Montag, 29. April 2024

15. April 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Zeitungen stellen in ihren Kommentaren den iranischen Angriff auf Israel in den Mittelpunkt.

15.04.2024
Der iranische Päsident Ebrahim Raisi spricht während einer Kabinettssitzung in Teheran in ein Mikrofon.
Der iranische Päsident Ebrahim Raisi spricht beim Angriff auf Israel von einer "Lektion für den Erzfeind". (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Iranian Presidency)
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schreibt: "Das iranische Ayatollah-Regime hat in dieser Raketennacht seine Maske fallen lassen. Bislang führte es im Nahen und Mittleren Osten Stellvertreterkriege. Dafür nutzen die schiitischen Mullahs Terrorgruppen wie die Hisbollah und Hamas. Jetzt greift es Israel selbst offen an. Eine Zäsur. Auslöschen will das iranische Regime den Erzfeind seit Jahren. Jetzt trauen sich die Ayatollahs zum Angriff. Sind sie größenwahnsinnig geworden? Oder so mächtig, dass sie den Westen nicht mehr fürchten müssen, weil es Russland für seinen Überfall auf die Ukraine mit Drohnen unterstützt und auch zu China eine Partnerschaft unterhält?" Sie hörten die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Stehen wir nun vor einem großen neuen Krieg in Nahost, der alles da gewesene in den Schatten stellt?", lautet die Frage in der AUGSBURGER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Das muss nicht sein, denn insgeheim dürfte den Mullahs in Teheran ganz recht gewesen sein, dass die Attacke mit Drohnen und Raketen in Israel lediglich sehr überschaubare Schäden angerichtet hat. Denn die Führer des Irans mögen religiöse Fanatiker sein, zu Kamikaze-Aktionen neigen sie nicht. Über allem steht der Erhalt des Regimes."
"Ob es jetzt tatsächlich der große Krieg zwischen den beiden Ländern wird, lässt sich schwer beurteilen", meint allerdings das HANDELSBLATT aus Düsseldorf. "Unberechenbarkeit ist die Konstante dieses gefährlichsten und komplexesten Konflikts der Weltpolitik. Entscheidend wird jetzt sein, wie Israels Premier Benjamin Netanjahu reagiert. Besonnenheit gehört leider nicht zu seinen Stärken, wie die letzten Kriegsmonate in Gaza einmal mehr der Weltöffentlichkeit in aller Deutlichkeit vor Augen geführt haben." so weit die Analyse im HANDELSBLATT.
"Nie war die Gefahr eines regionalen Krieges größer", heißt es in der HEILBRONNER STIMME. "Anzunehmen, mit diesem Vergeltungsschlag sei die Sache erledigt, wäre naiv. Wenn Israel auf die 300 Drohnen-Angriffe antwortet, wird das erneut eine Reaktion im Iran auslösen. Vermutlich dann nicht ohne Tote. Es muss klar sein, dass sich alle Beteiligten am Abgrund befinden und nicht gewinnen können. Die Rückendeckung für Israel ist zwar richtig, aber auch sie verhärtet nur die Fronten."
"Im Nahen Osten ist eine neue gefährliche Stufe erreicht", lautet die Einschätzung in der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG. "Erstmals in der Geschichte der Islamischen Republik hat der Iran seinen Erzfeind Israel direkt angegriffen. Das schreit nach Vergeltung. Eben deshalb muss man auch Israel an seine Verantwortung erinnern. Eine Demokratie wie Israel muss sich an Völkerrecht halten und kann das Vorgehen von Terrororganisationen wie der Hamas und einem Schurkenstaat wie dem Iran nicht zum Maßstab ihres Handelns machen", findet die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Nach Ansicht der FRANKFURTER RUNDSCHAU könnte Benjamin Netanjahu ... " ... zurückhaltend reagieren, weil er sich in dieser Etappe der Auseinandersetzung durchaus als Sieger fühlen kann. Mutmaßlich israelische Einheiten haben in den vergangenen Wochen mehrfach iranische Milizen in Syrien attackiert und bei einem Angriff in Damaskus hochrangige Generäle getötet und damit die Mullahs herausgefordert. Außerdem hat das israelische Abwehrsystem fast alle iranische Geschosse abgewehrt; der Schaden blieb überschaubar."
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz glaubt, "dass es noch funktionierende Gesprächskanäle gibt. Das ist in der heutigen Welt eine ganze Menge. Diese Mäßigung ist dringend nötig. Das kann man auch der ersten Reaktion von Bundeskanzler Olaf Scholz entnehmen, der betonte: 'Man kann auf diesem Weg nicht weitermachen.'
