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Die Selbstkontrolle der Werbung

Werbung will Aufmerksamkeit erregen und vor allem die attraktiven Seiten der Ware hervorheben. Der Deutsche Werberat soll darauf achten, dass dabei Grenzen eingehalten werden. Dieses Selbstkontrollgremium der Werbewirtschaft feiert sein 40-jähriges Bestehen. Doch es gibt auch Kritik.

Von Sven Kästner | 06.11.2012
    Verbraucher können beim Werberat Beschwerde gegen Werbung einreichen. Die meisten Beschwerden beziehen sich auf frauenfeindliche Werbung.
    Verbraucher können beim Werberat Beschwerde gegen Werbung einreichen. Die meisten Beschwerden beziehen sich auf frauenfeindliche Werbung. (imago / Steinach)
    Knapp bekleidet, sinnliche Augen und sehr schlank: Über das Frauenstereotyp in der schönen bunten Werbewelt ärgert sich Stevie Schmiedel regelmäßig.

    "Es ist natürlich so, dass die Frau immer wieder gleich dargestellt wird. Es sind immer wieder laszive Blicke. Ein Blick, der sagt: Bin ich schön genug? Der sexuell anziehend wirken soll."

    Die Hamburger Kulturwissenschaftlerin mit Spezialisierung Geschlechterforschung hat sich schon mehrmals an den Deutschen Werberat gewandt. Mit dem Gremium, angesiedelt beim Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, kontrolliert sich die Branche selbst. Jeder Verbraucher kann dort Beschwerde gegen unangemessene Werbung einreichen. Sprecher Volker Nickel:

    "Wenn es rechtlich einwandfrei ist, aber aus irgendwelchen – sagen wir mal – moralischen Gründen unerwünscht ist, dann beschäftigen wir uns mit dem Fall. Fordern die Firma auf, Stellung zu nehmen. Und dann wird entschieden, abgestimmt im Werberat, ob eine Werbemaßnahme zu beanstanden ist oder nicht."

    Fast 18.000 Verbraucherbeschwerden sind in 40 Jahren eingegangen. Beanstandet das Gremium eine Kampagne, wird sie in der Regel vom Hersteller zurück gezogen. Andernfalls sprechen die Kontrolleure eine öffentliche Rüge aus – 114 Mal geschah das seit 1972.

    "Wir hatten in den Siebzigern eine Debatte: Brauchen wir die Marktwirtschaft? Brauchen wir die Werbung? Investitionslenkung, all diese ganzen Dinge wurden damals diskutiert. Werbeverbote noch und nöcher. All das ist weg. Deutschland ist inzwischen eins der liberalsten Werbeländer."

    Einschränkungen kommen heute eher aus der EU-Kommission. In Deutschland dagegen haben die Selbstverpflichtungen der Branche dazu beigetragen, strengere Gesetze zu verhindern. Noch einmal Volker Nickel:

    "Wir haben also Verhaltensregeln für Werbung mit Kindern im Fernsehen. Es gibt Verhaltensregeln des Deutschen Werberates in Sachen Alkoholwerbung. Oder Lebensmittel. Überall dort, wo es Probleme geben könnte oder gibt, da versuchen wir mit den Verhaltensregeln sachgemäß einzugreifen."

    Alkoholhersteller können sich ihre Kampagnen mittlerweile freiwillig vor der Veröffentlichung vom Werberat beurteilen lassen. Sozialdemokraten und Grüne sehen trotzdem Verbesserungsbedarf. Die ehemalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung und heutige SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Bätzing-Lichtenthäler fordert, dass die Prüfung vor dem Start einer Kampagne zur Pflicht wird.

    "Beim Alkohol liegt es mir besonders am Herzen, weil wir eben feststellen, was für eine Wirkung Werbung auf das Konsumverhalten gerade von jungen Menschen hat beim Alkohol. Die beginnen früher, die trinken mehr."

    Die meisten Verbraucherbeschwerden aber beziehen sich auf frauenfeindliche Werbung. Stevie Schmiedel, die engagierte Hamburgerin, beklagt, dass Geschlechter-Klischees von den Kontrolleuren nur selten beanstandet werden.

    "Wir finden, dass der Werberat gerade die Außenwerbung stärker rügen sollte, weil Bilder auf Kinder eben stark wirken. Und das sind Bilder, die sie in ihren Geschlechterrollen auch stark formen. Und deshalb werden wir jetzt eine Petition starten gegen die Grundlagen des Deutschen Werberates, der von einem durchschnittlich verständigen Verbraucher ausgeht. Kinder sind keine durchschnittlich verständigen Verbraucher."