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Die SPD nach der Saarlandwahl
"Gute Parteitage reichen nicht aus"

Die SPD halte auch nach der Wahl im Saarland an ihrem Fahrplan für die Bundestagswahl fest, sagte der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel im DLF. Die inhaltlichen Vorstellungen würden nach und nach präsentiert. Es sei klar, dass eine gute Stimmung auf Parteitagen für einen Wahlsieg nicht reichen werde.

Tobias Armbrüster im Gespräch mit Thorsten Schäfer-Gümbel | 28.03.2017
    Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel am 04.02.2017 auf einer Pressekonferenz der hessischen SPD in Friedewald.
    Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel auf einer Pressekonferenz (dpa-bildfunk / Swen Pförtner)
    Tobias Armbrüster: Am Telefon ist jetzt Thorsten Schäfer-Gümbel, Parteivize und SPD-Landeschef in Hessen. Schönen guten Morgen.
    Thorsten Schäfer-Gümbel: Schönen guten Morgen. Ich grüße Sie.
    Armbrüster: Herr Schäfer-Gümbel, zwei Nächte sind vergangen. Haben Sie sich schon erholt?
    Schäfer-Gümbel: Ich habe tiefenentspannt geschlafen von Sonntag auf Montag, mit Ausnahme dessen, dass ich früh aufstehen musste, um rechtzeitig in Berlin zu sein, und ich habe auch in der Nacht danach gut geschlafen. Ich sehe keine Veranlassung für Hektik.
    Armbrüster: Wir müssen aber wohl feststellen, dass Martin Schulz allein als Person nicht ausreicht. Muss die SPD jetzt bald mit Inhalten nachlegen?
    "Am Ende geht es immer um eine Team-Leistung"
    Schäfer-Gümbel: Ganz sicherlich wird es nicht alleine um Martin Schulz gehen, sondern es geht am Ende immer um eine Team-Leistung. Das ist keine neue Erkenntnis, sondern das ist das Ergebnis von vielen Wahlkampferfahrungen der letzten Jahrzehnte. Von daher: Es geht immer nur gemeinsam. Zweitens zur Frage der Inhalte. Das überrascht mich schon sehr, weil wie lange man inhaltsleer durch die Welt gehen kann, sehen wir an den Mitbewerbern. Und im Gegensatz dazu hat Martin Schulz mehrfach in den letzten Wochen, nicht nur auf der Werteebene, wie eben in Ihrem Antexter ja schon angesprochen, bei der Zielbestimmung klare Vorgaben gemacht, mit dem Ziel Zeit für mehr Gerechtigkeit, sondern auch es konkret unterlegt, beispielsweise mit dem Vorschlag zur Reform der Arbeitsmarktpolitik, oder auch mit dem Schwerpunkt, den wir in den letzten Tagen haben, zum Thema Bildung und Familie mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, mit dem Thema gebührenfreie Bildung von Anfang an, und gerade die Gebührenfreiheit in Kindertagesstätten ist ein riesen Entlastungsthema für Familien.
    Armbrüster: Bei vielen dieser Themen, da sagen jetzt Linke und Grüne im Bundestag, das könnten wir eigentlich jetzt schon alles einführen, da müssten wir eigentlich gar nicht warten, bis die SPD den Kanzler stellt. Warum geht da die SPD nicht schon früher auf diese beiden möglichen Koalitionspartner zu?
    "Am Ende gilt ein Koalitionsvertrag"
    Schäfer-Gümbel: Na ja. Den Grünen würde ich jetzt erst mal antworten, schauen wir mal in den hessischen Landtag, wo ich diese Debatte genau umdrehen könnte unter Schwarz-Grün. Da wird mir immer dasselbe gesagt und entgegengehalten, was wir den Grünen auf Bundesebene entgegenhalten. Es gibt einen Koalitionsvertrag und es gibt so etwas wie Vertragstreue. Es gab klare Verabredungen in dieser Koalition, wo wir auch erwarten, dass sie eingehalten werden. Da gibt es Themen, die sind für uns schwierig, wie beispielsweise das Thema Maut. Das ist nicht das Leib- und Magenthema der Sozialdemokratie, das wir mittragen, weil wir im Koalitionsvertrag gesagt haben, das ist so. Auf der anderen Seite erwarten wir von unserem Koalitionspartner, dass die Dinge, die verabredet wurden beispielsweise beim Teilzeitgesetz, jetzt auch umgesetzt werden. Das ist das, was jetzt eine Rolle spielt. Da spielt der Koalitionsgipfel eine große Rolle. Aber am Ende gilt ein Koalitionsvertrag und ich kann das verstehen, dass Oppositionsparteien ein solches Spiel versuchen zu entwickeln. Aber alle wissen auch, dass es unter Rot-Grün-Rot im Jahr 2013 keine Mehrheit gegeben hätte, weil die Linkspartei in sich in einer Art und Weise gespalten ist, dass sie überhaupt nicht weiß, ob sie regieren will oder nicht. Von daher müssen dort erst einmal Fragen geklärt werden. Wir bleiben auf jeden Fall koalitionstreu, so wie sich das auch zwischen Vertragsparteien gehört.
