19. Oktober 2025
Die Presseschau

Im Mittelpunkt der Kommentare steht die Debatte über einen neuen Wehrdienst. In dieser Woche hat die Regierungskoalition aus Union und SPD den Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht.

Angetretene Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr beim feierlichen Gelöbnis in Zweibrücken.
Die Regierungskoalition aus Union und SPD debattiert über die Ausgestaltung eines neuen Werhdienstes. (imago / Björn Trotzki)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG schreibt zum Vorschlag eines Losverfahrens: "Wenn es so etwas schon mal gab, dachten sich wohl die Fachpolitiker im Bundestag, dann kann es so problematisch nicht sein. 'Die Reihenfolge in den Einberufungslisten wird durch das Los bestimmt', hieß es in der Novelle des Wehrpflichtgesetzes von 1960, und auch im deutschen Kaiserreich hatte schon mal eine ähnliche Regel bestanden. Da erschien es jetzt nur folgerichtig, bei einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht auch künftig das Missverhältnis zwischen Jahrgangsstärke und tatsächlichem Personalbedarf der Bundeswehr mittels Losentscheid auszugleichen. Als diese Idee an die Öffentlichkeit kam, war das Erstaunen allerdings groß. Eine existenzielle Entscheidung vom Losglück abhängig zu machen, also vom Zufall, das leuchtet vielen nicht ein in einer Gesellschaft, in der vieles auf Planbarkeit und Berechenbarkeit ausgelegt ist. Witze über die 'Wehrpflicht-Lotterie' machen seither die Runde, und schon das Wort soll zeigen, wie absurd diese Vorstellung ist", erläutert die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG und zur aktuellen Debatte merkt sie an: "Nun sind die Meinungen schon über die Wehrpflicht an sich gespalten. Aber ein Zwang für alle wäre für viele wohl leichter hinzunehmen als das jetzt erwogene Lotteriespiel. Diesen Wunsch, nichts dem Zufall überlassen zu wollen, hätten die Autoren des vorerst verhinderten Gesetzestextes zumindest ins Kalkül ziehen müssen."
Die WELT AM SONNTAG betont, "Wehrhaftigkeit ist keine reine Staatsangelegenheit, es ist auch Aufgabe der Bürger, ihr freiheitliches Gemeinwesen zu schützen. So gesehen liegt die Lösung nahe: ein Pflichtdienst für junge Männer und Frauen, der wahlweise bei Bundeswehr, Feuerwehr, Technischem Hilfswerk oder Rotem Kreuz geleistet werden kann. Soziale Dienste in Krankenhäusern oder der Altenpflege könnten einbezogen werden, auch sie dienen der gesamtstaatlichen Resilienz. Das Problem daran: Für so ein 'Deutschland-Jahr' müsste die Verfassung geändert werden. Die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag scheint mit Parteien wie Linken und AfD, die schon die Bedrohung durch Russland infrage stellen, kaum erreichbar. Allerdings wäre es längst Aufgabe der Regierung gewesen, die Bereitschaft der Opposition dazu öffentlich abzufragen. Nun herrscht aufgrund der geopolitischen Lage Zeitdruck. Deshalb bleibt zunächst nur der Rückgriff auf das vorhandene Instrument des Grundgesetzes: die Wehrpflicht für junge Männer samt – im Fall der verfassungsrechtlich garantierten Kriegsdienstverweigerung – Zivildienst. Beides kann durch einfaches Gesetz beschlossen werden", schlussfolgert die WELT AM SONNTAG.
DER SPIEGEL kommentiert in seiner Onlineausgabe die Rolle der SPD in der Debatte: "Auch in der Frage des Wehrdienstes befremdet die Partei sich selbst: Bei aller öffentlichen Diskussion bleibt Verteidigungsminister Boris Pistorius in einer grundlegenden und programmatischen Sache eindeutig. Sollte das Ziel von 260.000 aktiven Soldaten und 200.000 Reservisten nicht über Freiwilligkeit erreicht werden, sei man vorbereitet – eine verpflichtende Heranziehung werde dann möglich. Die Idee der Freiwilligkeit ist in diesem für die SPD programmatisch ohnehin skurrilen Kontext nicht mehr als ein taktisches Angebot, das jederzeit durch eine verpflichtende Komponente ersetzt werden kann. Wer mitmacht, hat ja nichts zu befürchten", notiert DER SPIEGEL.
