
Die Bundesregierung reagiert damit auf die Hinrichtung des Deutsch-Iraners Sharmahd im Iran. Die KIELER NACHRICHTEN begrüßen die Entscheidung, denn: "Die diplomatischen Beziehungen ganz abzubrechen, wäre schon allein wegen der noch inhaftierten deutschen Staatsbürger im Iran nicht angebracht. Wichtiger ist es, die zu treffen, die für das Unrecht und die täglichen Grausamkeiten verantwortlich sind. Dazu tragen die erst wenige Wochen alten Sanktionen gegen Iran Air bei, die den Flugverkehr des Landes massiv einschränken und wirtschaftliche Einbußen bedeuten. Auch die Listung der iranischen Revolutionsgarden als terroristische Vereinigung, die in der EU mit neuer Dringlichkeit verhandelt wird, muss kommen. Was bleibt, ist die Sorge um das Atomprogramm des Iran, viel fehlt nach Experteneinschätzung nicht mehr bis zum Bau einer Atombombe. Es ist nicht sicher, aber möglich, dass die Sanktionen zum Druck auf neue Verhandlungen beitragen – das wäre ein kleiner Fortschritt", meinen die KIELER NACHRICHTEN.
SPIEGEL ONLINE beobachtet mit Blick auf die Bundesaußenministerin: "Erstaunlich milde reagierte Baerbock schon, als das Regime in Teheran 2022 Tausende Frauen niederknüppeln ließ. Der Tod von Jina Mahsa Amini hätte der Streiterin für eine feministische Außenpolitik Anlass genug sein müssen, sich früh und laut an die Seite der unterdrückten Frauen zu stellen. Die Fälle Amini und Sharmahd illustrieren die von Angst getriebene deutsche Iranpolitik unter Baerbock. Sanktionen werden dosiert, ein Abbruch der Beziehungen um jeden Preis vermieden. Auf intensive diplomatische Verhandlungen lässt man sich in Berlin aber auch nicht ein. Dabei ist doch Iran ein Schlüssel für Frieden in Gaza, Libanon und dem Jemen", unterstreicht SPIEGEL ONLINE.
Die Zeitung DIE WELT findet, ein Strategiewechsel sei notwendig und stellt fest: "Es bietet sich ein einzigartiges Fenster der Möglichkeiten für den Westen, um von einer Politik der Regime-Stabilisierung zu wechseln zu einer Politik, die einen Regime Change beschleunigt. Das könnte über deutlich verschärfte Sanktionen geschehen, eine auch materielle Unterstützung iranischer Oppositionsgruppen bis hin zu Sabotageakten gegen Irans Rüstungsindustrie und der Kooptierung regimekritischer Elemente im iranischen Militär. Die Destabilisierung, Schwächung und irgendwann auch die Überwindung der iranischen Mullah-Diktatur durch das eigene Volk würde jedenfalls einen ganzen Berg von Problemen lösen. Sie wäre sowohl im Sinne der unterdrückten Bevölkerung im Iran wie im Sinne einer Region, die seit Jahrzehnten unter der hegemonialen und ordnungszersetzenden Außenpolitik der Mullahs leidet", notiert DIE WELT.
Themawechsel. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bemerkt zu den Unwettern in Spanien mit mindestens 150 Toten: "Das Wetteramt Aemet hatte schon am Dienstagmorgen gewarnt. Aber der Zivilschutz alarmierte die Bevölkerung erst am Abend. Nun macht die Volkspartei, die in der Region Valencia das Sagen hat, die Zentralregierung für das Chaos verantwortlich. Richtig daran ist, dass die von den Sozialisten geführte Regierung zuständig ist für die Wetterbehörde und die hydrographischen Verbände. Aber die Schuld auf Madrid zu schieben, das riecht nach Parteipolitik. Die eigene Verantwortung wird umso stärker abgestritten, je schlimmer die Katastrophe zuschlägt. Auch das kennt man aus dem Ahrtal. An besserer Koordination mit klaren Zuständigkeiten müssen nun alle Behörden gemeinsam arbeiten", verlangt die F.A.Z.
Die TAGESZEITUNG wirft ein: "Dass es stärker regnete als je zuvor, dafür kann die konservative Regionalregierung Valencias, die sich von der rechtsextremen Vox unterstützen lässt, nichts. Aber sie kann sehr wohl etwas für das fehlende – auch unbedingt vorbeugende - Handeln angesichts der latenten Gefahren. Carlos Mazón, dem konservativen Chef der Regionalregierung in Valencia, fiel nach seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr nichts Besseres ein, als die Behörde, die eben die Antwort auf Naturkatastrophen wie Waldbrände und Überschwemmungen durch Starkregen verantwortlich ist, zu schließen. Es war seine Art, das neoliberale und populistische Wahlprogramm, mit dem er angetreten war, umzusetzen", analysiert die TAZ.
