17. Oktober 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Kommentaren zu den Misstrauensabstimmungen im französischen Parlament und zum Bildungstrend in Deutschland. Doch zunächst geht es um die Regierungserklärung von Bundeskanzler Merz zur europäischen Außenpolitik.

Bundeskanzler Merz steht im Bundestag hinter einem Rednerpult.
Bundeskanzler Merz gibt eine Regierungserklärung ab. (AP / Markus Schreiber)
Dazu schreibt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG: "Der Kanzler deutete an, dass sein Verhältnis zum amerikanischen Präsidenten weiterhin von Misstrauen geprägt ist, vor allem mit Blick auf die Ukraine. Das ist eine schlechte Nachricht. Denn man könnte nach Trumps Gaza-Deal ja durchaus auf den Gedanken kommen, mit derselben überfallartigen Entschlossenheit der amerikanischen Regierung ließen sich nun womöglich auch in der Ukraine die Dinge ins Rollen bringen. Trump und sein Verteidigungsminister haben in den vergangenen Tagen mit straffen Ansagen an Moskau selber entsprechende Hoffnungen genährt, und den ukrainischen Präsident Selenskyj haben sie für diesen Freitag nach Washington gerufen. Geht jetzt plötzlich alles ganz schnell? Nun, Friedrich Merz zumindest scheint es nicht so zu sehen. Sonst hätte er sich kaum an dem Kunststück versucht, ausführlich über die weiterhin notwendige Unterstützung der Ukraine zu sprechen, ohne Amerika auch nur zu erwähnen", vermutet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER hält die Analyse des Kanzlers zur Friedens- und Verteidigungspolitik für richtig und damit auch die Appelle an die gemeinsame europäische Abwehrfähigkeit: "Allein: In Sicht ist sie weder in Deutschland, noch im Rest Europas. Nicht nur die Bundesrepublik quält sich gerade damit, ihre heruntergewirtschaftete Armee so aufzustellen, dass Russland sie ernst nimmt. Ähnliche Probleme werden auch aus Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, Griechenland und Rumänien gemeldet. Und das, während Putins Provokationen nicht abreißen."
Angesichts einer zunehmenden Bedrohung durch Russland hat die EU-Kommission mehrere europäische Projekte im Verteidigungssektor vorgeschlagen. Die Zeitung ND DER TAG führt aus: "Was Kommissionspräsidentin von der Leyen in Brüssel vorstellte, ist ein riesiges Aufrüstungsprogramm für die nächsten Jahre. Die EU soll bis ins Weltall zu einer waffenstarrenden Festung ausgebaut werden. Angetrieben wird das von einer immer dreisteren US-Administration, die ihren vermeintlichen Verbündeten nur noch Befehle erteilt. So wie in dieser Woche US-Kriegsminister Hegseth, der in Brüssel die Verteidigungsminister sämtlicher NATO-Staaten schroff anwies, mehr Waffen von US-Firmen zu kaufen und sie in die Ukraine zu schicken. Das Geschäftsmodell: Die EU bezahlt, die USA verdienen", kritisiert ND DER TAG.
Die VOLKSSTIMME geht näher auf die Pläne der EU-Kommission zur gemeinsamen Luftverteidigung ein: "Die Beherrschung des Luftraums mit Drohnen, Kampfjets oder Raketen ist im modernen Krieg zentral, wie sich in der Ukraine in aller Schärfe zeigt. Beim europäischen Luftschild-Rüstungsprojekt will die Bundesrepublik nicht nur mitmachen, sondern gleich die Führung übernehmen. Geht es nicht eine Nummer kleiner als mit Hybris? Zwar wissen andere EU-Regierungen von deutschen Milliarden für Rüstungszwecke und werden nicht böse sein, wenn davon etwas für die Gemeinschaft abfällt. Doch wäre es nicht überraschend, wenn der Führungsanspruch in der Praxis verpuffen würde. Die Bundeswehr erweist sich vom Wehrdienst bis zum Funkgerät als so desolat, dass Deutschland mit deren Erneuerung ausgelastet ist", erwartet die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Frankreichs Premierminister Sebastien Lecornu hat zwei Misstrauensvoten im Parlament überstanden und sich damit vorerst das politische Überleben gesichert. