14. Juli 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Ein Thema der Kommentare ist die Krise der schwarz-roten Koalition nach der zunächst gescheiterten Wahl neuer Verfassungsrichter. Außerdem geht es um die von US-Präsident Trump angekündigten Zölle auf Importe aus der EU.

Jens Spahn (CDU), Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag, verlässt in der Sitzungsunterbrechung den Plenarsaal.
Vor allem Unionsfraktionschef Jens Spahn steht nach der geplatzten Abstimmung nicht gut da. (dpa / picture alliance / Katharina Kausche)
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) schreibt zur Koalition: "War es das jetzt schon? Durchzieht ein erster Haarriss das Fundament der Stabilitätskoalition? Hat die Öffentlichkeit mit der gescheiterten Richterwahl den Anfang vom schwarz-roten Ende erlebt? Für gewöhnlich wären solche Fragen nach nicht mal drei Monaten im Amt völlig übertrieben. Doch bringt die spektakulär vergurkte Routineübung einmal mehr ans Licht, wie fremd sich Christ- und Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren geworden sind. Beiden, sowohl der Union als auch der SPD, machen die schlechten Umfragewerte und die Erfolge auf der ganz rechten und ganz linken Seite zu schaffen. Um das zu überwinden, wären Einigkeit und gemeinsame Erfolge die besten Mittel. Doch das steht den Koalitionären offenbar (noch) nicht zur Verfügung", stellt die MÄRKISCHE ODERZEITUNG fest.
"Die Koalition muss aufpassen, dass sich gegenseitiges Misstrauen und Missgunst nicht verfestigen", warnen die NÜRNBERGER NACHRICHTEN. "Im Zusammenhang mit der Berufung der Verfassungsrichter sind Worte gefallen, die von einem tiefen Graben zwischen Schwarz und Rot zeugen. Noch ist das mit gutem Willen zu reparieren, aber bei immer neuen Streitereien verfestigt sich so etwas. Ständig erzählt das Spitzenpersonal von Union und SPD, dass diese Koalition geradezu zwingend erfolgreich sein muss, um die politische Mitte bei der nächsten Wahl nicht noch weiter zu schwächen. Ihr Verhalten entspricht dieser Einsicht häufig leider nicht."
Der SÜDKURIER aus Konstanz bemerkt: "Friedrich Merz weiß, dass sein schwarz-rotes Zweckbündnis weniger von gemeinsamen Zielen als von Pragmatismus getragen wird, der von Tauschgeschäften lebt. Bisher sind die Koalitionspartner nur bei den neuen schuldenfinanzierten Investitionen eng beieinander. Schon bei der Frage einer wieder aktivierten Wehrpflicht ist man sich nicht einig. Die Problem-Kaskade setzt sich bei der Sicherung von Rente, Pflege und Gesundheitssystem fort. Wie Merz diese Stromschnellen alle meistern will, ist bisher sein Geheimnis", bemängelt der SÜDKURIER.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG heißt es: "Vielleicht ist das Beschaffen wirklich keine Stärke von Jens Spahn: In der Corona-Zeit zahlte er als Gesundheitsminister viel zu viel für Schutzmasken, stellte aber wenigstens die gewünschte Ware zur Verfügung. Jetzt als Fraktionschef der Union hat er ein Zerwürfnis mit dem Koalitionspartner SPD zu verantworten, kann diesmal aber nicht einmal etwas liefern – jedenfalls nicht die notwendigen Stimmen seiner Fraktion für die Wahl neuer Richter am Bundesverfassungsgericht. Aus dieser Kosten-Nutzen-Bilanz erwächst die Frage, ob Spahns fachliches Können so ausgeprägt ist wie sein Selbstbewusstsein. Seit Freitag ist Spahn ein Fraktionschef auf Bewährung: Wenn er im Sommer die Richterkrise nicht löst und für einen erneuerten Koalitionsfrieden sorgt, wird sich die Union einen neuen Fraktionschef suchen müssen", erwartet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die TAZ geht noch einen Schritt weiter: "Das Debakel konfrontiert uns mit einem viel grundsätzlicheren Problem, das mit einem – überfälligen – Rücktritt Spahns nicht gelöst wäre: In entscheidenden Punkten sind sich CDU und AfD viel näher als Schwarz-Rot. Sei es in der Migrationsfrage, der Sozial- und Verteilungspolitik oder eben in Sachen Grundrechte für Frauen, queere Menschen und Rassismusbetroffene. Der Vorfall bestätigte lediglich eine Entwicklung, die sich schon beim gemeinsamen Votum von AfD und CDU im Februar zeigte: dass die Brandmauer den entscheidenden politischen Riss – zwischen denen, die an einer durch das Grundgesetz geleiteten und liberalen Ordnung festhalten, und denen, die an ihr vorbeiregieren wollen – nur künstlich kaschiert." Das war die TAZ.