08. August 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Juristin Brosius-Gersdorf kandidiert nicht länger für das Amt der Verfassungsrichterin. Es ist eines der meistkommentierten Themen in den Zeitungen. Außerdem blicken die Redaktionen auf den Rückzug von Sachsen-Anhalts Regierungschef Haseloff und die Ankündigung eines Treffens der Präsidenten Trump und Putin.

Juristin Frauke Brosius-Gersdorf in der Bundespressekonferenz.
Juristin Frauke Brosius-Gersdorf in der Bundespressekonferenz. (picture alliance / Frederic Kern / Geisler-Fotopress)
Zunächst zur Personalie Brosius-Gersdorf, zu der die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt: "Damit findet ein Schauspiel ein Ende, in dem sie sich wiederfand, seit die Union ihrer Wahl zur Richterin zunächst zustimmte, um sie dann abzulehnen. In der Erklärung ihres Rückzugs geht allerdings auch bei Brosius-Gersdorf einiges durcheinander. So findet sie, ihre Nichtwahl aufgrund des Satzes, die Menschenwürdegarantie gelte erst ab Geburt, sanktioniere - also bestrafe - die Wissenschaftsfreiheit. Ähnlich verstiegen ist die Behauptung, Journalisten dieser Zeitung hätten eine ehrabschneidende Kampagne gegen sie geführt. Wer sich auf seine eigene Rationalität und Wissenschaft so viel zugutehält, sollte selbst in einer schwierigen Situation nicht blind um sich schlagen", kritisiert die F.A.Z.
"Zu diesem Streit hätte es nie kommen dürfen", meint die KÖLNISCHE RUNDSCHAU: "Brosius-Gersdorf hatte sich schon zu Zeiten der Ampel-Koalition im Zusammenhang mit dem damaligen Vorhaben, den bisherigen Paragrafen 218 zu kippen, in einer Weise exponiert, die für viele Unionsleute schwer erträglich war. Wenn die SPD die Potsdamer Professorin trotzdem - oder gerade deshalb - vorschlagen wollte, war das nicht klug. Fraktionschef Spahns Aufgabe wäre es aber gewesen, früh, während der vertraulichen Vorabklärung, Stopp zu sagen. Das hat er versäumt, und Kanzler Merz hat seine Parteifreunde erst recht provoziert, als er die Frage, ob er Brosius-Gersdorf mitwählen würde, ohne jede Einordnung platt bejahte", erläutert die KÖLNISCHE RUNDSCHAU ihre Sichtweise.
Nach Einschätzung der TAZ geht der Rückzug von Brosius-Gersdorf für das Amt der Verfassungsrichterin auf das Konto einer rechten Hetzkampagne: "Und der Nährboden für diese Stimmungsmache lag nirgends sonst als in der Unionsfraktion. Mutwillig verbreiteten CDU- und CSU-Abgeordnete die haltlosen Diffamierungen Brosius-Gersdorfs und verhalfen so den selbsterkorenen 'Lebensschützern', den kirchlichen Fundamentalisten und illiberalen Kräften zu einem Erfolg im Parlament. Es ist die Stunde der Antifeministen, und sie haben Blut geleckt. Die Potsdamer Rechtsprofessorin hat sich entschieden, ihren Kopf nicht mehr für die unerbittliche Kampagne der organisierten Abtreibungsgegner hinzuhalten. Das ist so bitter wie nachvollziehbar", stellt die TAZ fest.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist von einem "politische und gesellschaftlichen Totalausfall" die Rede: "Frauke Brosius-Gersdorf ist Opfer geworden einer beispiellosen Hetzkampagne, wie man sie mit diesen konkreten politischen Folgen in Deutschland wohl bisher nicht erlebt hat. Rechtspopulistische Medien und Aktivisten haben es in einer gemeinsamen Desinformationskampagne geschafft, das Zerrbild einer linksradikalen Juristin zu schaffen, die zu extreme Thesen vertrete für das höchste deutsche Gericht. Dass diese Darstellung nichts gemein hatte mit der Realität, ist in den vergangenen Wochen umfassend beschrieben worden", hebt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hervor.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm analysiert, "dass es vor allem die katholische Kirche war, die in der Union darum warb, Brosius-Gersdorf nicht zu wählen". "Das ignorierten die Sozialdemokraten, wohl auch um den Koalitionspartner in die rechte Ecke stellen zu können. Dass der schwarz-rote Scherbenhaufen noch größer wird, das hat Brosius-Gersdorf mit ihrem Rückzug verhindert. Doch dürfte der Schaden auch so groß genug sein. Schon vorher gab es viele Abgeordnete in der SPD-Fraktion, für die eine Zusammenarbeit mit der Union von Spahn, Kanzler Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder eine gigantische Zumutung darstellt. Und auch in der Unionsfraktion glauben viele nicht, mit den in vielen Wahlen massiv geschwächten und durch und durch verunsicherten Sozialdemokraten eine Koalition führen zu können. Was das Bündnis zusammenhält, sind derzeit ihre Spitzen, Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil. Auf sie kommt es nun an, dass die Risse der vergurkten Richterwahl nicht das Fundament der gesamten Koalition sprengen", warnt die SÜDWEST PRESSE.
