffe auf die Hisbollah den Weg für eine Bodeninvasion ebnen könnten. Israel könnte die Chance zu einem entscheidenden Knockout sehen. Doch tatsächlich wäre eine Invasion ein schwerwiegender strategischer Fehler. Die Hisbollah würde, wie ein in die Enge getriebenes Tier, auf alles einschlagen, das es als Bedrohung wahrnimmt. Außerdem würde ein israelischer Einmarsch der Organisation eine neue Legitimität verleihen. Es würde ihr helfen, neue Rekruten anzulocken und das libanesische Volk erneut dazu zu drängen, sich hinter sie zu stellen. Es wäre ein versteckter Segen für die Hisbollah", geben die ARAB NEWS zu bedenken.
Die NZZ AM SONNTAG zieht Bilanz aus den Angriffen auf den Libanon: "Die Pager- und Walkie-Talkie-Attacken auf die schiitische Hisbollah-Miliz waren für Israel ein Erfolg. Die Israelis zeigten, wozu sie fähig sind, militärisch, nachrichtendienstlich, technologisch - nachdem sie am 7. Oktober vor einem Jahr so kolossal versagt hatten. Doch was hat die Machtdemonstration politisch gebracht? Israel steht noch immer in einem Krieg mit der Hamas. Die Hisbollah will die palästinensische Terrororganisation weiterhin unterstützen. Nach wie vor gibt es keinen Plan, wie es nach dem Krieg in Gaza weitergehen soll. Daran haben die jüngsten Anschläge nichts geändert, sie scheinen vielmehr die Gefahr einer regionalen Eskalation vergrößert zu haben. Bald jährt sich der 7. Oktober. Und es deutet im Moment einiges darauf hin, als sei der Krieg in Gaza nur der Anfang gewesen", fürchtet die NZZ AM SONNTAG aus der Schweiz.
Die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN setzt sich ebenfalls mit den israelischen Motiven hinter den Angriffen der vergangenen Tage auf den Libanon auseinander: "Israels Premierminister Netanjahu, der trotz heftiger Angriffe auf den Gazastreifen sein Ziel, die Hamas zu zerschlagen, nicht erreicht, und dessen Umfragewerte sich im Tiefflug befinden, will offenbar mit den neuen Angriffen auf die Hisbollah die Kriegsfront absichtlich erweitern, um Kritik an sich zu zerstreuen. Ihm sollte Einhalt geboten werden. Es darf nicht zugelassen werden, dass er für sein politisches Überleben jetzt auch noch die Zivilbevölkerung im Libanon ins Unglück stürzt. Der UNO-Sicherheitsrat sollte entschlossen reagieren, um das wahllose Morden durch Israel zu stoppen. Dabei trägt der größte Verbündete von Israel, die USA, eine besonders große Verantwortung", meint YOMIURI SHIMBUN aus Tokio.
"Das Scheitern der USA in Gaza hat die Region an den Rand des Abgrunds gebracht", ist der britische OBSERVER überzeugt. "Gaza ist Präsident Bidens größter Misserfolg, sogar größer als die Ukraine. Doch anstatt den Schaden schnellstmöglich zu beheben, deuten Beamte in Washington darauf hin, dass ein Waffenstillstand vor dem Amtsantritt seines Nachfolgers im Januar unwahrscheinlich ist. Das Weiße Haus ist nicht in der Lage, den Krieg zu stoppen und scheint lediglich darauf bedacht zu sein, eine weitere Ausbreitung vor den Präsidentschaftswahlen im November zu verhindern, aus Angst, dies könnte die Chancen der Demokraten beeinträchtigen. Man kann nicht wirklich von einer ausgewogenen diplomatischen Strategie sprechen. Es ist eher ein Ausrutscher, ein grünes Licht für Hardliner und Extremisten auf allen Seiten, ihre rücksichtslosen Pläne umzusetzen. Aus diesem Grund steht der Nahe Osten mehr denn je am Abgrund."