"Israel hat sich nicht allein verteidigt", darauf verweist die TAGESZEITUNG. "Die USA, Großbritannien und das Nachbarland Jordanien schossen Drohnen und Raketen ab. Auch Saudi-Arabien soll sich an der Verteidigung Israels beteiligt haben. Die Beziehungen zwischen Israel und seinen westlichen Verbündeten sowie den ihm gewogenen arabischen Nachbarn waren in letzter Zeit drastisch abgekühlt wegen Israels erbitterten Kriegs gegen die Hamas in Gaza. Für Israel folgt daraus, hoffentlich, eine Erkenntnis: Seine Verbündeten reihum zu verprellen, weil man den extremen Rechten im Land und ihren Siedlungsfantasien hinterherhechelt, ist eine schlechte Strategie. Guten Willen zu zeigen beim Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza ist sicherlich förderlich, um notwendige Allianzen aufrechtzuerhalten." So weit die TAZ.
Die westlichen Staaten sind gefragt, meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Der Westen sollte nicht zusehen, wie Iran in Putin'scher Manier ein anderes Land aus der Luft beschießt und nebenbei Handelsschiffe kapert. Gerade US-Präsident Biden muss aufpassen, welche Signale er nun sendet. Dass er im Wahlkampf keinen Krieg gegen Iran will, liegt auf der Hand. Aber bei den Sanktionen sollte es zumindest keine Zugeständnisse mehr geben."
"Deutschland ist gefordert", hebt die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz hervor. "Die Sicherheit Israels gilt als deutsche Staatsräson. Der Ton der Bundesregierung muss daher jetzt klarer und schärfer werden. Bundeskanzler Olaf Scholz ist jedenfalls zum richtigen Zeitpunkt in China. Denn dort liegen viele Schlüssel zur Lösung der globalen Konflikte – ob Ukraine oder Iran. Dass Scholz China mit dazu bewegen kann, seinen Einfluss geltend zu machen, gerade weil ein Flächenbrand auch die wirtschaftlichen Interessen Pekings stark belasten würde, ist durchaus möglich. Der Einfluss des Kanzlers auf internationalem Parkett ist größer, als man mitunter annehmen kann."
"Zumindest im übertragenen Sinne sind die iranischen Geschosse auch in Berlin eingeschlagen", lesen wir in der ALLGEMEINEN ZEITUNG aus Mainz. "Die Bundesregierung muss sich einmal mehr fragen lassen, warum sie das Regime in Teheran seit Jahren mit Samthandschuhen anfasst. Schon die Reaktionen auf die heldenhaften Demonstrationen für mehr Freiheit, die das Regime blutig niedergeschlagen hat, waren lau. Mit einer 'wertegeleiteten Außenpolitik', die Ministerin Baerbock so gerne propagiert, hat das nichts zu tun."
"Der Westen trägt an diesem ersten direkten iranischen Angriff Mitverantwortung", glaubt die NORDWEST-ZEITUNG aus Oldenburg. "Statt die Mullahs weiter unter Druck zu setzen, statt die inneriranische Opposition wirksam zu unterstützen, wurde seit dem Amtsantritt von Präsident Biden in den USA Appeasement betrieben, wurden Sanktionen gelockert – und Deutschland treibt dieses unrühmliche Spiel höchst aktiv mit."
Nach Ansicht der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG aus Frankfurt hat der Westen eine Gefahr aus den Augen verloren: "Angesichts des Krieges in der Ukraine ist in Vergessenheit geraten, dass die Mullahs nach wie vor nach der Atombombe streben. Dies zu verhindern, muss angesichts der unabsehbaren Folgen eines nuklear bewaffneten Iran eines der wichtigsten politischen Ziele des Westens sein."
Die MEDIENGRUPPE BAYERN verweist auf die Aussage des iranischen Staatsoberhauptes, nämlich: "'Der Angriff auf ein iranisches Konsulat war wie ein Angriff auf iranischen Boden', versuchte Irans Führer Ayatollah Khamenei den Angriff auf Israel zu rechtfertigen. Blanker Hohn. Schließlich ist der Beginn der Herrschaft des Mullah-Regimes vor 45 Jahren untrennbar mit der Besetzung der US-Botschaft in Teheran verbunden. Wo war da die Unverletzbarkeit der diplomatischen Einrichtung?"
Und der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER zieht das Fazit: "Teheran muss diesen ersten direkten Angriff auf Israel intern als einen schweren Misserfolg bewerten. Denn vollmundig angekündigt, hielt er nicht ansatzweise das, was sich die Führung und die Revolutionsgarden davon versprochen haben dürfen. Schließlich wollte Teheran seinen Hilfstruppen im Gazastreifen - der Hamas - und im Libanon - der Hisbollah - zeigen, was es bedeutet, wenn ihr großer Sponsor direkt in die Kämpfe eingreift. Auch sie werden ihre Schlüsse ziehen."