
Die FRANKENPOST aus Hof betont, warum es wichtig ist, morgen wählen zu gehen. "Was geht mich Europa, Brüssel oder erst recht Straßburg an? Ein viel gehörter Satz in den vergangenen Wochen, verbunden mit dem Unterton, dass sich die Wahl an diesem Sonntag doch sowieso nicht lohnt. Weit gefehlt! Wir sind alle mehr EU als wir gemeinhin denken. Diese Gleichgültigkeit hat sich eingeschlichen, weil wir inzwischen die Vorzüge als zu selbstverständlich hinnehmen. Manches wird wohl erst so richtig deutlich, wenn es wieder wegfällt. Es geht um nicht weniger als um die Legitimation einer wunderbaren Idee der Zusammengehörigkeit von Nationen, Kulturen – und Menschen", hebt die FRANKENPOST hervor.
Die HESSISCHE/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE notiert: "Die Europäische Union hat viele kritikwürdige Defizite, vom Bürokratismus über mangelhafte Klimaschutz- und Migrationspolitik bis hin zur Blockade durch das Einstimmigkeitsprinzip. Aber für die Werte des Bündnisses einzustehen, sie mit seiner Wählerstimme gegen Antidemokraten zu verteidigen, lohnt sich. Weil die EU Wohlstand für möglichst viele und Freiheit für alle Bürger verspricht – und nur in einer stabilen Gemeinschaft diese Versprechen auch halten kann", mahnt die HNA aus Kassel.
"Sicher, es gibt Gründe für das Restunbehagen der Deutschen", vermerkt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Die Bürokratie, unter der die Wirtschaft ächzt, kommt zunehmend aus Brüssel. In der Migrationspolitik geht es zu langsam voran, die Klimapolitik ist mal zu dirigistisch, mal zu inkonsequent. Und wenn, wie 2019, der siegreiche Spitzenkandidat plötzlich doch nicht Kommissionspräsident werden darf, haben auch europafreundliche Demokraten ein paar Fragen. Europa ist weder perfekt noch fertig, dafür aber in Not. Im Wahllokal könnten auch die Deutschen zu Ersthelfern werden. Man stelle sich vor, wie fantastische das wäre", wendet die SZ ein.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG sieht den Zusammenhalt der EU bedroht - insbesondere bei der Haltung gegenüber Russland: "Die politische Trennlinie verläuft zwischen den Ängstlichen und den Zuversichtlichen. Die einen, ob sie AfD heißen oder Bündnis Sahra Wagenknecht, verbeugen sich vor Putin, verachten die EU und wollen Denkzettel für 'die da oben'. Die anderen machen den Rücken gerade gegenüber Moskau und überlegen sich Pläne zum engeren Zusammenrücken der EU, etwa beim Thema Verteidigung. Die Europawahl findet 80 Jahre nach der Landung der Alliierten in der Normandie statt. Anders als damals wird den Bürgern der EU heute hoffentlich ein Krieg erspart bleiben", kommentiert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle.
Auch die VOLKSSTIMME aus Magdeburg beschäftigt sich mit dem Frieden auf dem Kontinent: "An der Abwehr des von Russland entfesselten Feldzuges gegen die Ukraine ist die Gemeinschaft mittelbar selbst beteiligt. Die Mandatsträger, die gern die EU als Friedensprojekt preisen, sollten alles daran setzen, damit wieder Frieden einkehrt in der EU-Nachbarschaft. Sie sollten dringend ihre Regierungen zügeln, die glauben machen wollen, dass mit ständig neuen Waffenlieferungen die Entscheidung zugunsten der Ukrainer auf dem Schlachtfeld nahen würde. Ein folgenschwerer Irrtum, wie die vergangenen zweieinhalb Jahre zeigen. Künftige Generationen hoffen auf eine EU, die Wohlstand und Klimarettung schafft. Das geht nur im Frieden." So weit die Zeitung VOLKSSTIMME.
Der Berliner TAGESSPIEGEL erwartet eine "Richtungswahl", an der Kommissionspräsident von der Leyen zentral beteiligt sein werde: "Die EU muss Einigkeit und Stärke beweisen. Genau deswegen könnte man von der Leyens Strategie als vernünftigen Pragmatismus sehen. Indem sie sich offen hält, ob sie mit Stimmen rechts oder links der Mitte gewählt wird, sorgt sie für eine gewisse Kontinuität und Stabilität - gleich wie die Wahl ausgeht. Doch es darf keine Stabilität um jeden Preis geben. Mit den Rechten die Zukunft Europas gestalten zu wollen, wäre zum Scheitern verurteilt", schätzt der TAGESSPIEGEL.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE hält von der Leyens Rolle für geschwächt: "Auf dem Wahlzettel steht die amtierende Kommissionschefin nirgends, da sie sich nicht um einen Sitz im Europaparlament bewirbt. Auch als Zugpferd ist die CDU-Frau im Wahlkampf nirgends zu sehen. Die Bewerberin aus Deutschland hatte so gut wie keinen Auftritt im deutschen Fernsehen. So wenig Spitzenkandidat war nie."
