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Die Schlacht von Verdun als Freilichtbühnenevent

In der Nähe von Verdun liegt ein Steinbruch, der zur Theaterkulisse für ein Geschichtsspektakel mit hunderten jugendlichen Laiendarstellern und professionellen Schauspielern wurde. Multimedial ausstaffiert blickt man das Völkergemetzel des 1. Weltkriegs in dieser Region. "Des flammes à la lumière", "Von den Flammen zum Licht" heißt das Stück, das zum offiziellen Programm von Kulturhaupstadt Luxemburg und Region gehört.

Von Harald Meimeth |
    Es ist Nacht. Der Himmel lässt noch einen Lichthauch des eben vergangenen Tages ahnen. Dagegen setzt sich schwarz die Abbruchkante des Steinbruchs ab. Gut tausend Meter im Halbrund. Am linken Bildrand ducken sich die Silhouetten einiger Sträucher. Rechts zeigt sich erste Stern. In dieser Kulisse beginnt die Zeitreise in die Schrecken der Schlacht von Verdun.

    Die Franzosen können meisterlich mit Licht, Geräuschen und Musik die Illusion von Handlungsabläufen erzeugen. Dieses so genannte "Son et lumière" vermischt mit Spielszenen präsentiert dem Besucher die Schlacht von Verdun als Freilichtbühnenevent.

    Ist das nicht der Versuch, die Tragödie als Operette zu inszenieren? Jean Luc Demandre, Erfinder, Co-Autor und Regisseur widerspricht:

    ""Wir arbeiten mit den Mitteln der Unterhaltung, aber unser Stück ist gewiss keine Show. Eine Tragödie wie den Krieg kann man unmöglich nachstellen. Nur andeuten"."

    Zum Beispiel wenn Überlebende einen Sarg zu Grabe tragen, in dem die Knochen der eben noch Feinde friedlich bei- und durcheinander liegen, nachdem, - Zitat - Raben, Ratten und Würmer sich gütlich getan haben.- Die Beinhäuser als Kreißsaal für Versöhnung und Frieden. Demandre erinnert an Kohl und Mitterand Hand in Hand vor den Gräbern in Verdun.

    ""Das Bild und seine Botschaft haben sich eingeprägt: Krieg ist kein unausweichliches Schicksal. Frieden ist keine Utopie, sondern Wirklichkeit"."

    Demandre steht für seine Inszenierung ein aufgelassener Steinbruch zur Verfügung, der ihm gleich mehrere Hektar Spielfläche bietet, Hügel und Täler, und als Hintergrund das Halbrund einer gut fünfzig Meter hohen Steilwand. auf der zum Beispiel Gräberfelder oder Blumenwiesen als Projektion erscheinen. In den tragenden Rollen agieren Profis. Helfer und Laiendarsteller, arbeiten oder spielen ehrenamtlich. Deutsche, Luxemburger, Belgier, ortsansässige Franzosen: - Für Sebastian wurde das Spiel zur Spurensuche:

    ""Meine vier Urgroßväter waren in Verdun, alle vier wurden schwer verwundet ...
    ... und mein Urgroßvater mütterlicherseits ist Alkoholiker geworden, weil er die schrecklichen Bilder aus dem Krieg nicht verarbeiten konnte"."

    -Die UR UR-Enkel der angeblichen Erbfeinde Sind heute zwischen achtzehn und Anfang Zwanzig. Sie kommen in Verdun zusammen. In schöner Selbstverständlichkeit. Sie erinnern an das Leben ihrer Vorfahren, und denken über den Frieden und ein vereintes Europa nach. Das ist die eine Botschaft des Stücks, das sich daher auch nicht streng an die historischen Abläufe halten muss .Im Mittelpunkt stehen die Kämpfe des Jahres neunzehnhundertsechzehn -wie sie die fiktiven Ur- Urgroßväter erlebt haben, für die es freilich echte Vorbilder gibt.

    Am linken Rand der Spielfläche leben, leiden und sterben die Franzosen, einige hundert Meter weiter am rechten die Deutschen.

    Der Zuschauer sieht beide Seiten der Front ein. Liebenswerte Menschen da und dort. Warum bringen sie sich um? Lumière - Licht- bedeutet eben aber auch "Erleuchtung". Das ist die zweite Botschaft.

    Vielleicht kein gutes Ende für eine Tragödie, aber - Botschaft Nummer drei- ein wichtiges Stück Erinnerungskultur, auch für Menschen, die vielleicht nicht den Fuß in ein "richtiges" Theater setzen würden