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Die Rolle des BND in Libyen

Der BND habe in Libyen nicht mit dem britischen und dem amerikanischen Geheimdienst bei der Terrorabwehr zusammengearbeitet, sagt der SPD-Politiker Fritz-Rudolf Körper. Er ist Mitglied im parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags. Der BND sei auch nicht in Methoden und Maßnahmen involviert gewesen, die man anderen Diensten vorhalte.

Fritz-Rudolf Körper im Gespräch mit Bettina Klein | 06.09.2011
    Bettina Klein: In Großbritannien sollen die Vorwürfe untersucht werden, der Geheimdienst habe bei der Zusammenarbeit mit Libyens früherem Machthaber Gaddafi die Folter von mutmaßlichen Extremisten in Kauf genommen. Eine von der Regierung im vergangenen Jahr zum Verhalten der Dienste eingesetzte unabhängige Untersuchungskommission kündigte gestern an, den Anschuldigungen nachzugehen. Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge deuten nach dem Machtwechsel in Libyen gefundene Dokumente auf eine enge Zusammenarbeit britischer und US-Geheimdienste mit libyschen Diensten hin. Nur Deutschland hat also eine reine Weste? Der frühere Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Hans-Georg Wieck, hat die Kontakte westlicher Geheimdienste zum Regime des libyschen Diktators verteidigt. Der BND beschafft Informationen, die deutsche Sicherheitsinteressen berühren, so Wieck heute Morgen in der Mitteldeutschen Zeitung. Am Telefon begrüße ich Fritz-Rudolf Körper, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages. Schönen guten Morgen.

    Fritz-Rudolf Körper: Ja guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Herr Körper, wissen Sie irgendetwas über Aktivitäten des deutschen Geheimdienstes in Libyen?

    Körper: Also was unsere Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes in Libyen anbelangt, so, glaube ich - das kann man eindeutig sagen -, gibt es keine Kooperation mit dem britischen oder dem amerikanischen Geheimdienst in Sachen Terrorismusabwehr, Abwehrkampf in Libyen. Was es in der Vergangenheit gegeben hat, war eine Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes in Libyen in ganz bestimmten Entführungsfällen. Da muss man das Stichwort Sahara und vielleicht auch den Familiennamen Wallert nennen, um das etwas mehr zu verdeutlichen. Und da ging es um den Schutz deutscher Staatsbürger, die in der Entführung in der Sahara sich befanden, und da war man dankbar für den einen oder anderen Hinweis, der geholfen hat, diesen Entführungsfall aufzulösen.

    Klein: Herr Körper, Geheimdienste agieren geheim, deswegen heißen sie auch so, das ist ja mitunter auch durchaus notwendig. Wer hat welche Art von Informationen im Augenblick in diesem Land über die Aktivitäten des BND?

    Körper: Das parlamentarische Kontrollgremium hat die Aufgabe, den Bundesnachrichtendienst zu kontrollieren, und wir gehen davon aus, dass wir alle notwendigen Informationen haben, die auch eine effektive Kontrolle möglich machen. Ich denke, dass diese Konstruktion des parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages gut funktioniert, und da ist davon auszugehen, dass wir die relevanten Informationen haben, die uns dann auch zu einer entsprechenden Bewertung kommen lassen.

    Klein: Und im Fall Libyen haben Sie jetzt genau welche Informationen?

    Körper: Im Falle Libyen habe ich beispielsweise die Information, das was ich Ihnen gesagt habe, dass es in der Vergangenheit in dem einen oder anderen Entführungsfall einen Informationsaustausch gegeben hat, und ich habe beispielsweise die Information, dass die Vorwürfe, die dem Bundesnachrichtendienst gemacht worden sind, im Jahre 2010 beispielsweise mit privaten Sicherheitsfirmen in Libyen zusammengearbeitet zu haben, dass diese Vorwürfe sich als haltlos erwiesen haben.

    Klein: Sehen Sie denn in irgendeiner Weise im Augenblick Aufklärungsbedarf oder die Notwendigkeit, weitere Informationen einzuholen, nach dem, was von Geheimdiensten anderer Staaten berichtet wird?

