24. Oktober 2025
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Heute mit Kommentaren zum Bundesverfassungsgericht, das die Rechte kirchlicher Arbeitgeber gestärkt hat, und zur aktuellen Steuerschätzung.

Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, äußert sich bei einer Pressekonferenz zur Sitzung des Arbeitskreises Steuerschätzung im Bundesfinanzministerium.
Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen (dpa / Christoph Soeder)
Bund, Länder und Kommunen können in den Jahren 2025 bis 2029 mit höheren Steuereinnahmen rechnen als bisher gedacht. Die RHEINISCHE POST analysiert: "Die Schätzung fällt für den Bund enttäuschend aus: Er kann nicht mit höheren Steuereinnahmen rechnen als bisher angenommen. Sein Abweichungsergebnis liegt in der Jahressumme exakt bei Null. Länder und Kommunen dagegen dürfen knapp 40 Milliarden Euro zusätzlich erwarten. In den anstehenden Verhandlungen mit den Ländern wird Bundesfinanzminister Klingbeil schon aus purer Haushaltsnot hart bleiben müssen. Es ist paradox: Insgesamt wird die schwarz-rote Koalition bis 2029 rund 150 Milliarden Euro sparen müssen, obwohl sie die Verschuldung in die Höhe treibt wie keine vor ihr. Die Koalition steht vor der nächsten Zerreißprobe. Wenn die SPD bei vertretbaren Einschnitten im Sozialsystem mitgehen würde, könnte die Union am Ende auch eine höhere Reichensteuer akzeptieren", vermutet die RHEINISCHE POST.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER sieht Bundesfinanzminister Klingbeil, Zitat: " ... vor der schwierigen Aufgabe, das Amt des Sparministers mit dem des SPD-Parteichefs unter einen Hut zu bekommen. Aber er hat zumindest in einem Punkt Glück im Unglück: Angesichts der Tatsache, dass insbesondere die Länder von den Mehreinnahmen profitieren, dürfte sich die Debatte über eine Kompensation der Steuerausfälle bei der Gastro-Steuer und Pendlerpauschale erledigt haben."
"Richtig helfen würde Klingbeil vor allem eins: Wirtschaftswachstum", betont die LAUSITZER RUNDSCHAU. "Das will die Regierung mit Steuerentlastungen ankurbeln, doch entscheidend ist genau deswegen, dass das Bruttoinlandsprodukt langfristig wächst – um aus den anfänglichen Mindereinnahmen irgendwann sprudelnde Steuerkassen zu machen. Kurzfristig wird die Regierung deswegen nicht umhinkommen, schleunigst die überfälligen Reformen bei Bürokratieabbau, Sozialversicherungen und Verwaltung anzugehen. Die damit einhergehenden Einschnitte und Zumutungen kommuniziert sie am besten frühzeitig, klar und deutlich", empfiehlt die LAUSITZER RUNDSCHAU.
"Der immer noch recht neue Kassenwart gerät erstmals in gefährliches Fahrwasser", stellt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fest. "Er muss beweisen, dass sein Ruf nach Haushaltskonsolidierung nicht nur Gerede ist, sondern dass er tatsächlich den Mumm wie auch die Autorität besitzt, ein Sparprogramm durchzusetzen. Zweifel sind erlaubt, denn das Renommee des selbsternannten 'Investitionsministers' Klingbeil gründet bisher darauf, dass er sich dank gelockerter Schuldenbremse und der Einrichtung eines gigantischen Nebenhaushaltes Prokura besorgt hat, Kredite in nie gekanntem Umfang zur Modernisierung der Bundeswehr und der Infrastruktur aufzunehmen. Das ist zwar in der Sache richtig, wird aber nur wirken, wenn die Koalition im zweiten Schritt endlich festlegt, welche politischen Schwerpunkte sie in Zukunft setzen will und für welche Programme umgekehrt kein Geld mehr da sein wird." Das war die SZ.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE moniert: "Unter dem Deckmantel eines Investitionspakets werden Haushaltslöcher über Umgehung der Schuldenbremse gestopft. Schulden sind aber der schlechteste Weg, Staatseinnahmen zu erhöhen. Verteilungskämpfe wurden in Deutschland immer am besten gelindert, wenn eine gut laufende Wirtschaft genug Staatseinnahmen abwarf, um gesellschaftliche Probleme mit Geld zu lösen. Umso wichtiger ist es, dass die Regierung endlich in der Wirtschaftspolitik greifbare Fortschritte liefert", hebt die AUGSBURGER ALLGEMEINE hervor.
