10. November 2024
Die Presseschau

Im Mittelpunkt der Kommentare stehen heute die Präsidentschaftswahl in den USA und das Auseinanderbrechen der Ampelkoalition in Deutschland.

Ein Mensch recht Laub vor dem Kanzleramt. Am Mittwochabend entließ der Bundeskanzler den Finanzminister und kündige Neuwahlen für das kommende Frühjahr an.
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition - Berlin (picture alliance / dpa / Hannes P Albert)
Der Kommentator des TAGESSPIEGEL aus Berlin bedauert die mangelnde Kompromissfähigkeit: "Nun ist das erste Dreierbündnis auf Bundesebene gescheitert. Schlimm genug, weil es zu aktueller politischer Handlungsunfähigkeit führt. Das aber ist nur der kurzfristige Effekt. Es verstärkt eben auch das Gefühl der anhaltenden Kompromisslosigkeit in der Gesellschaft und setzt ein schwieriges Vorzeichen vor künftige Koalitionen. Auch die werden aufgrund der politischen Komplexität und einer immer diverser werdenden Parteienlandschaft mutmaßlich geprägt sein von Dreierbündnissen. Bestehend aus Partnern, die keine natürlichen Verbindungen haben. Echte Macht wird also künftig in der Fähigkeit zum Kompromiss liegen müssen. Der erste Versuch ist gescheitert. Man kann nur hoffen, dass alle daraus gelernt haben. Denn eines hilft in solchen Konstellationen nicht: ideologische Engstirnigkeit, das Beharren auf Maximalforderungen, der ausschließliche Blick auf die eigene Kernklientel", ist im TAGESSPIEGEL zu lesen.
Die WELT AM SONNTAG warnt vor zu hohen Erwartungen an Neuwahlen: "Ob SPD, Grüne, FDP, Union oder die Mehrheit im Lande: Alle wirken erleichtert, dass der kaum mehr unterhaltsame Dauerstreit nun ein Ende gefunden hat. Aber schon taucht eine neue Schimäre am Horizont auf: das erlösende Zauberwort 'Neuwahlen'. So als könne man damit die quälende Vergangenheit abschütteln und gutes Neuland betreten. Doch das ist ein geradezu kindlicher Glaube. Sicher wäre es besser, Olaf Scholz stellte so schnell wie möglich die Vertrauensfrage. Denn folgte man dem scheinschlauen Zeitplan des Bundeskanzlers, hätte Deutschland frühestens Ende April 2025, also in einem knappen halben Jahr, wieder eine stabile Regierung. Doch selbst wenn schon im Januar gewählt würde, sollte man sich davon keine Wunder versprechen. Aller Wahrscheinlichkeit nach käme ziemlich genau das heraus, was alle Umfragen seit Wochen sagen: die Ampelparteien zusammen nicht einmal so stark wie die Union. Und mit AfD und BSW zwei national-soziale Parteien, die auf je spezifische Weise versuchen, den liberalen und transatlantischen Grundkonsens dieser Republik zu untergraben und letztlich zu zerstören. Die Regierungsbildung wird unter diesen Bedingungen schwierig werden", warnt die WELT AM SONNTAG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG warnt davor, die Schuldenbremse zu lockern: "Deutschland braucht Reformen, die das Land in Schwung bringen. Ein guter Bürokratieabbau und flexiblere Arbeitsgesetze kosten nicht viel, können aber viel Dynamik auslösen. Dann wäre bald wieder mehr Geld in der Staatskasse - und zwar dann, wenn man es auch verbrauchen kann. Man darf es dann nur nicht wieder in neue Subventionen stecken. Wer die Schuldenbremse schleifen will, beruft sich gerne auf einen angeblichen Konsens der Ökonomen. Nun sind erstens längst nicht alle Ökonomen davon überzeugt, dass die Regel geändert werden muss. Und zweitens sind die Reformvorschläge oft kleiner, als sie klingen. Folgte man zum Beispiel den Wirtschaftsweisen, hätte Deutschland in diesem Jahr sieben Milliarden Euro mehr Schulden aufnehmen können. Das hätte für Olaf Scholz' Ideen nicht gereicht. Auch der Internationale Währungsfonds hat zwar einmal eine Reform der Schuldenbremse empfohlen, findet aber in seinem jüngsten Bericht Deutschlands aktuelles Schuldenniveau sehr angemessen", hebt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG hervor.
