
Die WELT analysiert: "In rascher Folge wurden neue Strafverfahren eröffnet: wegen Korruptionsvorwürfen oder wegen Unterstützung einer Terrororganisation – so glaubhaft wie der Ruf 'Haltet den Dieb!' aus dem Mund eines Einbrechers. Eine Art Projektionsleistung ist auch die Sache mit dem Universitätsdiplom: Wenige Stunden vor Imamoglus Festnahme erkannte die Universität Istanbul ihm sein BWL-Diplom ab, weil er während des Studiums regelwidrig das Fach gewechselt habe. Laut der Verfassung können nur Hochschulabsolventen als Präsidentschaftskandidaten zugelassen werden. Allerdings konnte Erdogan die Zweifel, ob er selbst diese Anforderung erfüllt, nie glaubhaft ausräumen. Doch welche Tricks er anwenden mag und egal, ob Imamoglu wieder auf freien Fuß oder in Untersuchungshaft kommt: Die Heftigkeit, mit der das Regime ihn bekämpft, könnte ihm am Ende nützen", ist in der WELT zu lesen.
"Die Machthaber um Erdogan haben Angst – sie fürchten die eigene Bevölkerung", vermutet die AUGSBURGER ALLGEMEINE. "Das beweisen nicht nur die Festnahmen, sondern auch das viertägige Demonstrationsverbot, die weitläufigen Straßensperren im Zentrum Istanbuls sowie die Abschaltungen von Online-Plattformen. Der Türkei drohen – mal wieder – stürmische Zeiten."
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER stellt fest: "Erdogan hat Angst vor seinem mächtigsten Gegner. Und dazu hat der türkische Präsident auch allen Grund. Bei den vergangenen Wahlen hat er viele wichtige, finanziell starke Städte an die Opposition verloren, im Südosten der Türkei vor allem an die kurdische Dem-Partei. Auch dort werden gewählte Bürgermeister unter fadenscheinigsten, geheimen Vorwürfen verhaftet, abgesetzt und durch regierungstreue Zwangsverwalter ersetzt. Jetzt also der beliebte Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu, ohne Frage Erdogans gefährlichster politischer Konkurrent – der in wenigen Tagen zum Präsidentschaftskandidaten der sozialdemokratischen CHP für die nächste reguläre Wahl im Jahr 2028 gekürt werden sollte", notiert der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg hält die öffentliche Kritik von deutschen Politikern an Erdogan für falsch: "Was Deutschland benötigt, ist eine Rückkehr zur Diplomatie. Die findet hinter verschlossenen Türen statt, was natürlich jemandem, der einem Mikrofon nur ungern aus dem Weg geht, sehr schwerfällt. Doch gerade im Fall des NATO-Partners Türkei bieten sich Möglichkeiten, sanften Druck auszuüben – auch auf wirtschaftlicher Ebene. Taktik statt Floskeln sind gefragt."
Der Berliner TAGESSPIEGEL findet, dass sich Europa und Deutschland schwer tun, den Druck auf Erdogan zu erhöhen: "Er ist NATO-Partner, und zwar an der bedeutenden Schnittstelle zwischen Orient und Okzident. Deswegen bleiben wirklich harte politische und wirtschaftliche Maßnahmen gegen die Regierung in Ankara immer wieder aus. Aber auf Dauer sind seine Provokationen zu gefährlich, um sie mehr oder weniger hinzunehmen. Hier geht es nämlich auch um die Verteidigung von Werten, westlichen Werten, gerade im Angesicht ihrer Gefährdung. Alles das verdichtet sich jetzt zu einem entscheidenden Moment für die Zukunft der türkischen Demokratie. Da darf die Opposition nicht allein gelassen werden", verlangt der TAGESSPIEGEL.
"Druck von außen hat auch früher kaum etwas bewirkt", schreibt hingegen die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Der Machtkampf zwischen Erdogan und Imamoglu kann nur von den Türken selbst entschieden werden. So ungleich das Ringen ist: Die türkische Opposition hat auch nach vielen Jahren massiver Repression ihre selbsterneuernde Kraft bewahrt. Die Ausschaltung Imamoglus versetzt ihr einen herben Schlag, da er bislang der Einzige war, der es an Charisma und Aura mit dem alten Herrscher aufnehmen konnte. Doch in Wirtschaft und Gesellschaft brodelt es. Die Wut auf Autokratie und Vetternwirtschaft lässt sich nicht hinter Gefängnismauern einsperren. Die letzte Schlacht ist für die türkische Opposition noch nicht geschlagen." So weit die F.A.Z.
