03. September 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

In den Zeitungen geht es um den Koalitionsausschuss von Union und SPD, der heute zusammenkommt und vor allem über die geplanten Sozialreformen reden will. Zweites Thema ist die Indien-Reise von Außenminister Wadephul.

Zwei Jogger laufenam Bundeskanzleramt in Berlin-Mitte vorbei.
Im Kanzleramt findet heute der Koalitionsausschuss statt - auch das ein Thema in den Zeitungskommentaren. (picture alliance / dpa / Fabian Sommer)
"Die politische Sommerpause endet mit einer weiteren Ernüchterung", schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU zum ersten Thema. "Die Regierungskoalition startet in den von Kanzler Friedrich Merz ausgerufenen Herbst der Reformen mit größeren Problemen als vor der Parlamentspause. Die inhaltlichen Differenzen sind groß und am größten sind sie dort, wo die Reformen ansetzen müssen: bei den Kosten für Pflege, Rente, Gesundheit und wie sie noch finanziert werden sollen. Doch statt in einer zugegebenermaßen schwierigen Ausgangslage auszuloten, was geht, wirken die beiden Koalitionäre wie bockbeinige Kinder, die mit dem Fuß aufstampfen und recht behalten wollen." Sie hörten die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die DITHMARSCHER LANDESZEITUNG aus Heide zitiert die Arbeitsministerin und SPD-Vorsitzende im Wortlaut: "Bullshit. Mit diesem nicht salonfähigen Begriff hat Bas die Debatte über die Bezahlbarkeit des Sozialstaats bezeichnet – Adressat war unverkennbar der Bundeskanzler als Initiator der Diskussion. So müsse man wohl vor Jusos sprechen, versuchte Merz zu deeskalieren. Das Wort steht jedoch im Raum und damit durchaus konträre Ansichten der Koalitionspartner zu einem Politikfeld, bei dem es ans Eingemachte geht – um Belange zahlreicher Bürger und den Markenkern von Christ- und Sozialdemokraten."
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER findet, Bundeskanzler Merz drücke zurecht aufs Reformtempo: "Die SPD aber bremst. Sie setzt damit ihre eigene Zukunft aufs Spiel. Und die des Landes. Eine ausufernde Sozialbürokratie, die jeden versorgen will, der in Not geraten ist, ob unverschuldet oder nicht, muss man sich leisten können. Deutschland kann das nicht mehr – angesichts der Dauerrezession und einer Wirtschaft, die den Anschluss zu verlieren droht; der Bedrohung durch Russland; einer Arbeitslosigkeit, die trotz Fachkräftemangels auf über drei Millionen geklettert ist; der ökologischen Herausforderungen; der starken Einwanderung und des demografischen Wandels", listet der KÖLNER STADT-ANZEIGER auf.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG klingt kaum weniger kritisch: "Die SPD wird, indem sie 'neues Denken' sagt, aber alte Hüte meint (Steuererhöhungen), nicht die starke Kraft werden, die Merz aus der Vergangenheit kennt. Die SPD tut so, als wolle die Union 'die soziale Sicherung streichen', wie Arbeitsministerin Bas sagte. Das sind maßlose Übertreibungen aus den Zeiten der antineoliberalen Reaktion des linken SPD-Flügels, die zum sektiererischen Abstieg der SPD beigetragen haben. Eine große Reform des Sozialstaats, wie sie sich die Union wünscht, wird so nicht kommen", urteilt die F.A.Z.
Das Magazin CICERO wiederum kritisiert Bundeskanzler Merz: "Der CDU-Chef hält es nicht einmal für nötig, Frau Bas und Genossen ordentlich den Marsch zu blasen. Und sei es nur, um den Eindruck zu vermeiden, er würde sich von der SPD auf der Nase herumtanzen lassen. Womit sich selbstredend die Frage stellt, warum Merz nicht in die Gegenoffensive geht – und seinen Platz als Platzhirsch (zumindest auf dem Papier) behauptet? Denn Führungsstärke sieht wirklich anders aus, finden nicht nur Wähler der Union."
DIE ZEIT hält Reformen in den Bereichen Rente, Gesundheit und Pflege für besonders wichtig: "Die Systeme gelten schon lange als teuer und nicht zukunftsfest: Immer weniger Beitragszahlerinnen müssen für immer mehr Leistungsempfänger aufkommen. Doch ausgerechnet bei diesen zentralen Themen ist die Koalition auffällig zurückhaltend – und schiebt die Verantwortung zunächst an Kommissionen ab. Diese sollen Empfehlungen entwickeln, die dann die Grundlage für ein mögliches Gesetzgebungsverfahren bilden können. Doch bis es so weit ist, dauert es lange: Bei der Pflege sollen Ende des Jahres Empfehlungen vorliegen, bei der Krankenversicherung im kommenden Jahr, bei der Rente ebenfalls. Aus dem versprochenen Herbst der Reformen wird so ein Herbst der Kommissionen", befürchtet DIE ZEIT.
