15. Juni 2025
Die Presseschau

Im Mittelpunkt der Kommentare am Sonntag steht die Eskalation im Nahen Osten. Der Iran und Israel haben ihre gegenseitigen Luftangriffe auch in dieser Nacht fortgesetzt.

Es ist Nacht. Man sieht Gebäude und die Lichter Tel Avivs aus der Ferne. Dichter grauer Rauch steigt über Häusern auf.
Iranischer Raketenangriff auf Tel Aviv (Foto vom 13.6.) (Leo Correa / AP / dpa)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG schreibt dazu: "Manche, die über Israels Kriegsführung im Gazastreifen den Kopf schütteln, könnten die massiven Angriffe auf iranische Nuklearanlagen und Militäreliten als weiteren Beleg für konfrontatives und zielloses Vorgehen der Regierung Netanjahu werten. Doch der Versuch Israels, die fortschreitende Urananreicherung Irans mit Bomben zu zerstören, hat einen rationalen Kern. Netanjahus Erklärung, auf eine 'klare und akute Gefahr für das Überleben Israels' reagiert zu haben, lässt sich nicht von der Hand weisen. Das iranische Regime könnte schon in kurzer Zeit über nukleare Massenvernichtungswaffen verfügen, was die Regierung in Jerusalem verständlicherweise alarmiert. Zu real erscheint ihr die Gefahr, dass die fanatischen Ideologen der Islamischen Republik ihre wiederholt vorgetragene Drohung wahr machen könnten, sobald sie dazu in der Lage sind: die Auslöschung Israels. Dass Netanjahu den Ratschlag aus den USA, von einem Angriff abzusehen, in den Wind schlug, deutet auf das Ausmaß des Misstrauens hin, das in der israelischen Regierung um sich gegriffen hat. Sie sieht sich zunehmend allein im Kampf gegen die Feinde Israels", notiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
In der Zeitung WELT AM SONNTAG ist zu lesen: "Wenn eine Gesellschaft nicht mehr zwischen Gut und Böse, zwischen Opfer und Täter unterscheiden kann oder will, gibt sie sich auf. Dass der Iran die aggressivste und gefährlichste totalitäre Kraft unserer Zeit ist, die mit russischer und chinesischer Unterstützung die freie Gesellschaft, Demokratie und Menschenrechte schwächen und zerstören will, kann keiner, der seine Sinne beisammen hat, bestreiten. Im Iran werden Frauen systematisch unterdrückt und misshandelt. Homosexuelle ermordet. Andersdenkende ins Gefängnis gesteckt und gefoltert. Kaltblütig wird in Teheran auch der zynische Missbrauch der Zivilbevölkerung in Gaza als menschliche Schutzschilde konzipiert und finanziert. Das erste Ziel der Mullahs in Teheran ist – laut offizieller Staatsdoktrin – die Auslöschung des Staates Israel. Ajatollah Chamenei hat Israel als 'Krebsgeschwür' bezeichnet. Und auf Uhren in Teherans Straßen werden Countdowns bis zur 'Zerstörung Israels' zelebriert. Israel aber ist nur das erste Ziel. Sobald Israel fällt, stehen Europa und Amerika im Fokus. Der sunnitische und schiitische Islamismus bereitet das seit Jahrzehnten vor. Die Fatwa gegen Salman Rushdie, 9/11, die Anschläge von Paris, das Kalifat des IS – jedes Ereignis für sich war ein Menetekel. Nur wer die Zeichen nicht sehen wollte, ist heute überrascht. Die Angriffe gelten unseren Werten, unserem Lebensstil", bemerkt die WELT AM SONNTAG.
