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Die Schweinegrippe-Auskunft

Susanne Stöcker beantwortet täglich Anfragen zum Stand der H1N1-Impfungen. Sie ist Pressesprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen. Manche Bundesländer geben ihre Daten über Impfungen, Impfkomplikationen und Todesfälle automatisch weiter, von anderen Ländern müssen die Informationen einzelnen abgefragt werden.

Von Klaus Herbst |
    Am Ende vergangener Woche zählte die Biologin Doktor Susanne Stöcker vier bis circa sechs Millionen sogenannte "verimpfte" Dosen. Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut hat weitere zehn Millionen Dosen geprüft und freigegeben. Nicht nur Risikogruppen, auch alle anderen könnten sich impfen lassen, wenn sie wollen. Zahllose Gerüchte kursieren in der Öffentlichkeit, zum Beispiel über unterschiedliche Qualität der Impfstoffe.

    "Es gibt keine besseren oder schlechteren Impfstoffe. Letztlich unterscheiden die sich nur marginal. Cellvapan ist ein Impfstoff, in dem noch das vollständige Virus enthalten ist. Damit bringt er seinen eigenen Verstärker mit. Man muss nichts künstlich dazugeben. Pandemrix ist ein Impfstoff, der hoch aufgereinigt ist, nur noch genau die Bausteine enthält, die nötig sind, damit das Immunsystem reagiert. Und davon braucht man sehr viel weniger an Menge pro Impfstoffdosis dadurch, dass der Verstärker hinzugeben wird. Das bedeutet: Man kann in kurzer Zeit sehr viele Impfstoffdosen produzieren, was in der pandemischen Situation sehr wichtig ist."

    Außerdem habe der Impfstoff Pandemrix einen eigenen Vorteil: Über seine Wirkung und Nebenwirkungen gebe es bereits wissenschaftliche Studien. 15 Todesfälle sind bekannt. Jeder einzelne wird von den Experten des Instituts genau untersucht. Susanne Stöcker:

    "Selbstverständlich müssen, wenn man sehr, sehr viele Menschen impft und noch dazu schwer kranke Menschen impft, müssen im zeitlichen Zusammenhang zur Impfung Todesfälle auftreten. Am 3. Dezember waren es 15. Da konnte noch in keinem einzigen Fall ein Hinweis gefunden werden, dass tatsächlich die Impfung die Ursache für diesen Tod gewesen wäre. Ganz im Gegenteil gibt es neun Fälle, wo die Obduktion schon ganz klar gezeigt hat: Diese Menschen sind an ihrer ursprünglichen Erkrankung gestorben. Wir haben einen Fall gehabt, ganz zu Beginn der Impfaktion, wo wir schon nach der ersten Woche dachten, es gäbe einen Todesfall nach Impfung. Und die Recherche durch unser Referat Arzneimittelsicherheit hat dann gezeigt, diese Frau war schwer krank, stand auf der Liste, um deswegen geimpft zu werden, ist aber ein Tag vor der Impfung gestorben. Hätte sie ihre Spritze einen Tag früher bekommen, hätten wir unseren ersten Todesfall nach Impfung gehabt, der definitiv nicht durch die Impfung verursacht wurde."

    Fazit: Noch haben die Impfungen selbst - nach allen Erkenntnissen - keinen Todesfall verursacht. Weniger ernste Komplikationen treten jedoch gehäuft auf.

    "Sehr häufig reagieren Menschen mit lokalen Reaktionen, Schmerzen an der Einstichstelle, der Arm tut zwei, drei Tage weh. Er wird auch rot, er wird dick. Viele Menschen berichten, dass sie zwei, drei Tage lang Fieber hatten, Kopf- und Gliederschmerzen, also Erkältungssymptome, was letztlich alles ein Zeichen ist, dass das Immunsystem anspringt und anfängt zu arbeiten. Und da Menschen unterschiedlich reagieren, äußert sich das bei dem einen heftig und bei dem anderen weniger heftig. Das sind aber tatsächlich die häufigsten Meldungen, die wir kennen, also genau die Symptome, die es bei der saisonalen Grippe Impfung gibt, nur einfach häufiger."

    Egal, welcher Impfstoff gespritzt wird, die Geimpften müssen verstärkt mit solchen Symptomen rechnen. Das erschwert die Entscheidung.

    "Es muss jeder für sich selbst wissen, ob er mehr Angst hat vor einem Virus, was zumindest chronisch kranken Menschen sehr, sehr schwer krank machen kann, von dem wir im Moment noch nicht so furchtbar viel mitbekommen haben, weil wir wirklich viel Glück hatten. Schaut man nach Europa, da hat es viele, viele Todesfälle durch dieses Virus gegeben, und selbst in Deutschland sind wir inzwischen einen Bereich von 50 oder 60."

    Sollte sich die Pandemie tatsächlich stark ausweiten, profitierten die einzelnen Geimpften wohl von einer erworbenen Grundimmunität. Die Meldung, dass Bundeswehr und Regierung einen anderen Impfstoff bekommen als der Rest der Bevölkerung, habe zu großer Irritation geführt. Viele glaubten, es gebe einen Impfstoff, der so gut sei, dass er Politikern und Soldaten exklusiv vorbehalten sei. Tatsächlich hätten die Beteiligten mit Pharmafirmen unterschiedliche Verträge geschlossen, nämlich als es noch gar keinen Impfstoff gab.

    "Man hat eben unterschiedliche Hersteller ausgewählt als Vertragspartner. Das ist sicherlich nicht sehr geschickt gewesen, das nicht zu kommunizieren. Wenn die Menschen das von Anfang an gewusst hätten, hätte das nie ein Problem gegeben."

    Nach gegenwärtigem Wissensstand müsse die Impfung nicht wiederholt werden. Eine Dosis pro Person reiche aus. Sicher sei, so Susanne Stöcker:

    "Dieses Virus wird uns erhalten bleiben. Auch in der Zukunft. Und man hat dann doch die gewisse Grundimmunität schon mal, die dafür sorgt, dass zukünftig eine kleine Auffrischung reicht, um sich gegen dieses Virus wehren zu können."

    Sollte sich herausstellen, dass bei bestimmten Altersgruppen doch eine zweite Impfung nötig sei, dann gebe es dafür ein weit offenes Fenster. Es betrage etwa sechs Monate.