Samstag, 04. Mai 2024

25. April 2024
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Zeitungen beschäftigen sich mit der gestern zu Ende gegangenen Türkeireise von Bundespräsident Steinmeier. Im Mittelpunkt steht jedoch weiter die Spionageaffäre bei der AfD. Nach der Festnahme eines Mitarbeiters des Spitzenkandidaten für die Europawahl, Krah, unter dem Verdacht, für China spioniert zu haben, wird vor allem der Umgang der Parteiführung mit der Angelegenheit kommentiert.

25.04.2024
Berlin: Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl, gibt ein Pressestatement nach dem Gespräch mit der AfD-Fraktionsspitze.
AfD-Spitzenkandidat Krah bei einem Pressestatement nach seinem Gespräch mit der Parteispitze (Michael Kappeler / dpa / Michael Kappeler)
In der SÄCHSISCHEN ZEITUNG heißt es dazu: "Das ist neu: Erstmals findet die AfD Vorwürfe gegen einen ihrer Spitzenpolitiker offiziell 'sehr beunruhigend'. Zu Recht. Denn es geht nicht länger 'nur' um eine der vielen extremistischen, rassistischen oder grundgesetz- und demokratiefeindlichen Äußerungen von Parteimitgliedern. Oder 'nur' um persönliche Bereicherung. Es geht vielmehr um den Verdacht der Arbeit für andere Mächte, um Aktionen gegen unseren Staat", ordnet die SÄCHSISCHE ZEITUNG aus Dresden ein.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG kritisiert das Krisenmanagement der beiden AfD-Vorsitzenden Weidel und Chrupalla als - Zitat - "auffallend schwach". "Statt klare Kante zu zeigen, soll Krah nicht mehr beim Wahlkampfauftakt der Partei auf der Bühne auftreten. Wollen Weidel und Chrupalla den Spitzenkandidaten vor den Wählern also wirklich wochenlang verstecken? Sieht so Führungsstärke aus? Nein, das ist Führungsschwäche von besonderem Ausmaß. Ein Festhalten an Krah wird der Partei schwer schaden. Mit seinen ausländer- und frauenfeindlichen Aussagen war Krah für die Partei ohnehin eine tickende Zeitbombe. Jetzt gibt es keine Alternative: Der Rechtsaußenpolitiker sollte selbst seinen politischen Rückzug erklären und de facto als Spitzenkandidat zurücktreten, auch wenn die EU-Wahlliste kaum noch zu ändern ist", fordert die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
"Mit Mühe haben die AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla den Problembären Maximilian Krah in den Giftschrank bugsiert", resümiert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG. "Den Auftakt zum Europawahlkampf und wahrscheinlich auch die meisten weiteren Termine bestreiten Weidel und Chrupalla jetzt ohne einen sichtbaren Spitzenkandidaten. Doch der Wille und die Konsequenz, ihn komplett aus dem Rennen zu nehmen, fehlen. Die Vorwürfe einer allzu großen Nähe zu Russland und China gibt es über ihn schon lange. Auch sein verhafteter Mitarbeiter stand schon lange unter Verdacht. Aus machttaktischen Gründen hat vor allem Chrupalla seinen sächsischen Parteifreund gestützt, auch Weidel verhinderte ihn nicht", moniert die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg analysiert: "Prinzip bei der Alternative für Deutschland ist es, dass bei Vorwürfen gegen prominente Mitglieder – wie Björn Höcke, Petr Bystron oder jetzt Krah – die Partei in Phase eins von nichts wissen will. In der zweiten Phase bekunden die Betroffenen ihre Ahnungslosigkeit, Unrechtsbewusstsein und persönliche Konsequenzen entfallen: Krah denkt nicht daran, von der Spitzenkandidatur für die Europawahl zurückzutreten. Es folgt Phase drei: Die Parteiführung lässt ihn gewähren und hofft wie der völkische Vorkämpfer Krah darauf, dass die Geschichte schnell versandet. Das wird nicht passieren: Krahs politische Verantwortung für die Spionage für Peking ist keine lässliche Sünde. Sondern ein zwingender Grund, die Kandidatur zurückzuziehen", ist die VOLKSSTIMME überzeugt.