Die STUTTGARTER ZEITUNG blickt auf die möglichen Folgen der Europawahl für die Ampelkoalition: "Für die Regierungsparteien gibt es allem Anschein nach wenig zu feiern. Sie werden nicht zu den Wahlgewinnern zählen. Je schlechter die Ergebnisse, desto stärker werden die Zentrifugalkräfte, welche das Regierungsbündnis ohnehin schon stressen – da jeder Pleite eine Profilierungsoffensive folgt. Vor allem die FDP steht dann vor einem Überlebenskampf. Der Kanzler wiederum mag seine Attraktivität als Stimmenmagnet am Ergebnis seiner Partei ablesen. Schließlich hat die ihn so häufig plakatieren lassen wie die eigentliche Spitzenkandidatin für das Europa-Parlament. Ein Resultat, das noch schlechter ausfällt als das vor fünf Jahren, wäre ein dickes Fragezeichen hinter Scholzens Zukunft als Regierungschef", findet die STUTTGARTER ZEITUNG.
In den Niederlanden wurde bereits am Donnerstag gewählt. Prognosen sehen das grün-sozialdemokratische Bündnis knapp vor der PVV des Rechtspopulisten Geert Wilders. Die F.A.Z. argumentiert: "Man kann das Ergebnis zwar als Dämpfer für Wilders lesen. Die Stabilität ist dennoch bemerkenswert. Andere Rechtspopulisten in Europa könnten sie als Bestätigung der Le-Pen-These sehen: Die Wähler wollen vor allem in der Migrationspolitik echten Wandel. Den zu vollbringen trauen viele am ehesten den 'unerschrockenen' Radikalen zu, die sich zuletzt (rhetorisch) gemäßigt haben. Und nicht den Mitte-Kräften, die ihre Asyl-Messer erst in jüngster Zeit geschärft haben", ist in der FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG zu lesen.
Das Bundeskriminalamt hat ein neues Lagebild zur häuslichen Gewalt vorgelegt. Demnach gab es 2023 mehr als 256.000 Opfer, knapp 70 Prozent davon waren weiblich. "Umso wichtiger ist es, dass Hilfsangebote wahrnehmbar und erreichbar sind", folgert das MINDENER TAGEBLATT. "Wer sich vor dem prügelnden Partner, der gewalttätigen Partnerin flüchtet, wer die Kraft findet, Hilfe zu suchen, dem sollten sich die Türen öffnen. Der Hinweis, dass in einem halben Jahr vielleicht ein Schutzplatz frei sein könnte, lässt die Opfer allein und entmutigt. Es ist eine Form der unterlassenen Hilfeleistung, die sich das Land nicht erlauben sollte."
Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf nimmt die Bundesregierung in die Pflicht: "Die Kosten des Hilfesystems betrugen 2022 gerade einmal 270 Millionen Euro. Für eine Regierung, die oft von Respekt und Würde redet, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, auch in Zeiten knapper Kassen Prioritäten so zu setzen, dass Frauen, die von ihren Männern geschlagen werden, nicht auch im Gezerre um öffentliche Mittel die Leidtragenden sind."
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG verlangt, auch Betreuungsangebote für Täter zu schaffen: "Die Polizei kann in Fällen häuslicher Gewalt einen Platzverweis aussprechen und ein zehntägiges Betretungsverbot. Das soll sicherstellen, dass sich die betroffene Frau in dieser Verschnaufpause Hilfe und einen Ausweg suchen kann. Aber auch dem Täter könnte man in dieser Zeit ein Angebot machen. Wer wirksam etwas für Opfer häuslicher Gewalt tun will, aktuelle und zukünftige, schafft nicht nur neue Frauen- und auch Männerhäuser – sondern zusätzlich auch Täterhäuser. Mit psychologischer Betreuung und genug Raum, um die eigene Tat zu reflektieren – und damit einen Schritt in Richtung Ursachenbekämpfung zu tun. Denn die liegt nicht im Opfer der Gewalt, sondern im Täter". Das war zum Abschluss der Presseschau eine Stimme aus der NEUEN OSNABRÜCKER ZEITUNG.