In der BILD AM SONNTAG ist zu lesen: "Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Sobald Israel einen Terroristen ausschaltet, ruft die internationale Gemeinschaft nach 'Deeskalation' und warnt vor einem 'Flächenbrand'. So ist es auch diesmal, bei Israels Schlag gegen das iranische Regime. Auf den ersten Blick klingen die Forderungen wie vernünftige Friedensbekundungen. Die europäischen Regierungen meinen es meist nicht böse, wenn sie – manchmal fast rührend hilflos – verlangen, dass endlich das Schießen aufhört. Das Problem ist: Wer beide Seiten gleichermaßen ermahnt, setzt den perfiden Aggressor und das sich wehrende Opfer gleich. Im Nahen Osten helfen solche Mahnungen nur den Terroristen. Das islamistische Iran-Regime unterdrückt nicht nur sein Volk, sondern sät im gesamten Nahen Osten ausschließlich Terror und Krieg", unterstreicht die BILD AM SONNTAG.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE AM SONNTAG notiert: "Ihren Angriff auf den Iran rechtfertigte Israels Regierung als 'Präventivschlag', als letzte Möglichkeit, den Mullahs die Atombombe aus der Hand zu schlagen. Darüber wird man noch lange streiten. Denn in ihren Atomverhandlungen mit den USA hatten sich die Iraner zwar zuletzt geweigert, der Uran-Anreicherung vollständig abzuschwören, doch für Sonntag wäre noch ein Treffen zwischen dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und dem iranischen Außenminister, Abbas Araghchi, geplant gewesen. Das diplomatische Fenster war noch nicht ganz zu, nach Israels Militärschlägen ist es verriegelt. Durch Bombardements wird sich die stolze Islamische Republik nicht zum Einlenken bewegen lassen. Außerdem hat Israel diesmal nicht nur militärische Einrichtungen und Nuklearanlagen beschossen, sondern in einem Enthauptungsschlag auch die iranische Militärspitze und führende Atomwissenschaftler getötet. Auf diese 'Kriegserklärung' musste Irans diktatorische Führung reagieren, wenn sie nicht ihr Gesicht verlieren wollte. Israels Premier Netanjahu geht wie ein Hasardeur aufs Ganze. Mit militärischen Mitteln allein wird Israel nicht in der Lage sein, den Nahen Osten umzugestalten. Dafür wäre auch eine politische Strategie nötig. Doch davon ist im Moment nichts zu sehen: weder in Gaza noch im Krieg gegen den Iran", stellt DIE PRESSE AM SONNTAG fest.
Die türkische Zeitung KARAR aus Istanbul ist folgender Meinung: "Israels Hauptziel ist offensichtlich, den Boden für einen Regimewechsel im Iran zu bereiten. Um diesen herbeizuführen, muss Premier Netanjahu den Krieg verlängern und den Iran noch stärker demütigen. Er will beweisen, dass der iranische Staat nicht einmal in der Lage ist, sein Volk zu schützen. Russland, die Türkei und die Golfstaaten haben sich in der aktuellen Lage zwar auf die Seite des Iran gestellt, aber keiner von ihnen hat den Wunsch, sich an diesem Krieg zu beteiligen."
Die schwedische Zeitung GÖTEBORGS-POSTEN führt aus: "Eine Vielzahl der Muslime im Nahen Osten sieht in Israel keinen legitimen Staat, sondern eine Art Kolonialprojekt. Die meisten arabischen Staaten haben allerdings inzwischen akzeptiert, dass Israel knapp 80 Jahre nach seiner Gründung ein Faktum ist. Es lässt sich noch nicht sagen, wohin der Angriff Israels auf den Iran führt. Aber weite Teile der iranischen Bevölkerung lehnen ihr Regime ab. Auch deshalb haben israelische Geheimdienste den Staatsapparat so erfolgreich unterlaufen können. Von einem möglichen Regimewechsel sollte man sich aber nicht allzu viel erhoffen. Außerdem hat der Westen jahrzehntelang zur Destabilisierung der Region beigetragen: durch willkürliche Grenzziehungen, durch die wechselnde Unterstützung unterschiedlicher Seiten sowie durch militärische Interventionen," erinnert GÖTEBORGS-POSTEN.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG weitet den Blick: "Morgen ist es genau zehn Jahre her, dass sich Donald Trump in seinem Trump Tower auf einer goldenen Rolltreppe in das mit Marmor und Mahagoni ausstaffierte Atrium herabgelassen hatte, um seine Kandidatur für die US-Präsidentschaft anzukündigen. Trump, der Immobilienmogul und Entertainer aus New York, der zwar keine Ahnung von Politik hatte, aber einen untrüglichen Instinkt dafür, was ankommt beim amerikanischen Publikum. Wie kein anderer nahm der Milliardär die negative Stimmung im Land auf: den Frust vieler Familien über den sinkenden Lebensstandard, den Unmut der Amerikaner, dass US-Soldaten noch immer in fremden und nie endenden Kriegen kämpfen, und die Furcht, China werde die USA bald als Supermacht ablösen und die Epoche amerikanischer Exzellenz beenden. Trump sah die Schwäche der USA, und er versprach, Amerika wieder groß zu machen. Und nun - zehn Jahre später? Der Ukraine-Krieg ist in vollem Gange, Russlands Präsident Putin nimmt Trump nicht ernst, Gaza ist noch immer die Hölle, und Israel ist nun drauf und dran, die Amerikaner in einen großen, enorm gefährlichen Krieg mit dem Iran zu verwickeln. Wie war das noch mit Trumps Versprechen, nicht mehr in endlose Kriege in Nahost zu geraten? Trump merkt jetzt wohl erst, dass er nicht starker Mann und Friedensstifter gleichzeitig sein kann." Das war zum Ende der Presseschau die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG.