Freitag, 03. Mai 2024

22. April 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Neben den Plänen für einen Veteranentag in Deutschland ist die Entscheidung in den USA für die monatelang umstrittene Militärhilfe für die Ukraine das dominierende Thema.

22.04.2024
Washington: Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, spricht zu Reportern vor dem Westflügel im Weißen Haus in Washington.
Der Sprecher des republikanischen Repräsentantenhauses in den USA, Mike Johnson (Andrew Harnik / AP / Andrew Harnik)
Die RHEINPFALZ aus Ludwigshafen würdigt den Mut des republikanischen Sprechers im Repräsentantenhaus, der die Abstimmung ermöglicht hatte: "Dass es nun endlich geklappt hat, ist das Verdienst von Mike Johnson. Er hat es riskiert, mit den Demokraten die Abstimmungen herbeizuführen. Johnson muss nun eine Abwahlinitiative aus dem radikalen Flügel seiner eigenen Fraktion befürchten. Er hat getan, was das nationale Interesse des Landes ist: zu verhindern, dass Russland in diesem Jahr den Ukrainekrieg gewinnt. Genau das drohe, hat CIA-Chef Bill Burns jüngst gewarnt."
Auch der SÜDKURIER aus Konstanz lobt Johnson: "Er wolle auf der richtigen Seite der Geschichte stehen. Mit diesen Worten begründete der republikanische Repräsentantenhaus-Sprecher, warum er nach quälend langen Monaten die US-Militärhilfe für die Ukraine endlich zur Abstimmung zugelassen hat. Damit ermöglichte er auch mehr als einhundert Vertretern seiner Partei zu zeigen, dass es bei den Republikanern auch Abgeordnete gibt, die nicht blindlings Donald Trump folgen. Für die Ukraine kommt diese Entscheidung keinen Tag zu früh. Die russische Armee verstärkt seit Wochen ihre Angriffe, um auf dem trockener werdenden Gelände die Front zu durchbrechen und die Menschen im Hinterland zu terrorisieren. Die Aussicht auf baldige Unterstützung wird dem Land neuen Mut geben, den Angriffen Russlands weiter standzuhalten. Den Vorsitzenden Johnson wiederum könnte die Ermöglichung dieser Hilfen das Amt kosten. Doch sowohl in Kiew als auch in Washington dürften viele der Ansicht sein: Das war es wert", konstatiert der SÜDKURIER.
"Nun hat ausgerechnet der erzkonservative Mike Johnson das Richtige getan", stellt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder fest: "Der Mächtigste unter den Kongressabgeordneten und selbst ein Trump-Anhänger hat ein Hilfspaket durchgesetzt, das bei den Opfern des russischen Angriffskriegs wenigstens Hoffnung weckt. Binnen weniger Tage könnten damit die Arsenale der ukrainischen Streitkräfte wieder aufgefüllt werden. Das ist eine potenzielle Wende im Krieg, die Putin schlaflose Nächte bereiten wird."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG meint: "Mit der Freigabe von gut 60 Milliarden Dollar Militärhilfe für Kiew werden die USA einen drohenden Triumph von Russlands Präsident Putin in seinem Krieg gegen die Ukraine wohl quasi in letzter Minute verhindern."
Für den KÖLNER STADT-ANZEIGER... "...durchkreuzt der Beschluss das Kalkül des russischen Machthabers Putin, der auf eine Ermüdung des Westens und einen Diktatfrieden setzt. Die Ukraine steht nach der neuen Milliarden-Zusage aus Washington eindeutig gestärkt da: politisch, moralisch und militärisch."
"Amerika hat nochmal die Kurve gekriegt, aber das Vertrauen in seine Verlässlichkeit hat gelitten", findet die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg: "Wie lange ein radikales Grüppchen Hilfe für Partner boykottieren konnte, ist erschreckend."
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz warnt die Europäer davor, nun ihr Engagement für Kiew zurückzufahren: "Auch nach der Zusage der neuen US-Gelder besteht weiter die Notwendigkeit, sich solidarisch mit der Ukraine zu zeigen – und konkret auf weitere Waffenlieferungen, Hilfen für die zerstörte Energieinfrastruktur und wirtschaftliche Unterstützung hinzuarbeiten. Viele in Deutschland und anderen europäischen Ländern haben noch nicht verstanden, was dieser Krieg in letzter Konsequenz bedeuten kann."