Nun in die USA, wo der Republikaner Trump erneut zum Präsidenten gewählt wurde. Die Schweizer Zeitung NZZ am Sonntag gibt einen Erklärungsversuch für das Wahlverhalten: "Wie nur können Trumps Wähler ernsthaft glauben, dass er ihre Probleme löst, ihren Alltag überhaupt kennt? Trumps charakterliche Schwächen werden entschuldigt. Seine Unmoral, die Anstandslosigkeit, die Tabubrüche werden grimmig gefeiert, als Ausweis von Mut und Authentizität gelobt. Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn werden auf den Kopf gestellt und zum Beweis einer Verschwörung des politischen Gegners, finsterer Kräfte umgedeutet. So viel Mühe und Selbstbetrug zeigen: Eigentlich geht es gar nicht um den starken Mann, es geht um die Menge, die ihn will und all ihre Sehnsüchte nach einer harten Hand auf ihn projiziert. Ohne sie ist er nichts. Es geht um Masse und Macht. Trump macht diese komplizierte Welt einfacher, indem er Feinde erfindet und Schutz gegen sie verspricht. Nicht anders als Putin in Moskau und Xi in Peking. Wut und Furcht sind die zwei Trommeln, auf die er einschlägt. Wut auf erfundene Eliten, die dem Volk schaden wollen, und Furcht vor seinen Gegnern, die im Verborgenen arbeiten, Familien zerstören, Städte unsicher machen. Von dort ist es nur ein kleiner Schritt dahin, dass aus dem starken Mann ein Messias wird, der seine Gläubigen findet", unterstreicht die NZZ am Sonntag aus Zürich.
Der Gastkommentator der NEW YORK TIMES überlegt, wie der Trumpismus in den USA beendet werden kann: "Die Demokratische Partei müsste sehr entschlossen vorgehen, damit sie sich wieder einer mehrheitsfähigen Vision von früher verschreibt: einer Gesellschaft mit Wohlstand für viele Menschen. Das bedeutet eine Gesundheitsversorgung und einen höheren Mindestlohn für alle Menschen sowie eine solide Finanzregulierung und die Durchsetzung des Kartellrechts. Es bedeutet auch Gewerkschaften, einen Sozialstaat sowie höhere Steuern für Milliardäre, und vor allem Liberalismus als soziale Bewegung, als ein Zusammenkommen gewöhnlicher Menschen. Dabei sollte es keine Reformen geben, die Experten von oben nach unten durchsetzen. Das alles scheint heute undenkbar zu sein. Aber was ist denn die Alternative? Den Wählern die Schuld geben? Die Welt zu beschimpfen, weil sie nicht erkennt, wie edel wir sind? Nein. Das Gegenteil ist notwendig: Solidarität - um die Welt wieder auf den Kopf zu stellen", ist in der NEW YORK TIMES zu lesen.
Die spanische Zeitung EL PAIS befasst sich mit dem Wahlkampf der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Harris: "Ihre Kampagne war kein Fehler, und die Demokratische Partei ist auch nicht unsensibler für die Arbeiterklasse geworden. Allerdings haben viele nicht erkannt, dass wir uns mehr von Wahrnehmungen als von Fakten leiten lassen. Harris hat einen konventionellen, altmodischen, korrekten Wahlkampf geführt. Aber während sie von Haus zu Haus ging, kaufte Elon Musk, der reichste Rassist der Welt, mit einer täglichen Millionenlotterie Stimmen, um die Menschen zu ermutigen, sich für die Republikaner registrieren zu lassen. Einige Medien haben, getrieben von ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen, beide Kandidaten so dargestellt, als wären sie gleichwertig. Selbst die "Washington Post" hat diesen Kampf auf skandalöse Weise verloren", betont die Zeitung EL PAIS, die darauf anspielt, dass die"Washington Post" erstmals seit Jahrzehnten keine Wahlempfehlung ausgesprochen hat und seitdem viele Redakteure und Abonennten verloren hat.
Die österreichische Zeitung KLEINE ZEITUNG KÄRNTEN geht der Frage nach, welche Rolle Elon Musk künftig in der US-Politik spielen wird: Musk ist längst zu Trumps obersten Propagandisten geworden. Von Demokratie hat er eigene Vorstellungen, die sich aber mit jenen des 47. Präsidenten decken: Kompromisse? Respekt für Andersdenkende? Musk telefoniert laut 'Wall Street Journal' seit 2022 lieber regelmäßig mit dem russischen Kriegsherren Putin. So oder so: Ein Regierungsamt scheint dem 53-Jährigen sicher zu sein - 'Effizienz-Zar' zur Entrümpelung der Bürokratie solle er werden, ließ Trump mehrfach wissen. Trump weiß nur zu gut, dass sich Musk in seinem Kabinett perfekt verkaufen lässt: Dieser steht für Erfolg und Innovation. Der Knackpunkt könnte trotzdem einmal kommen, und zwar auf persönlicher Ebene: Es sind zwei Ich-AGs im Wechselspiel, deren dauerhafte Eintracht abzuwarten bleibt", notiert die KLEINE ZEITUNG KÄRNTEN aus Klagenfurt, mit der die Sonntagspresseschau endet.