    Körper: Mein derzeitiger Kenntnisstand ist der, dass es keine Involvierung des Bundesnachrichtendienstes in die Methoden und Maßnahmen gegeben hat, die man anderen Diensten zum Vorwurf macht, die ja allerdings auch noch nicht bestätigt worden sind. Wir werden das natürlich auch zum Anlass nehmen, im parlamentarischen Kontrollgremium uns dazu berichten zu lassen, auch was unter Umständen die Vorwürfe anbelangt, die gegenüber dem britischen und den amerikanischen Geheimdiensten gemacht werden. Das ist für uns auch wichtig und es ist noch mal auch wichtig, wie die Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes sich dazu stellt.

    Klein: Das heißt, das parlamentarische Kontrollgremium wird jetzt aktiv werden und Anfragen stellen? Oder wie verstehe ich Sie?

    Körper: Ich kann die Frage so beantworten: Ich werde einen Berichtsantrag stellen im parlamentarischen Kontrollgremium. Jedes einzelne Mitglied hat dazu die Möglichkeit. Ich bin davon überzeugt, dass es notwendig ist, dass wir uns um diesen Vorgang kümmern, und ich finde, es ist auch ganz wichtig, dass man nicht irgendwelche Vorbehalte im Raum stehen lässt, die in der Realität dann in der Tat überhaupt keine Rolle spielen.

    Klein: Ich habe es eingangs zitiert: Der frühere BND-Chef, Hans-Georg Wieck, hat ausdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig die Arbeit der Geheimdienste ist. Würden Sie das allgemein so auch unterschreiben?

    Körper: Das würde ich dick unterschreiben wollen. Wir haben bestimmte Sicherheitsbedürfnisse für unser Land, für die Menschen in unserem Land, und ich habe Ihnen das ja auch an dem Beispiel der Entführungsfälle deutlich gemacht. Da waren wir darauf angewiesen, bestimmte Informationen zu erhalten, um helfen zu können. Aber vielleicht ist es noch wichtig hinzuzufügen, dass die Aufgaben der Nachrichtendienste unterschiedlich sind, wie beispielsweise in Deutschland. Da geht es nur um Informationen zu sammeln und Informationen auszuwerten, während beispielsweise in anderen europäischen Ländern, oder in Amerika auch die Nachrichtendienste strafverfolgend wirken können. Das muss man also hier unterscheiden. Da sind die Aufgabenfelder etwas unterschiedlich abgesteckt.

    Klein: Und das wurde teilweise auch kritisiert, im Frühjahr zum Beispiel mit Blick auf Libyen, auch in den Vereinigten Staaten. Auf der einen Seite wird jetzt sozusagen kritisiert, dass man Terrorverdächtige möglicherweise zu Verhören nach Libyen gebracht habe. Auf der anderen Seite wurde beklagt, wir haben eigentlich zu wenig Informationen über das, was in Libyen vonstatten geht, wir sind einigermaßen überrascht worden von den Entwicklungen dort, und die Frage wurde gestellt, haben wir eigentlich genug Informationsmaterial, um so einen Militäreinsatz überhaupt vorzunehmen. Welche Art von Anteil hat daran möglicherweise der BND gehabt, oder ist das im Grunde genommen gar nicht die Aufgabe des deutschen Geheimdienstes an dieser Stelle gewesen?

    Körper: Aus meiner Sicht kann ich zu dieser Frage Folgendes sagen: Ich glaube, dass wir - wir meine ich jetzt in Deutschland, in Europa und auch in Amerika - relativ wenige Informationen hatten über die Entwicklungen im nordafrikanischen Raum, dort, was sich an politischen Entwicklungen, an politischen Veränderungen ergeben hat. Das hat uns doch alle sehr überraschend getroffen und das zeigt, dass die Informationslage doch nicht so gut war, wie sie eigentlich hätte sein sollen, um vielleicht auch besser politisch darauf reagieren zu können von Seiten Europas.

    Klein: Und da hatten wir wo möglich zu wenig Geheimdienstaktivitäten statt zu viel?

    Körper: Das ist meine persönliche Einschätzung, dass wir da eher zu wenig an Informationen hatten und somit auch zu wenig an Aktivitäten unserer Geheimdienste. Ich sage einmal, informiert zu sein, ist eine ganz wichtige Voraussetzung, auch um politisch präventiv handeln zu können. Und insofern haben unsere Geheimdienste eine wichtige Funktion auch in der politischen Arbeit.

    Klein: Die Einschätzung von Fritz-Rudolf Körper (SPD), er ist Mitglied im parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Körper.

    Körper: Vielen Dank, Frau Klein!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.