Die Zeitung ND DER TAG vertritt diese Ansicht: "Dass diese Vorfälle Folgen der vom Menschen gemachten Erderwärmung und somit Katastrophen infolge des Klimawandels sind, liegt auf der Hand. Doch obwohl sie zunehmen, wird nicht gehandelt. Anpassung an den Klimawandel ist eigentlich das erste Gebot der politischen Gegenwart. Doch das Thema ist unbequem. Es fängt bei der privaten Autofahrt zum Supermarkt an, erfordert umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen und sollte auch Eigentumsfragen beinhalten. Das alles ist kompliziert und ruft Widerstände hervor. Darüber hinaus ist die Klimapolitik ein Feld des rechten Kulturkampfs geworden. Das gilt in Madrid genauso wie in Berlin oder nächste Woche bei den Präsidentschaftswahlen in den USA", vermerkt ND DER TAG.
"Hoffentlich wirkt der Schrecken über die Fluten in Spanien nach bis zur diesjährigen Weltklimakonferenz", schreibt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG: "In Aserbaidschan kommen ab 11. November Regierungsvertreter und Klimafachleute aus aller Welt zur COP 29 zusammen, um vor allem über eins zu reden: Geld. Genauer gesagt über das Geld, das reiche Industrieländer an ärmere Staaten zahlen sollten, die besonders unter dem Klimawandel leiden - ohne ihn selbst wirklich verantwortet zu haben."
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) geht auf einen Vorschlag des Präsidenten der Bundesärztekammer ein: "Klaus Reinhardt findet, es könne eine Teilzeit-Krankschreibung für einige Stunden täglich geben. Nach dem Motto: Vormittags fühle ich mich unwohl, aber am Nachmittag bin ich fit. Wie realistisch ist das denn? Zudem: Reinhardt ist doch selbst Hausarzt und weiß, wie belastet die Praxen sowieso schon sind. Sollen die Mediziner nun auch noch beurteilen, ob jemand zu 25, 50 oder 75 Prozent arbeitsunfähig ist? Neu ist die Idee übrigens nicht. So hatte sie 2015 der Sachverständigenrat Gesundheit geäußert – mit der Begründung, so könne man die Krankengeldausgaben senken. Vom Gesundwerden war da nicht die Rede. Genau darum muss es doch aber in erster Linie gehen", unterstreicht die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.
Die FULDAER ZEITUNG spricht von einem Fehler im Systen, das belege der hohe Krankenstand in Deutschland: "Krankenkassen und Arbeitgeber berichten von einem Höchstwert an Fehltagen: Auf 100 erwerbstätige AOK-Versicherte kamen im vergangenen Jahr 225 Krankmeldungen – Tendenz steigend. Zeigt sich auch hier, dass wir der 'kranke Mann' Europas sind, der gerne bemüht wird, wenn es um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes geht? Zumindest gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Krankenstand und Produktivität, denn die vielen Fehltage belasten zunehmend auch die Unternehmen, wie Arbeitgeber immer wieder beklagen. Eines allerdings muss auch der Ärztepräsident wissen: Letztlich liegt es immer am Arzt, verantwortungsvoll mit den gelben Zetteln umzugehen." Das war die FULDAER ZEITUNG.
Schweden habe mit Teilzeit-Krankschreibungen gute Erfahrungen gemacht, betont ZEIT ONLINE: "So ging die Zahl der Krankmeldungen zurück, die Lohnfortzahlungen ebenso, was die ohnehin schon klammen Krankenkassen entlasten würde. Ein Drittel aller Krankschreibungen in Schweden sind mittlerweile Teilzeit-Bescheide. Der Deutsche Gewerkschaftsbund weist die Idee sofort als 'schlicht absurd' zurück und befürchtet, dass Angestellte sich nicht mehr auskurieren würden. Das ist voreilig und wenig differenziert. Ja, man sollte prüfen, ob sich das schwedische Modell auf Deutschland übertragen lässt oder sogar zu mehr Krankmeldungen führt. Doch das geht nur, wenn man die Option testet – genau das sollten Unternehmen nun tun", empfiehlt ZEIT ONLINE zum Ende der Presseschau.
