29. September 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Bundesinnenminister Dobrindt ist die zentrale Figur in gleich zwei Kommentarthemen, die von vielen Zeitungen aufgegriffen werden: Bei der Abwehr von Drohnen und bei der Abschiebung nach Afghanistan. Außerdem beteiligen sich einige Blätter an der Sozialpolitik-Debatte.

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister, spricht im Bundestag während der Debatte in der Haushaltswoche für den Bundeshaushalt für 2026.
Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) (Michael Kappeler/dpa)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt zur Drohnenabwehr, man könne Dobrindt nicht widersprechen: "Es wäre tatsächlich ein 'echter Meilenstein für unsere Sicherheitsarchitektur', wenn die Bundeswehr der Polizei künftig Amtshilfe bei der Abwehr von Drohnen leisten dürfte - und das im Luftsicherheitsgesetz juristisch wasserdicht festgeschrieben würde. Aber um Putins Drohnenarmeen Einhalt zu gebieten, braucht es weniger Meilensteine als Siebenmeilenstiefel. Die Bundesregierung hätte viel früher reagieren müssen, die Gesetzesänderung ist überfällig. Die typisch deutsche Debatte darüber, unter welchen Voraussetzungen der Abschuss einer Drohne erlaubt und sinnvoll ist, hilft wenig, wenn die Fähigkeiten dafür fehlen oder man mit Kanonen auf Spatzen schießen muss. Und Kompetenzen, die noch kaum vorhanden sind, werden nicht dadurch mehr, dass sie in einem 'Kompetenz-Zentrum' gebündelt werden, wie Dobrindt dies angekündigt hat", kritisiert die F.A.Z.
Auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht eine "konkrete Bedrohung" und titelt: "Was Deutschland nicht kann". "Der Befund bleibt ernüchternd: Seit Jahren hört man aus Politik und Streitkräften, dass Deutschland auf diesem Gebiet besser aufgestellt sein müsse. Passiert ist wenig. Während die Worte schnell gefunden sind, kommen die Taten nur sehr langsam hinterher. Die vergangenen Wochen haben unmissverständlich gezeigt, dass die Zeit des Redens vorbei ist. Wer die Drohnenabwehr zur sicherheitspolitischen Priorität erklärt, muss liefern – mit Investitionen, Strukturen und Fähigkeiten, die im Ernstfall bestehen können. Alles andere bleibt Symbolik", analysiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Der MÜNCHNER MERKUR listet auf, was nach seiner Ansicht sofort angeschafft werden müsste: "Es braucht eine Einheit, die schnell und günstig - also im Regelfall mit Störsendern oder Abfangdrohnen, nicht mit Projektilen - Drohnen im Inland stoppt. Dass die Politik jetzt in Bewegung kommt, ist gut – aber viel zu spät. Das Problem ist seit Jahren bekannt, seine Dimension müsste spätestens mit dem russischen Drohnenkrieg in der Ukraine auch jedem Laien dämmern. Über den Regierungswechsel in Berlin gingen die rot-grünen Pläne zu Gesetzesänderungen verloren, werden jetzt rausgekramt. Wir haben Jahre vertrödelt. Das Drohnen-Problem ist ein Symbol dafür, wie die verkrustete Bürokratie und eine zu langsame Politik in Zeiten sich schnell entwickelnder Technologie zum Wohlstands- und Sicherheitsrisiko werden können", hebt der MÜNCHNER MERKUR hervor.
Bundesinnenminister Dobrindt lässt für sein Haus mit den militant-islamistischen Taliban in Afghanistan über Abschiebungen verhandeln. "Pragmatismus oder Moral?" fragt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Eigentlich gilt: Mit Terroristen wird nicht verhandelt, also auch nicht mit den Taliban. Beamte des Innenministeriums reisen aber trotzdem nach Kabul, um mit den Machthabern zu verhandeln. Das Ziel: Dobrindt will Straftäter und Gefährder aus Afghanistan abschieben. Die meisten Afghanen, die kommen, haben ein Recht zu bleiben. Dass man Gefährder und Unterstützer der Terrorregimes loswerden will, ist verständlich und richtig. Aber wie hoch darf der moralische Preis sein? Die Taliban werden sich bedanken, wenn wir ihnen potenzielle Kämpfer vor die Haustür karren. Und in anderen Ländern wird man mit Interesse registrieren, dass Deutschland offenbar doch mit Terroristen verhandelt", betont die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Das STRAUBINGER TAGBLATT mahnt eine sachliche Diskussion bei diesem Thema an: "Wer Menschen nach Kabul abschieben will, egal ob es um Kriminelle oder abgelehnte Asylbewerber geht, wird zwangsläufig mit den Taliban Kontakt aufnehmen müssen. Die eigentliche Frage lautet: Wie können menschenrechtliche Standards, Sicherheit und internationale Verpflichtungen in einer Situation gewahrt werden, in der sich die Verhältnisse außerhalb demokratischer Kontrolle bewegen? Eben deshalb braucht es offenen Diskurs, außenpolitische Ehrlichkeit und rechtliche Sorgfalt statt symbolischer Empörung oder der Ausblendung der Realität", empfiehlt das STRAUBINGER TAGBLATT.