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU analysiert: "Die Regierungswirren dort gehen letztlich auf den Umstand zurück, dass in der Nationalversammlung drei Blöcke einander neutralisieren. Das passt nicht zur Verfassung der Fünften Republik, die den Rechts-links-Kontrast per Mehrheitswahlrecht noch verschärft. Um einen Misstrauensantrag von links wie rechts zu überstehen, musste Präsident Macron seine zentrale Rentenreform opfern. Der Verlierer steht damit fest. Auch der Sieger? Das wäre an sich die Sozialistische Partei: Sie erreicht die recht definitiv klingende 'Suspendierung' der Rentenreform. Dafür duldet sie Lecornus Regierung fürs Erste. In Deutschland hätten die Konservativen, die Liberalen und die Sozialdemokraten längst eine Koalition gebildet. In Frankreich passen solche Absprachen nicht zur politischen Kultur, in der jeder für sich kämpft und Präsident werden will", überlegt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER erinnert: "Macron trat als Reformer an, der Frankreichs Gesellschaft vor einer drohenden Machtübernahme durch die Rechtspopulistin Marine Le Pen retten wollte, als das traditionelle Parteiensystem aus Sozialisten und Gaullisten kollabierte. Aus der von Macron ausgerufenen Neuwahl im Sommer 2024 gingen im Parlament drei Lager hervor, die sich gegenseitig blockierten. Mit einem solchen Parlament scheint es für Macron unmöglich zu sein, unpopuläre Entscheidungen durchzusetzen. Der Präsident ist mit seiner Reformmission gescheitert. Davon profitieren könnten bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2027 entweder die Rechts- oder die Linkspopulisten." Das war der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
Zum Schluss ins Inland. Immer mehr Schüler der neunten Klasse verfehlen laut einer Studie Mindeststandards in Mathematik, Biologie, Chemie und Physik. Der Berliner TAGESSPIEGEL notiert: "In diesem Jahr ist der Leistungseinbruch besonders dramatisch. Es bestünden Lernrückstände von einem Jahr, so das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen. Als Ursachen nennen die Forschenden die Folgen der Corona-Pandemie und den gestiegenen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund. Die Leistungsrückschritte beträfen aber alle, unabhängig vom sozialen oder familiären Hintergrund. Das Wissen, was zu tun wäre, gibt es seit langem. Unisono drängt die Bildungsforschung auf eine Stärkung der frühkindlichen Bildung: Wer in der Kita schon Deutsch übt, hat es später auch in Fächern wie Mathe, Physik oder Geschichte leichter. Am besten erreichen ließe sich das, wenn in den Klassen mindestens zwei Lehrende arbeiten könnten. Aber in der Realität reichen die personellen Kapazitäten oft nicht aus", bedauert der TAGESSPIEGEL.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG nennt die Ergebnisse der Studie mehr als besorgniserregend: "Viel zu viele Schüler lernen nach der Grundschule nichts mehr dazu. Allerdings zeigt er auch, dass der lange Atem einer datengestützten Gesamtstrategie in der Schulpolitik zu enormen Verbesserungen führen kann. Hamburg hat es vorgemacht. Früher stand es mit Berlin und Bremen auf dem drittletzten Platz. Nun hat es sich in Mathematik von Platz elf im Jahr 2018 auf Platz vier vorgearbeitet. Es überprüft regelmäßig die Leistungen der Schüler und steuert nach, sodass die Schulaufsicht weiß, wo die Schulen stehen. Andere Länder schauen offenbar immer noch weg oder halten sich mit Handy-Diskussionen auf, die auch nicht unwichtig sind, aber gewiss keine systemischen Probleme lösen. Wann endlich fangen alle Länder an, gemeinsam mit Kitas, Kommunen, Schulaufsicht, Lehrerverbänden, Eltern und Schulen umzusteuern? Sie könnten längst wissen, wie das geht", meint die F.A.Z.
Die Zeitung DIE WELT resümiert: "Am Ende wird die deutsche Gesellschaft langfristig einen horrenden Preis dafür zahlen, dass die Politik in der Corona-Zeit den Kindern die härtesten Einschränkungen zugemutet hat. Denn die dadurch entstandenen Bildungsdefizite schmälern die zukünftigen Wohlstandschancen nicht nur der Betroffenen selbst, sondern des gesamten Landes. Deutschland ist ressourcenarm, und seine Wettbewerbsfähigkeit hängt am Humankapital. Wer wenig Nachwuchs hat, sollte diesen wenigstens optimal ausbilden. Wer soll denn sonst künftig den Laden am Laufen halten?", fragt sich DIE WELT.