"Viel ist in diesen Tagen die Rede von Leistung", lesen wir in der SCHWÄBISCHEN ZEITUNG: "Die Arbeitsleistungen sollen steigen, die Sozialleistungen sinken. Dahinter stecken oft richtige Gedanken. Die damit verbundene Rhetorik und Pauschalisierung, nicht zuletzt von Politikern, vergiftet jedoch das gesellschaftliche Klima. Sie diskreditiert und stigmatisiert Menschen in Not; ob Alte, Arme, Alleinerziehende oder Kinder. Politiker beinahe jeder Couleur sprechen gerne von Maß und Mitte. Das ist ein Versprechen, das sie aber auch halten sollten, in Worten und in Taten", betont die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg.
Bundesaußenminister Wadephul hält sich gerade zu seinem Antrittsbesuch in Indien auf. Aus Sicht der SÜDWEST PRESSE aus Ulm ist es ... "... sicher kein Zufall, dass Wadephul seinen Besuch nicht in der Hauptstadt Neu-Delhi begann. Zuerst besuchte er zusammen mit einer Wirtschaftsdelegation die Hightech-Metropole Bengaluru. Dort schlägt das dynamische Herz der Wachstumsbranchen, dort gibt es gut ausgebildete Fachkräfte für Informations- und Biotechnologie, Luftfahrt und Elektronik. Wenn die gebeutelte deutsche Wirtschaft den Anschluss nicht verlieren will, dann kann sie dort genau die Fachleute finden, die Deutschland dringend braucht. Nachdem die deutsche Außenpolitik mit dem Ende der Ära Baerbock den erhobenen moralischen Zeigefinger wieder eingezogen hat, bietet sich der Subkontinent geradezu idealtypisch als Verbündeter an", zeigt sich die SÜDWEST PRESSE überzeugt.
Nach Ansicht der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG tun sich Staaten wie Indien allerdings mitunter schwer, Deutschland zu verstehen. Der Grund: "Warum predigt es Moral, was den Ukraine-Krieg angeht, unterstützt aber die israelische Regierung bei ihrem brutalen Krieg in Gaza? Warum baute es eine Gas-Pipeline aus Russland, vor der die halbe Welt warnte, und erklärte später der indischen Regierung, dass man mit Moskau keine Geschäfte mehr machen dürfe?"
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER ist der Überzeugung, Deutschland müsse Indien auf Augenhöhe begegnen: "Dazu gehört die Anerkennung Indiens als regionale Macht, die ihre Souveränität behauptet. Die zwar strategische Partnerschaften eingeht, aber sich nicht dauerhaft bindet an einen der beiden wieder erstarkenden Blöcke: weder an China und Russland noch an USA und Europa. Und die für den globalen Süden eine gleichberechtigte Position in der globalen Ordnung fordert. Konkret heißt das: Wenn Außenminister Wadephul mit Indien ins Geschäft kommen will, dann muss er Gegenleistungen anbieten – etwa Investitionen in digitale Infrastruktur, grüne Energie oder nachhaltige Mobilität. Und er muss Respekt zeigen: Sogar wenn Indien sich unter Premierminister Modi zunehmend von einer Demokratie zu einer Autokratie entwickelt", gibt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER zu bedenken.
Und zum Schluss noch ein Blick in die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder). Das Blatt befasst sich mit Äußerungen von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zu Plänen für eine multinationale Friedenstruppe für die Ukraine: "Zunächst einmal ist die Präsidentin nicht zuständig. Das hat ihr gerade der deutsche Verteidigungsminister nochmal verdeutlicht. Darüber hinaus sind ein Waffenstillstand und gar ein Friedensabkommen keinesfalls in Sicht. Stattdessen lässt Putin offenbar mal wieder zur großen Offensive blasen und dementiert die Bereitschaft, sich mit Selenskyj zu treffen. Vor allem aber: Glaubt wirklich jemand, dass der Kreml-Diktator ein Friedensabkommen unterzeichnet, in dem steht, dass europäische und zu einem erheblichen Teil dann auch NATO-Truppen die Einhaltung des fiktiven Abkommens absichern sollen? Ebenso gut könnte man die freiwillige Rückgabe der Krim oder die Einführung der Demokratie in Russland von Putin erwarten." Das war zum Abschluss der Presseschau ein Blick in die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.