Themenwechsel. Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT blickt auf das Treffen zwischen US-Präsident Trump und seinem ukrainischen Amtskollegen Selenskyj: "Während der Zusammenkunft am Freitag kam es zwischen den beiden Präsidenten zu ernsthaften Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Lieferung von Langstreckenraketen. Trump machte deutlich, dass die Ukraine vorerst nicht auf Tomahawk-Marschflugkörper aus den Beständen der USA hoffen kann, um sich im russischen Angriffskrieg zu verteidigen. Die Position Washingtons wurde allzu deutlich: Trump will eine direkte Eskalation mit Russland unter allen Umständen vermeiden und Dialogkanäle nicht gefährden. Davon zeugt auch das Telefonat Trumps mit Kremlchef Putin, das dem Treffen mit Selenskyj vorausging. Kiew ist sich bewusst, dass sich die Prioritäten Washingtons wieder geändert haben", beobachtet MÜSAVAT aus Baku.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG ist folgender Meinung: "US-Präsident Donald Trump steht wieder einmal davor, sich am Nasenring durch die Manege führen zu lassen. Sein Dompteur ist Wladimir Putin, der bei einem gemeinsamen Telefonat offenbar ein persönliches Treffen dieses Mal in Budapest durchgesetzt hat. Doch man kann die putinsche Freude an Gipfeltreffen mit Trump ja auch anders lesen. Putin bewegt sich erst, wenn er sich unter Druck gesetzt fühlt. Das war vor dem Treffen im August in Alaska so, als Trump sich zunehmend verärgert zeigte über den mangelnden Willen des Kremlherrn, sich zu einem Frieden mit der Ukraine zu bequemen. Trump drohte damals mit Sanktionen gegen Länder, die russisches Öl kaufen. Das hätte Putins Kriegskasse geschadet. Trump hatte einen wunden Punkt getroffen. Jetzt ist es die Drohung mit der Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern an die Ukraine. Putin wird seinen amerikanischen Freund wieder einseifen. Aber der Beweis ist erbracht: Es gäbe sehr wohl Wege, um Putin zum Abbruch des Ukraine-Krieges zu bringen", meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
In der österreichischen Zeitung DIE PRESSE AM SONNTAG ist zu lesen: "Die Geschichte wiederholt sich. Zwei Monate nach dem Flop von Alaska ist US-Präsident Trump bereit, dem russischen Präsidenten Putin ein zweites Gipfeltreffen ohne jegliche Vorbedingungen zu schenken. Die beiden Männer wollen 'in zwei Wochen oder so' in Budapest zusammenkommen, wie der US-Präsident angekündigt hat. Warum es diesmal klappen soll, bleibt vorerst sein Geheimnis. Ihm ist sogar bewusst, dass ihn Putin hinhalten könnte. Das gab Trump bei seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj offen zu. Er will es trotzdem versuchen. Denn aus irgendeinem Grund, der sich bisher nur ihm selbst erschließt, glaubt Trump, dass der Kreml-Chef einen Friedensdeal anstrebe. Die Realität auf dem Schlachtfeld sieht anders aus", erinnert DIE PRESSE AM SONNTAG aus Wien.
In den USA haben Medienunternehmen neue Beschränkungen des Verteidigungsministeriums für die journalistische Berichterstattung über das Militär abgelehnt. Dazu gehören unter anderem die Sender CBS, ABC und CNN sowie den Republikanern nahestehende Sender wie Fox News und Newsmax. Die norwegische Zeitung DAGBLADET führt aus: "Etwas war seltsam bei den Bildern von den Treppen des Pentagon. Dort standen führende Journalisten, die soeben ihre Zugangsausweise zurückgegeben hatten, klopften sich gegenseitig auf die Schultern und gratulierten einander wie nach einem überraschenden Sieg. Der Anlass war dabei durchaus ernst: Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte neue Regeln einführen wollen und verlangt, dass niemand ohne Rücksprache aus dem sagenumwobenen Verteidigungsministerium in Washington berichten dürfe. Aber dann wollte niemand Propaganda für Trump machen, nicht einmal Fox News. Zum ersten Mal war Präsident Trumps Strategie 'Teile und herrsche' gescheitert, mit der er sonst im Weißen Haus so erfolgreich war. Offenbar hatte Trump geglaubt, er könne dieselben Rezepte verwenden wie Erdogan, Putin oder Orbán. Es ist unbequem für solche Leute, in einer Demokratie zu leben, in der alle protestieren und lachen dürfen. Trumps Angriffe auf Medien und Satire haben die Graswurzelbewegung in den USA wieder auf den Plan gerufen. Gestern gab es wieder landesweite Demonstrationen unter dem Motto 'No Kings': Schließlich habe man sich nicht von der britischen Monarchie befreit, um wieder einen König zu bekommen." Das war zum Ende der Presseschau das Osloer DAGBLADET.