US-Präsident Trump hat erst mit Russlands Staatschef Putin telefoniert und anschließend den ukrainischen Präsident Selenskyj informiert - dabei ging es um Forderungen beider Seiten für ein Friedensabkommen. Die Wochenzeitung DER FREITAG erläutert: "Erste vorsichtige Schritte haben einen Verhandlungsprozess eröffnet. Je ergebnisträchtiger der ausfällt, desto unumkehrbarer kann er sein. Russland will für 30 Tage die Angriffe auf die ukrainische Energie-Infrastruktur einstellen, wenn es der Gegner bei der russischen genauso hält. Über Deeskalation im Schwarzen Meer wie an den Fronten im Osten und Süden der Ukraine wird ebenfalls sondiert. Vom Getreideabkommen 2022 einmal abgesehen, scheint der Totalausfall von Diplomatie ausgestanden zu sein", folgert DER FREITAG.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht Trump nun unter Druck: "Plötzlich ist er also Teil eines Spiels, das er auch verlieren kann. Und verlieren mag er nicht, dieser Präsident. Trump wird feststellen, dass er für die von Putin genannten Bedingungen einen zu hohen Preis entrichten muss. Der US-Präsident wollte als neutraler Muskelmann Waffenstillstandsverhandlungen dirigieren – die russischen Dogmen lassen das aber nicht zu. Trump begäbe sich in eine stärkere Verhandlungsposition, wenn er auch den russischen Durchhaltewillen testen würde", schätzt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"Trump ist mit einem ersten Versuch eines Friedensdeals gescheitert", ist in der RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz zu lesen: "Für Europa heißt das: Die Unterstützung der Ukraine darf nicht nachlassen. Es ist gut, dass die noch amtierende Bundesregierung nun weitere Milliarden freigibt. Weder finanziell noch militärisch noch humanitär darf Europa seine Hilfe für das von Russland angegriffene Land schmälern. Ungeachtet möglicher Gespräche und Vereinbarungen zwischen Washington und Moskau muss gelten, dass die EU so geschlossen es geht an der Seite von Kiew steht", fordert die RHEIN-ZEITUNG.
Die Bundesregierung will Außenministerin Baerbock für den Vorsitz der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorschlagen. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG schreibt dazu: "Es hinterlässt immer einen unguten Eindruck, sich nach einer verlorenen Wahl die Rosinen herauszupicken. Eine solche ist das angestrebte Amt in New York nämlich: befristet auf ein Jahr, gut dotiert und mit eher repräsentativen Aufgaben – deutlich mehr Glanz zumindest als mühselige Sacharbeit auf der Oppositionsbank. Als weiterer Karriereschritt für eine Zukunft in der Außenpolitik mag diese Entscheidung sinnvoll sein – das politische Signal, das Baerbock damit sendet, gereicht ihr aber nicht zur Ehre", urteilt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg meint: "Die scheidende Ministerin soll anstelle der deutschen Diplomatin Helga Schmid Chefin der UNO-Vollversammlung werden. Das stößt in der deutschen Politik auf schmale Zustimmung und breite Ablehnung. Frau Baerbock hat sich offensichtlich in einen Fettnapf gesetzt, der groß ist wie ein Swimmingpool."
Abschließend die TAZ: "Mag sein, dass die Familie als etwas fadenscheinige Exit-Strategie nach dem verlorenen Kampf um den Fraktionsvorsitz der Grünen herhalten musste. Mag auch sein, wie einige Stimmen behaupten, dass es mit der ehemaligen OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid eine bessere, erfahrenere Kandidatin gab. Dennoch ist es ganz erstaunlich, wie sehr sich Baerbock auch als Frau verteidigen muss, dass sie so forsch ihre weitere Karriere organisiert hat. Dass Baerbocks Verhalten als 'unweiblich' markiert wird, lässt tatsächlich eine Notwendigkeit für mehr feministische (Außen-)Politik erkennen. Falls jemand mit der Idee noch etwas anfangen kann".