Auch die VOLKSSTIMME aus Magdeburg appelliert an die Europäer, nicht nachzulassen: "Der Kreml droht bereits mit weiteren Offensiven, lässt keinen Zweifel daran, dass er unverändert gewillt ist, sich große Teile der Ukraine einzuverleiben. Gerade fabuliert Russlands Außenminister unverblümt von der Ukraine als 'Teil der russischen Welt'. Die Entscheidung für die Finanzhilfen aus Washington nimmt kurzfristig Handlungsdruck von den europäischen Verbündeten inklusive Deutschland. Sie darf aber nicht als Zeichen missverstanden werden, sich hier erstmal zurückzuziehen, um beispielsweise innenpolitischem Gegenwind auszuweichen. Grundsätzlich gilt: Russlands Angriffskrieg muss schnellstmöglich ein Ende finden – aber keinesfalls zu Putins Bedingungen", betont die Magdeburger VOLKSSTIMME.
"Erstes Ziel müssen nach wie vor Verhandlungen sein, die für ein schnelles Ende des Krieges sorgen", gibt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER zu bedenken. Das Blatt räumt aber ein, dass die Ukraine erst einmal gestärkt werden muss, um selbstbewusst verhandeln zu können: "Es braucht nicht nur einen verhandlungsbereiten Selenskyj, sondern auch einen Kremlchef, der ohne Vorbedingungen zu solchen Verhandlungen bereit ist. Dazu wird er aber nur bereit sein, wenn er sich einer starken Ukraine gegenübersieht. Und wenn der Widerstand im eigenen Land immer größer wird, etwa angesichts steigender russischer Opfer-Zahlen."
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG bleibt skeptisch: "Niemand weiß, was den langjährigen Hinterbänkler aus Louisiana plötzlich dazu gebracht hat, sich gegen die Hardliner in seiner Partei zu stellen. Dieses Mal hat der Parteipate Trump aus taktischen Gründen Johnson gewähren lassen. Sollte der Möchtegernautokrat aber im November die Wahl gewinnen, gibt es keinen Grund mehr für Rücksichtnahmen. Dann wäre nicht nur das Schicksal von Johnson, sondern auch das der Ukraine besiegelt", so die Befürchtung der LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die Ampelfraktionen und die Union wollen einen jährlichen Veteranentag in Deutschland einführen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG begrüßt den Plan: "Die bemerkenswerte Einigung ruft in Erinnerung, wie viele Deutsche in der Nachkriegszeit gedient haben. Millionen junger Männer bereicherten die Streitkräfte, standen als Reservisten bereit, brachten Geschichten mit nach Hause und sorgten als Staatsbürger in Uniform für ein gutes Personalreservoir wie auch für eine wichtige Kontrolle der Bundeswehr. Als Veteranen würden sich wohl nur die wenigsten bezeichnen – dieser Begriff passt eher für länger Gediente, die im (Kampf-)Einsatz waren. Es ist richtig, deren bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Dazu gehören auch Therapieangebote. Und auch ein nationaler Tag für die Veteranen sollte einen therapeutischen Zweck haben: Anerkennung und Wertschätzung", hält die F.A.Z. fest.
Die STUTTGARTER ZEITUNG fügt an: "Wer in der Bundeswehr zum Schutz von uns allen Dienst an der Waffe leistet, verdient unseren Respekt. Erst recht, wenn er dazu lebensbedrohliche Einsätze bestreitet. Er verdient auch, ordentlich bezahlt zu werden – einen Sold, der den Risiken seines Jobs gerecht wird. Zudem verdient er, dass ihn der Staat so ausrüstet, dass er seiner gemeinnützigen Aufgabe gerecht werden kann. Wenn dies alles gewährleistet wäre, ließe sich auch über einen Veteranentag diskutieren. So aber entsteht der Eindruck, dass mit dem neuen Kalendereintrag nur andere Versäumnisse überspielt werden sollen – ein miserabler Dienst an den Soldaten", moniert die STUTTGARTER ZEITUNG.
Zum Abschluss greift die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG einen Vorstoß der Unionsfraktion im Bundestag auf. Diese hatten einen Pflichtbesuch für Schüler in KZ-Gedenkstätten vorgeschlagen: "Damit sich die Katastrophe des Holocausts nicht – auch nicht in ähnlicher Form – wiederholt, muss sie immer wieder aufgearbeitet werden. Das ist gerade jetzt wichtig, wo die letzten Zeitzeugen sterben. Ein Gedenkstättenbesuch sollte dabei nicht als Allheilmittel gegen importierten Antisemitismus missverstanden werden. Er richtet sich an die gesamte Gesellschaft. Und er hilft auch, misslungene Vergleiche zwischen dem Holocaust und neuzeitlichen Verbrechen oder Kriegen als solche zu enttarnen. Der Vorschlag der Union berührt zwar eindeutig die Hoheit der Bundesländer. Doch er sollte von diesen als das angenommen werden, was er ist: Ein wertvoller Anstoß." Mit dieser Stimme der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg endet die Presseschau.