Die PASSAUER NEUE PRESSE kommt zu folgendem Schluss: "Der Fehler der Unionsführung war, die Stimmung im eigenen Lager falsch eingeschätzt zu haben. Was bleibt, sind deshalb nicht Zweifel an der fachlichen Eignung von Brosius-Gersdorf fürs Richteramt, sondern Zweifel an der Eignung Spahns als Fraktionschef. Und die Sorge, dass der Fall nur ein Vorgeschmack war auf weitere Selbstblockaden der Koalition, in denen die Akteure im Zweifel weniger Verantwortungsbewusstsein zeigen, als es Brosius-Gersdorf getan hat", kommentiert die PASSAUER NEUE PRESSE.
Zu einer weiteren Personalie positioniert sich die NÜRNBERGER ZEITUNG. Es geht um den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Haseloff: "Jetzt wird es extrem schwierig für die CDU im Osten Deutschlands: Haseloff, ihr bekanntestes Gesicht, tritt im nächsten Jahr nicht mehr an. Das ist ein tiefer Einschnitt. Mit bis dahin 15 Jahren wird er der dienstälteste Regierungschef eines Bundeslandes gewesen sein. So lange immer wieder im Amt bestätigt zu werden, das ist alleine schon eine Leistung. Vor allem aber war der 71-Jährige stets ein christdemokratischer Fels in der Brandung. Er hielt bei den jüngsten Wahlen vor vier Jahren die AfD quasi im Alleingang auf Abstand. Das muss ihm im Osten der Republik erst mal jemand nachmachen", unterstreicht die NÜRNBERGER ZEITUNG.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle blickt auf Haseloffs Nachfolgekandidaten Sven Schulze: "Er tritt in übergroße Fußstapfen. Und es ist möglich, dass er dafür verantwortlich sein wird, wenn seine CDU bei der Landtagswahl 2026 nach dann 24 Jahren die Macht verliert – und mit der AfD erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine rechtsextreme Partei eine deutsche Regierung übernimmt. Für Schulze persönlich bedeutet das eine maximale politische Fallhöhe. Bei einem Sieg rückt er an die Spitze der Landespolitik und erhält auch eine enorme bundespolitische Bedeutung. Geht diese Wahl für die CDU verloren, dann ist die politische Karriere des 46-Jährigen vorbei. Man darf gespannt sein, wie er mit diesem ungeheuren Druck umgeht", notiert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz legt Haseloff einen sofortigen Rücktritt nahe - mit folgender Begründung: "Es ist ihm nicht zu verdenken, dass er sich 2026 nach rund 15 Jahren als Ministerpräsident zur Ruhe setzen will. Er sollte sein Amt aber jetzt schon übergeben, damit Sven Schulze mit einem Amtsbonus in den Wahlkampf starten kann. Haseloff lehnt das ab, weil er Wort halten und für die volle Legislatur zur Verfügung stehen will. Damit wählt er aber die falsche Priorität. Er sollte den Weg jetzt freimachen", empfiehlt die RHEIN-ZEITUNG.
Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg reagiert auf das angestrebte Treffen von US-Präsident Trump mit dem russischen Machthaber Putin: "Jetzt also mal wieder spektakuläre Ankündigungen: 'Großartige Fortschritte' in den Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Putin, heißt es aus dem Weißen Haus, ein Gipfeltreffen soll es gar gaben und das in den nächsten Tagen. Natürlich weckt eine solche Nachricht Hoffnungen: Selbst wenn das Spitzengespräch erstmal 'nur' so etwas wie ein Ende der gegenseitigen Luftangriffe brächte, wäre das besser als alles andere bisher. Und zugleich ist das Misstrauen groß: Wegen Putin sowieso, aber eben auch wegen Trump. Nicht ausgeschlossen nämlich, dass das Ganze mal wieder ein Ablenkungsmanöver ist: Schließlich naht das Ende der von ihm gesetzten Frist für ein Einlenken Putins. Trump müsste also Ernst machen mit den angedrohten Sanktionen", betont die VOLKSSTIMME.
Und die FRANKFURTER NEUE PRESSE fragt: "Warum sollte der eiskalte Stratege Putin einen US-Präsidenten ernst nehmen, der erratisch hin- und herspringt? Mal kanzelt er den ukrainischen ab, dann unterstützt er ihn wieder. Mal scheint er Russland gewogen, dann schickt er Atom-U-Boote dorthin. Es wäre ein Wunder, wenn das in einen durchdachten Friedensplan mündet. Wahrscheinlicher ist daher, dass Putin Trump erneut einwickelt und das Aufschieben von Sanktionen erreicht. Noch schlimmer wäre aber ein Diktatfrieden zulasten der Ukraine." Mit diesem Zitat aus der FRANKFURTER NEUEN PRESSE endet diese Presseschau.