    Armbrüster: Herr Schäfer-Gümbel, dann lassen Sie mich einen Punkt dabei mal herauspicken: Managergehälter, Begrenzung von Managergehältern. Das steht meines Wissens nicht im Koalitionsvertrag drin, dass das nicht passieren soll. Könnte die SPD also gemeinsam mit Linken und Grünen im Bundestag machen.
    "Dieser Teil des politischen Spiels ist wirklich Kindergarten"
    Schäfer-Gümbel: Nein, weil es klare Regeln in Koalitionsverträgen gibt, und ich kenne keinen einzigen Koalitionsvertrag in der Bundesrepublik Deutschland, in dem das nicht so geregelt ist, dass abweichendes Stimmverhalten der Koalitionspartner ausgeschlossen ist. Das heißt, es muss in einer Koalition Verständigung geben. Das gehört sich auch so. Das gilt auch für die Frage der Managergehälter. Wir hören dort aus der Union widersprüchliche Signale, einen Teil, der bei der Beschränkung von Managergehältern mitmachen will, einen Teil, der das alles ganz schwierig sieht. Von daher wird die Koalition jetzt in den nächsten Tagen und Wochen weiter verhandeln müssen, verständigen müssen. Aber es ist so, dass Sie in Koalitionen auch Regeln verabschieden, wie Sie sich verhalten, wenn es nicht geregelt ist. Es gibt immer in Koalitionen neue Themen, und deswegen: Dieser Teil des politischen Spiels ist wirklich Kindergarten.
    Armbrüster: Herr Schäfer-Gümbel, entschuldigen Sie, wenn ich Sie da unterbreche. Dann hat Ihre Partei allerdings doch ein strategisches Problem hier, dass sie nämlich weiter bis zum Stichtag im September bedingungslos an dieser Koalition festhält, keinen Schritt zugeht auf die beiden möglichen anderen Koalitionspartner. Da rede ich jetzt über die Lage im Bundestag in Berlin, also auf Grüne und Linke. Das heißt, in den Köpfen Ihrer Wähler bleibt die SPD eigentlich so eine Art ständiger Partner der CDU?
    "Wir brauchen mehr demokratischen Streit über den richtigen Weg"
    Schäfer-Gümbel: Das ist falsch. Das strategische Problem, das Sie beschreiben, gilt für jeden Koalitionspartner, und zwar seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland, weil Koalitionen auch Vertragstreue wechselseitig erfahren können. Das ist keine Nibelungentreue, sondern es geht darum, Regeln miteinander zu vereinbaren, wie wir zu den Fragen uns verhalten, die nicht geregelt werden konnten, weil sie möglicherweise neu sind, weil sie sich entsprechend entwickelt haben. Deswegen können Sie das auch nicht auf die aktuelle Situation übertragen.
    Wir haben jetzt noch sechs Monate bis zur Bundestagswahl und Sie werden in diesen sechs Monaten erleben, dass sich wechselseitig sowohl die Koalitionspartner als auch die Oppositionsparteien und auch Teile der Außerparlamentarischen Opposition wie in dem Fall die FDP positionieren zu verschiedenen Themen. Natürlich haben wir jetzt einen demokratischen Wettstreit, und das ist gut so. Wir brauchen mehr demokratischen Streit über den richtigen Weg, nicht über wechselseitige Beschimpfungen, aber über den richtigen Weg, und dazu dienen auch jetzt die sechs Monate. Dabei darf man gleichzeitig das Regieren nicht aufgeben, und dass wir das sehr ernst nehmen, haben wir immer und immer wieder in unserer Geschichte bewiesen. Deswegen das jetzt wirklich auf diese Situation im Bundestag, sechs Monate vor der Bundestagswahl zu reduzieren, finde ich, ist nicht legitim.
    Armbrüster: Martin Schulz hat schon gesagt, mit ihm wird es keine Steuersenkungen geben. Ist das ein guter Wahlkampfspruch?