"Die AfD ist in den vergangenen Wochen zur Kenntlichkeit entstellt worden", schreibt der KÖLNER STADT-ANZEIGER "Als eine Partei, die keine Alternative für, sondern gegen Deutschland ist. Die Vorsitzenden Chrupalla und Weidel versuchen sich halbherzig in Schadensbegrenzung. Sie agieren plan- und ratlos. Und sie hinterlassen ein wenig schmeichelhaftes Bild von der AfD als Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik: eines von nützlichen Idioten", urteilt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint: "Im lauen Umgang mit Krahs Hallodri-Kurs gegenüber China und Russland zeigt sich die ganze Doppelmoral der AfD, wenn denn von Moral noch die Rede sein kann. Dass sie nun wehklagt, Regierung und Parteien fielen über sie her, ist ein schlechter Scherz angesichts der Keulen, mit denen die AfD unterwegs ist. Stört es ihre Wähler, dass sie so verkommen ist? Leider viel zu wenige. Denn sie wissen nicht, was sie tun", befürchtet die F.A.Z.
Die TAZ folgert: "Vor allem schwankenden Konservativen, die mit AfD-Positionen liebäugeln, muss spätestens jetzt klar werden, wie groß die innere und äußere Bedrohung durch die AfD ist. Die Skrupellosigkeit der AfD-Politiker, sich auch ideologisch autoritären Regimen anzudienen, spricht Bände darüber, was droht, wenn die extrem rechte Partei Machtmittel in die Hand bekommt", warnt die TAZ.
Zum nächsten Thema. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU zieht nach der Türkeireise des Bundespräsidenten eine gemischte Bilanz: "Am Besuchsprogramm von Frank-Walter Steinmeier in der Türkei ließ sich bereits ablesen, wie distanziert das Verhältnis zu Präsident Recep Tayyip Erdogan ist. Erst zum Schluss seines dreitägigen Staatsbesuchs traf Steinmeier in Ankara mit Erdogan zusammen. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz machte der Besucher aus Berlin kein Geheimnis daraus, dass es Differenzen im Verhältnis gibt. Er betonte aber auch, dass die Türkei und Deutschland untrennbar miteinander verbunden sind – dafür sorgen schon allein die rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland. 'Wir brauchen einander', sagte der Bundespräsident. Das ist richtig. Die Türkei ist ein schwieriger Partner – zugleich aber auch ein unverzichtbarer", unterstreicht die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Nach Ansicht des REUTLINGER GENERAL-ANZEIGERS hätte sich Steinmeier bei strittigen Themen weniger zurückhalten sollen: "Man hätte sich von diesem politischen Bundespräsidenten, der nicht nur Chef des Auswärtigen Amtes, sondern auch schon Chef des Kanzleramtes und SPD-Kanzlerkandidat war, schon auch ein paar deutlichere Worte gewünscht. Wenn Deutschland die Sicherheit Israels schon zur Staatsräson erklärt, dann muss auch das Staatsoberhaupt die Unterstützung der Hamas durch die Türkei scharf kritisieren. Deren erklärtes Ziel es ja ist, Israel zu vernichten. Auch ein paar kritische Worte zur Lage der Demokratie und den Menschenrechten in der Türkei hätten Steinmeier gut zu Gesicht gestanden", findet der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG geht auf die Bilder ein, die Steinmeier an einem mitgebrachten Dönerspieß zeigen und kommt angesichts kritischer Reaktionen aus der deutsch-türkischen Gemeinschaft zu dem Schluss: "Es war das Bild, das von der Reise bleiben wird. Offenbar überraschte es Steinmeier und sein Team, welche Reaktionen sie bekamen. Was davon erzählt, wie wenig Deutsche ohne Migrationsgeschichte noch immer die Erfahrungen derer verstehen, die neu ins Land kamen – oder deren Großeltern ins Land kamen. Wie verstimmt viele Deutschtürken nun reagierten, zeugt von alten Verletzungen. 'Die Türken', das waren aus Sicht vieler jene, die Fleisch in Fladenbrot packten. Man kann dem Bundespräsidenten nicht vorwerfen, dass er daran anschließen würde, im Gegenteil, Steinmeier betonte auf seiner Reise die deutsch-türkischen Erfolgsgeschichten. Aber er zeigte sich eben auch mit Döner", gibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zu bedenken.
Die in Heidelberg erscheinende RHEIN-NECKAR-ZEITUNG lobt Steinmeier für seinen differenzierten Umgang mit Präsident Erdogan: "Allein mit seiner Reiseroute, die ihn erst ins oppositionelle Istanbul führte, bewies der 'Bundesaußenpräsident' kritische Distanz zum Staatsoberhaupt in Ankara. Zugleich legte er Wert auf die migrantische Erfolgsgeschichte von Türken in Deutschland. Was Erdogan natürlich gefällt. Wertschätzung ist ein wichtiges Gut in der erfolgsorientierten Diplomatie. Ein überhebliches Vor-den-Kopf-Stoßen ist das Gegenteil davon." Mit diesem Zitat aus der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG endet diese Ausgabe der Presseschau.