31. August 2025
Die Presseschau

Unter anderem mit Kommentaren zu den Visa-Sanktionen der USA gegen palästinensische Vertreter, zur Debatte über die Sozialausgaben und zum Vorschlag des Linken-Politikers Ramelow, eine neue Nationalhymne zu erwägen.

Palästinenserpräsident Abbas - ein Mann mit weißen Haaren und Brille - spricht gestikulierend vor der UNO-Vollversammlung in New York.
Die USA haben unter anderem das Einreisevisum von Palästinenserpräsident Abbas entzogen - ein Thema der Kommentare. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Frank Franklin II)
Die USA haben kurz vor der UNO-Generalversammlung in New York mehreren palästinensischen Vertretern das Visum entzogen. Die Zeitung AL AYYAM aus Ramallah kritisiert: "Die Entscheidung ist ein weiterer Beweis für die blinde Solidarität der USA mit Israel, unabhängig von dessen massiver Gewaltanwendung. Washington erweist sich als zunehmend feindselig gegenüber den Rechten der Palästinenser. So zeigt dieser Fall, wie problematisch es ist, wenn die politische Führung eines Staates die internationale Ordnung aus dem Gleichgewicht bringt und gegen alle diplomatischen Gepflogenheiten verstößt. Doch weder die Palästinenser noch der Rest der Welt müssen die Voreingenommenheit der USA hinnehmen. Denn es ist klar, dass es eine Lösung des Konflikts nicht ohne die Palästinenser geben kann. Das wird irgendwann auch Präsident Trump erkennen", lautet eine Prognose der palästinensischen Zeitung AL AYYAM.
Die türkische Zeitung MILLIYET notiert: "Die Annullierung der Visa verstößt nicht nur gegen die guten Sitten, sondern auch gegen ein UNO-Rahmenabkommen von 1947, das der Palästinensischen Autonomiebehörde Zugang zum Hauptsitz in New York garantiert. Das US-Außenministerium begründete die Entscheidung damit, dass die Autonomiebehörde ihren Verpflichtungen nicht nachkomme und die Aussichten auf Frieden untergrabe. Offenbar haben die USA erwartet, dass Palästinenserpräsident Abbas das israelische Massaker in Gaza stützt. Das klingt wie ein Scherz, ist aber leider wahr", ist in MILLIYET aus Istanbul zu lesen.
Die israelische Zeitung HAARETZ blickt zurück: "Die USA haben in der Vergangenheit bereits versucht, die Stimme der Palästinenser zu unterdrücken. 1988 wurde dem damaligen Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat die Einreise verwehrt. Daraufhin wurde die jährliche UNO-Generalversammlung nach Genf verlegt, was für die USA blamabel war. Die Vereinten Nationen sollten die Amerikaner daran erinnern, dass sie nicht die Eigentümer des UNO-Hauptsitzes in New York sind, sondern nur das gastgebende Land. Wenn Washington sich weiter in den Weg stellt, müssen die Mitgliedsstaaten den Ort der Generalversammlung überdenken. Israel wird nur geholfen, indem man auf Verhandlungen und einen historischen Kompromiss drängt", mahnt ein Autor von HAARETZ aus Tel Aviv.
Bundeskanzler Merz hat Sozialreformen gefordert und davor gewarnt, dass Deutschland über seinen Verhältnissen lebe. Die BILD AM SONNTAG schreibt dazu: "Merz hat mehr als recht mit seiner Diagnose zum Zustand des Landes. In dieser Situation ist es aber verantwortungslos, dass Schwarz-Rot mit ihrem Rentenpaket den kostendämpfenden Demographie-Faktor ausschalten und die Ausgaben für die Mütter-Rente ausweiten will - mit Mehrkosten von 200 Milliarden Euro bis 2040. Es führt doch im Gegenteil kein Weg an Einschnitten vorbei, wenn soziale Sicherheit wieder bezahlbar werden soll in Deutschland. Sollte der 'Herbst der Reformen' an den Beharrungskräften in Union und vor allem in der SPD scheitern, wird es frostig für Schwarz-Rot, frostig für Deutschland", mahnt ein Autor der BILD AM SONNTAG.
Die WIRTSCHAFTSWOCHE blickt auf das Bürgergeld und fragt: "Werden, wenn die Konjunktur anzieht, die Menschen aus dem Bürgergeld in den Arbeitsmarkt gelangen? Und ist der Druck groß genug, Arbeit aufzunehmen? Mit dem bestehenden System wohl kaum. Denn die Reform von 2023 – dem größten sozialpolitischen Fehler neben der Rente mit 63 – hob Sanktionen nahezu auf. Man entwickelte eine romantische Vorstellung von vertrauensvoller Förderung und Ermutigung, eine Art staatlich bezahltes lebenslanges Lernen ohne Onkel Hartz.Immerhin, die Beschäftigungsquote jener Gruppe, über die besonders heiß gestritten wird, steigt – etwa die Zahl der Ukrainer –, auch wenn das Niveau niedrig bleibt. Zudem hatten viele Rückblicke zu zehn Jahren Flüchtlingskrise gezeigt, dass die Bilanz, zumindest in Bezug auf den Arbeitsmarkt, besser ist als vermutet", wird in der WIRTSCHAFTSWOCHE argumentiert.