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE befasst sich mit der Zollpolitik der USA gegenüber der Europäischen Union: "Die jüngste Zollankündigung von 30 Prozent ist mitten in die laufenden Gespräche hinein für sich schon eine Unverschämtheit. Doch selbst wenn Brüssel darauf einginge, wer glaubt denn, dass nach zwei Monaten nicht wieder die nächste Forderung aus Washington kommt, wenn es dem US-Präsidenten in den Kram passt? Die EU muss sich weiter um eine faire Einigung bemühen. In Deutschland ist der Druck, einen Abschluss zu finden, besonders hoch. Aber wenn es den derzeit nicht gibt, muss Brüssel an seinem Plan festhalten: Einigkeit nach außen und nach innen mehr Einsatz, um den Binnenmarkt zu stärken. Trumps wirtschaftspolitische Geisterfahrt schadet allen. Die Europäer sollten zumindest dafür sorgen, dass sie ihm selbst am meisten schadet", empfiehlt die AUGSBURGER ALLGEMEINE.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm erläutert: "In der preisgekrönten US-Serie 'Succession' sagt der Patriarch Logan Roy einen Satz, der aktuell auch die Gefühlswelt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beschreiben könnte: 'Ich gewinne jede Verhandlungsrunde gegen einen Boxer, aber ich weiß nicht, wie ich einen Clown k.o. schlagen kann.' Zugegeben, es ist auch nicht einfach, wenn der Clown in diesem Fall der US-Präsident ist, der mit dem angekündigten Zollsatz von 30 Prozent die schwächelnde europäische Wirtschaft zurück in die Rezession katapultieren kann. Zentral wird sein, dass sich die EU weiterhin nicht spalten lässt. Gemeinsam ist sie sehr mächtig. Das ist die Art Stärke, die auch auf den US-Präsidenten Eindruck macht", betont die SÜDWEST PRESSE.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht es so: "Ein halbes Jahr nach Trumps Rückkehr ins Weiße Haus haben Europäer und andere gelernt, ihre Verunsicherung nicht nach jeder Drohung vor sich her zu tragen. Brüssel und Berlin wissen sehr wohl, wie bitter ein neuer Basiszoll von 30 Prozent auf alle Exporte für Europas Wirtschaft wäre - aber eben auch für die amerikanische. Die Zeit bis August für Verhandlungen zu nutzen, anstatt sich in einen Krieg der Sprüche locken zu lassen, ist sinnvoll - zumal Handel nicht alles ist. Trumps neue Bereitschaft, Kiew zu unterstützen, ist nur ein zartes Pflänzchen. Für diesen Montag hat er eine 'große Mitteilung zu Russland' annonciert, vor der manche in Europa bangen mögen. Sicher ist nur: Auch auf diesen Montag folgt ein Dienstag. Mit Trump muss Europa noch dreieinhalb Jahre zurechtkommen", hebt die F.A.Z. hervor.
Und die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster finden: "Sollte es in den Zollgesprächen bis zum 1. August zu keiner Einigung mit den USA kommen, müssen die Europäer konsequent handeln und massive Gegenmaßnahmen ergreifen – mit hohen Zöllen auf amerikanische Waren und spürbare Abgaben zulasten der US-Tech-Riesen. In den USA muss möglichst schnell spürbar werden, dass der Kurs des Präsidenten im Land großen Schaden anrichtet. Dann ist vermutlich mit Gegenwehr zu rechnen."
Thema in der FRANKFURTER RUNDSCHAU ist ein Abkommen zwischen Frankreich und Neukaledonien, das eine faktische Unabhängigkeit der Inselgruppe im Südpazifik vorsieht: "Emmanuel Macron ist immer für eine Überraschung gut, zeigt immer wieder, warum er als Präsident nicht falsch ist. Sein neuester Coup? Neukaledonien. Die Inseln fernab im Pazifik sind ein Überbleibsel des einstigen französischen Kolonialreichs, aus jener Epoche des 18. bis 20. Jahrhunderts, die eigentlich längst überwunden gehört. Macron hat jetzt - nach den Versuchen des Ausgleichs mit Algerien zu Beginn seiner Präsidentschaft beispielsweise - einen weiteren Schritt dazu getan, indem er Neukaledonien die faktische Unabhängigkeit gibt. Ja, Frankreich will auf die dortigen Ressourcen zurückgreifen können und will auch dort ein Bollwerk gegen China. Aber was wäre die Alternative? China beutet die Ressourcen aus und degradiert die Inselgruppe zu seiner Kolonie. Die europäische Karte ist und bleibt die bessere."