    "Wir müssen mehr Steuergerechtigkeit erzielen"
    Schäfer-Gümbel: Ja, weil der entscheidende Punkt ist – und darüber streiten wir uns ganz sicherlich mit der CDU/CSU -, dass das Versprechen von allgemeinen Steuersenkungen, das unterschiedslos niedrige Einkommen wie hohe und höchste Vermögen entlastet, steht nicht an, sondern wir müssen mehr Steuergerechtigkeit erzielen. Und Steuergerechtigkeit ist genau das, worüber wir auch in diesem Bundestagswahlkampf zu reden haben. Wir sind klar der Auffassung, dass man kleine und mittlere Einkommen entlasten muss. Da suchen wir im Moment nach dem besten Weg. Dazu gibt es einen klaren Auftrag von Martin Schulz an die Arbeitsgruppe des SPD-Parteivorstands, die ich leiten darf, wo ich unter anderem auch mit dem nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans, der eine ausgezeichnete Arbeit macht, mit Carsten Schneider und anderen Kolleginnen und Kollegen an einer Konzeption dazu arbeite. Aber es geht für uns um Steuergerechtigkeit und nicht um pauschale Steuersenkungen.
    Armbrüster: Steuergerechtigkeit, das heißt für Sie aber immer nur Steuererhöhungen für die Mittel- und Gutverdienenden?
    Schäfer-Gümbel: Ich habe eben von einer Entlastung für kleine und mittlere Einkommen gesprochen. Ich weiß nicht, wie man da auf die Idee kommen kann, dass das eine Steuererhöhung ist.
    Armbrüster: Das heißt, es gibt Steuersenkungen?
    "Es wird keine unterschiedslosen Steuersenkungen geben"
    Schäfer-Gümbel: Ich habe Ihnen gesagt, wir haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die jetzt nach den besten Wegen sucht. Ich habe mehrfach in Interviews gesagt, es gibt dazu unterschiedliche Möglichkeiten. Beispielsweise gibt es auch eine Idee, über Sozialversicherung nachzudenken für untere Einkommen. Das ist nicht entschieden. Gleichzeitig diskutieren wir auch die Frage der gebührenfreien Bildung von Anfang an, der Entlastung von Kindergartenbeiträgen, weil für uns insbesondere bei der Familienentlastung ein Schwerpunkt liegt. Sie können mit der Gebührensenkung, der Gebührenfreiheit im Kita-Bereich, die für Familien teilweise mehrere hundert Euro im Monat ausmacht, erhebliche Wirkungen erzielen. Das sind all die Dinge, die wir gerade besprechen, die wir vorstellen werden. Aber was es nicht geben wird ist unterschiedslose Steuersenkungen für Leute, die wenig haben, und vor allem für diejenigen, die große und größte Vermögen haben. Dort gibt es eine Ungleichheit, da gibt es eine Unverhältnismäßigkeit, und es ist ganz sicherlich so, dass auch höchste Vermögen einen größeren Beitrag leisten müssen, die Investitionsaufgaben genauso zu tätigen bei Bildung, bei Sicherheit, bei Infrastruktur, wie auch bei der Frage der Steuergerechtigkeit. Da ist einiges zu korrigieren.
    Armbrüster: Ab wann hat man denn bei der SPD ein größeres Gehalt?
    Schäfer-Gümbel: Ich werde mit Ihnen jetzt keinen Steuertarif diskutieren. Sie wissen, dass wir einen Fahrplan haben, in dem wir Stück für Stück unsere Themen vorstellen. Wir haben angefangen mit der Arbeitsmarktpolitik und dem sehr weit reichenden Vorschlag zum Thema Arbeitslosengeld. Wir sind jetzt in der Phase, wo wir über Familie und Bildung diskutieren und das vorstellen. Es wäre auch kommunikativ, das wissen Sie besser als ich, ein schwerer Fehler, jetzt alles auf einmal draufzusetzen.
    Armbrüster: Aber müssen wir zumindest nach dieser Saarland-Wahl festhalten, dass die SPD da vielleicht einen Zahn zulegen muss bei der Veröffentlichung von solchen Programminhalten?
    Schäfer-Gümbel: Was Sie auf jeden Fall mitnehmen können ist, dass sich in der Parteiführung alle einig sind, dass gute Parteitage und gute Stimmung auf Parteitagen und eine hohe Anzahl von Neueintritten in die SPD nicht alleine ausreichen wird, am Ende als Wahlsieger bei der Bundestagswahl am 24. September vom Platz zu gehen.
    Armbrüster: Hier bei uns in den "Informationen am Morgen" war das Thorsten Schäfer-Gümbel, der SPD-Bundesvize und Landesvorsitzende der SPD in Hessen. Vielen Dank, Herr Schäfer-Gümbel, für dieses Interview.
    Schäfer-Gümbel: Schönen Tag noch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.