Nach dem deutsch-französischen Ministertreffen in dieser Woche geht LE MONDE aus Paris auf die politische Lage beider Länder ein: "In Deutschland kommt die extreme Rechte auf fast 25 Prozent, ein beispielloses Niveau seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. In Frankreich ist Macrons politische Grundlage noch prekärer. Auch wenn der Präsident durch die französische Verfassung mehr Handlungsspielraum hat als ein deutscher Bundeskanzler, droht der Sturz der Regierung von Premierminister Bayrou durch das Misstrauensvotum am 8. September - was die schlechte Wirtschafts- und Haushaltslage noch einmal verschärfen würde. Bei dem Treffen in Toulon versuchte Macron zu beruhigen. Er erklärte, dass sich Frankreich zu der mit Deutschland unterzeichneten 'Roadmap' langfristig verpflichtet habe. Auch Merz zeigte sich zuversichtlich. Aber damit der deutsch-französische Motor wieder läuft, braucht es Stabilität - und das ist eine Voraussetzung, die Frankreich derzeit nur schwer gewährleisten kann". Das war eine Meinung der französischen Zeitung LE MONDE.
Der Linken-Politiker und Bundestagsvizepräsident Ramelow hat eine Volksabstimmung über eine neue Nationalhymne und eine neue Nationalflagge vorgeschlagen und dies mit mangelndem Zugehörigkeitsgefühl der Ostdeutschen begründet. Die WELT AM SONNTAG sieht darin eine "Scheindebatte": "So wird kein einziges reales Problem gelöst. Die AfD ist dort besonders stark, wo der Staat seine Aufgaben nicht erfüllt. Städte verwahrlosen, die Kriminalität steigt, die Integration von Migranten funktioniert nicht. Fast die Hälfte der Bürgergeldempfänger sind Ausländer, Millionen Bürgergeldempfänger sind erwerbsfähig. Eine überbürokratische, ineffiziente und dabei selbstherrliche Verwaltung gängelt die Bürger, bringt sie aber nicht in Arbeit. Die Krise 'unserer Parteiendemokratie', wie Ramelow es possessiv formuliert, ist wohlverdient", moniert eine Autorin der WELT AM SONNTAG.
DER TAGESSPIEGEL ist anderer Ansicht: "Natürlich kann man die Vorschläge von Bodo Ramelow schnell abtun. Als Anbiederung an den Osten. Als Symbolpolitik. Und ja, Nationalhymne und Flagge sind ja Symbole – für ein geeintes Land. Doch Ramelow trifft einen Punkt. West- und Ostdeutschland haben viele Fortschritte im Einheitsprozess gemacht. Und doch gibt es nach wie vor Trennendes. Vor allem viele Ostdeutsche fühlen sich öfter unverstanden, ungehört. Und Gefühle spielen in der Identität und damit im gesellschaftlichen Zusammenleben nun mal eine wichtige Rolle. Man kann sie nicht ignorieren oder mit einer westdeutschen Perspektive einfach wegmoderieren. Symbolpolitik ersetzt niemals notwendige Sachpolitik. Aber sie kann helfen, Gefühlen, so irrational sie vielleicht sein mögen, zu begegnen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt verbessern", lautet ein Kommentar des Berliner TAGESSPIEGELS.
Zum Abschluss ein Kommentar zu US-Präsident Trump, der wiederholt damit gedroht hat, die Nationalgarde auch in Städte wie New York oder Chicago zu entsenden. Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER erklärt: "Die Nationalgarde ist Teil des Militärs und dient als Reservisteneinheit unter Kontrolle der Bundesstaaten für Naturkatastrophen oder gewaltsame Zusammenstöße. Trump will die Rolle der Nationalgarde drastisch aufwerten und eine Spezialtruppe unter seinem direkten Kommando aufbauen. Sie soll zur Aufrechterhaltung der Ordnung entsandt werden, ob das die lokalen Behörden nun anfordern oder auch nicht. Eine solche 'kaiserliche' Garde ist juristisch problematisch. Wenn Trump nach Belieben verfahren darf, wird er künftig das Militär gegen Menschen einsetzen, die ihr verfassungsmäßiges Recht auf Protest gegen die Macht wahrnehmen." Mit dieser Stimme von DAGENS NYHETER aus Stockholm endet die Presseschau.