"Man sollte sich von den guten Zahlen nicht blenden lassen", mahnt die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG und führt aus: "Traditionsunternehmen wie Bosch streichen Zehntausende Stellen und Automobilkonzerne drosseln die Produktion. Mittelständische Betriebe ringen mit steigenden Sozialabgaben. Und auch an den Koalitionsvertrag sei erinnert: Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, kleinere und mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer zu entlasten. Das Signal, dass der Staat immer mehr einnimmt, das aber trotzdem nicht reicht und für Entlastungen kein Spielraum da sein soll, ist auf Dauer auch nicht gut."
Zum nächsten Thema. Kirchliche Arbeitgeber haben laut Bundesverfassungsgericht ein Anrecht darauf, Bewerber wegen ihrer Konfessionslosigkeit abzulehnen. "Ein starkes Signal in Zeiten des Gleichheitswahns", meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG: "Für das religiöse Selbstbestimmungsrecht, aber auch darüber hinaus. Eine begründete Auswahl ist keine Diskriminierung. Verboten ist die sachwidrige Ungleichbehandlung. Aber natürlich müssen Vertragsparteien sich ihr Gegenüber nach bestimmten Anforderungen aussuchen können – auch das ist grundrechtlich geschützt. Grundrechtsträger sind auch kirchliche Arbeitgeber. Und es ist bezeichnend, dass das Bundesverfassungsgericht dem Bundesarbeitsgericht Nachhilfe erteilen musste, nicht nur was den Spielraum des deutschen Gesetzgebers bei der Umsetzung einer europäischen Richtlinie angeht, sondern vor allem mit Blick auf den Sinn des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts." Das war die F.A.Z.
"Manchmal muss sich der Bürger wirklich wundern, was die roten Roben da in Karlsruhe beschließen", heißt es hingegen im REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER: "Das aktuelle Kirchen-Urteil fällt wohl wieder einmal in die Kategorie, dass Recht und Gerechtigkeit oft zwei Paar Schuhe sind. Was von Jura-Experten als rechtlich richtig gelobt wird, birgt gesellschaftlichen Zündstoff und sorgt bei zahlreichen Menschen auf der Straße für Kopfschütteln. Jeder Arbeitgeber, der Unterschiede aufgrund der Religion machen würde, hätte nicht nur die Justiz, sondern ein breites Bündnis der Gesellschaft am Hals. Man stelle sich nur einmal vor, Mercedes würde von heute auf morgen keine Katholiken mehr einstellen - undenkbar."
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU sieht es so: "Das Privileg der Kirchen, ihren Mitarbeitenden die Zugehörigkeit zur eigenen Konfession abverlangen zu können, ist nur eines unter vielen. Man erinnere an die staatlich finanzierte Bezahlung der Bischöfe oder den ebenfalls staatlich organisierten Einzug der Kirchensteuer. Begründet ist dieses Privileg bei der Personalauswahl im 'religiösen Selbstbestimmungsrecht'. Bei allem Jubel der Kirchen, die sich in diesem Selbstbestimmungsrecht gestärkt sehen, unterstellt der Karlsruher Richterspruch deren Einstellungspraxis erstmals letztinstanzlich einer gerichtlichen Überprüfung. Das ist eine Mahnung an die Kirchen, nicht nach Belieben zu schalten und zu walten. Kirchenmitgliedschaft kann Einstellungsvoraussetzung nur dort sein, wo dies 'erforderlich' ist, etwa in Seelsorge oder Bildung. Den katholischen oder evangelischen Hausmeister braucht es nicht. Ohnehin gilt: Ohne nicht-christliche Erzieherinnen im Kindergarten, Pfleger im Altenheim oder Schwestern im Krankenhaus würden viele kirchliche Einrichtungen schon heute nicht mehr funktionieren. Die Lebenswirklichkeit hat so die höchstrichterliche Rechtsprechung vorweggenommen", lautet das Fazit in der FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Abschließend ein Kommentar zum EU-Gipfel in Brüssel, wo erneut über mögliche Wege für eine Verwendung von eingefrorenem russischem Staatsvermögen zur Unterstützung der Ukraine diskutiert wurde. Die STUTTGARTER ZEITUNG bewertet dies folgendermaßen: "Kann die Zurückhaltung bei Waffenlieferungen nachvollzogen werden, mutet die Diskussion über die Verwendung der in Europa eingefrorenen russischen Vermögenswerte mehr als hasenfüßig an. Der Vorschlag der Kommission, die hauptsächlich in Belgien angelegten Milliarden der russischen Zentralbank als Reparationsdarlehen für die Ukraine zu nutzen, wird wie auf dem Krämermarkt zerredet. Diskutiert werden auf dem EU-Gipfel wieder einmal Fragen der Haftung oder wer was und wo mit dem Geld kaufen dürfte."