"Man kann Dobrindt für seine Vorhaben durchaus kritisieren", räumt die SAARBRÜCKER ZEITUNG ein: "Aber wahr ist auch: In der Innen- und Migrationspolitik hat die Union die Deutungshoheit ein stückweit zurückgewinnen können. Nicht ganz richtig ist zwar, was der Kanzler der AfD im Bundestag entgegenhielt, dass sie das Thema verloren habe. Dafür gibt es gerade mit Blick auf das europäische Asylsystem und der Lage mancher Kommunen noch zu viele Baustellen. Aber ganz falsch ist es auch nicht. Und der umtriebige Dobrindt hat seinen Teil dazu beigetragen", bilanziert die SAARBRÜCKER ZEITUNG.
Zur Sozialpolitik: "Es kann so nicht mehr weitergehen", pflichtet die PASSAUER NEUE PRESSE Bundeskanzler Merz bei und stellt fest: "Natürlich ist jetzt die Zeit, darüber zu sprechen, was wir uns noch leisten können an Absicherung. Den Pflegegrad 1 abzuschaffen, würde bedeuten, etwa 860.000 Rentner abzustrafen – um im Gegenzug nicht einmal zwei Milliarden Euro einzusparen. Der Weg müsste doch ein ganz anderer sein. Der Staat müsste private Versorgung sogar mehr fördern, etwa wenn Verwandte jene Leistungen übernehmen, die heute staatlich subventioniert werden, zum Beispiel die Einkäufe zu erledigen oder zu putzen. Wer Alte und Kranke in einer Gesellschaft versorgt, dem sollten wir danken, vielleicht sogar auch finanziell. 131 Euro sind es im Monat, die derzeit für die Senioren mit Pflegegrad 1 von der Pflegekasse gezahlt werden. Vielleicht sollten wir sogar mehr Geld in die Finanzierung von Strukturen stecken, die Senioren für ein würdevolles Leben behilflich sind", schlägt die PASSAUER NEUE PRESSE vor.
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz richtet den Blick auf die Krankenversicherungen: "Man sollte die Debatte über Eigenverantwortung vom Kopf auf die Füße stellen. Sie kann auch solidarisch organisiert werden. Zu mehr Verantwortung sind vor allem die aufgerufen, die auch mehr leisten können. Eigenverantwortung ist kein Programm zur Schonung größerer Vermögen. Im Gegenteil. Die Instrumente liegen alle auf dem Tisch. Warum gibt es Beitragsbemessungsgrenzen, warum eine Trennung in gesetzliche und private Versicherung, warum zahlen Beamte nicht selbst in die GKV ein? Eigenverantwortung ist eben nicht nur etwas Privates, es gibt auch eine Eigenverantwortung staatlichen Handelns", unterstreicht die FREIE PRESSE.
Und die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt (Oder) stellt das übergeordnete Thema der Generationengerechtigkeit in den Mittelpunkt ihres Kommentars: "Bisher sträubt sich die Politik, alle Generationen zu belasten und die Folgen des demografischen Wandels zu verteilen. Das zeigt beispielsweise die schwarz-rote Entscheidung, den Nachhaltigkeitsfaktor bei der gesetzlichen Rente, der das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenbeziehern ausgleichen soll, de facto abzuschaffen. Dabei kann sich das Land eine weitere Spaltung der Generationen nun wirklich nicht erlauben. Die Koalition muss dafür über ihren Schatten springen, auch wenn ihre Wählerklientel am oberen Ende der Alterspyramide sitzt. Und die Gesellschaft als Ganzes muss mehr darüber diskutieren, wie ein Generationenvertrag in ständiger Bewegung sein muss, um auf neue Rahmenbedingungen zu reagieren – mit Fairness für alle." Mit diesem Beitrag aus der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG endet die Presseschau.