Für Heide Wunder, Professorin für Sozial- und Verfassungsgeschichte an der Universität Kassel, steht ein Perspektivenwechsel in unserem Geschichtsbild am Anfang der Beschäftigung mit dem kulturellen Handeln von Frauen. Die strikte Trennung zwischen dem "öffentlichen", meist von Männern dominierten Raum und dem "privaten" Haushalt, in dem die Frauen zwar oft das Sagen haben, der aber in der Geschichtsschreibung weiter keine Rolle spielt, hält sie für überholt und für falsch.
" Wir setzen heute häuslich und privat gleich. In der Frühen Neuzeit, späten Mittelalter kann man das nicht tun. Das Haus ist ein eigener Rechtsbereich, ein geschützter Rechtsbereich und der Haushaltsvorstand, das heißt, der Ehemann und die die Haushaltsmutter üben Herrschaft in diesem Haus aus und alle Personen, die Herrschaft ausüben, haben einen öffentlichen Charakter, sie nehmen Teile von Aufgaben wahr, die wir heute als öffentlich, staatlich darstellen. "
Ein bürgerlicher Haushalt im 17. und 18 Jahrhundert umfasste weit mehr Personen als die Kernfamilie, zu ihm gehörten auch das Gesinde und die Handwerker mit ihren Familien, weitläufige Verwandtschaft, Kostgänger, sogar Fremde, die in dem Haus vorübergehend Unterkunft fanden. Eine Gemeinschaft von Menschen also, für deren Wohlergehen, Bildung und Erziehung die Haushaltvorstände verantwortlich waren und in dem ein kulturelles Leben seinen festen Platz hatte.
Für Susanne Rode-Breymann, Professorin für Musikwissenschaft an der HMT in Hannover und Gastgeberin dieses Symposiums, bedeutet dieser neue Ansatz vor allem, die Quellenlage in den Kultur- und Geschichtswissenschaften neu zu untersuchen.
"Dadurch, dass das Fach als ein Männerdominiertes Fach Geschichtsschreibung begonnen hat, haben sie Quellen gelesen und ein Drittel wegfallen lassen, das überliest man. Das ist auch gar nicht zu kritisieren, man muss eben alles neu lesen. Man muss nicht denken, ich finde nichts, sondern man muss einfach mit den neuen Fragestellungen diese Quellen noch einmal lesen und hat dann Aha-Erlebnisse, das einfach unglaublich viel sich auftut, was anderen nicht wichtig war. "
Kulturelles Leben von Frauen zu erforschen, bedeutet jedoch auch, den Blick zu öffnen weg vom Genie- Kult hin zu einem erweiterten Kulturbegriff. Susanne Rode- Breymann:
"Die überlieferten Werke, die gedruckten Notentexte sind einfach in der Minderzahl und da kommt man immer wieder in diese Sackgasse, dass man sagt, na ja, es gibt eben doch nicht so viele Komponistinnen, oder sie waren eben nicht so gut wie die prominenten Genies. Man muss die Kategorie von Genieästhetik wirklich über Bord werfen und muss dazu stehen, dass Frauen Kultur prägen, in dem sie kulturell tätig sind. Und das sind Sammlerinnen, das sind Frauen, die Bildung weiter geben, also Erziehungsforschung müssen wir auch betreiben. Das sind Frauen, die fördern, das sind Musikerinnen, das heißt, wir haben so eine ganze Palette von Frauen, die tätig sind. Ich spreche auch über die Druckerinnen in Nürnberg und wer würde heute behaupten, dass Herr Hanser- Strecker vom Schottverlag, nicht ein zentral Kulturprägender Mensch ist und das waren eben in Nürnberg Frauen. "
Wie schnell man fündig wird, wenn man in diesen Kategorien denkt, bewiesen die zahlreichen interessanten Vorträge des Symposiums. Da stellte beispielsweise Professor Hartmut Möller, Musikwissenschaftler aus Rostock, die Notensammlung der Prinzessin Louise Friederike von Mecklenburg vor, die vor allem für die Lautenmusik zu den bedeutendsten Sammlungen ihrer Zeit gehört. Sabine Meine vom Deutschen Historischen Institut in Rom berichtete über die hochgebildeten und kunstverständigen Kurtisanen in Rom, die in der Spannung zwischen Ansehen, Begehrtheit und Stigmatisierung in der Gesellschaft des 16. Jahrhunderts eine bedeutende Sonderstellung inne hatten.
Welch hohen Anteil am Kulturleben Frauen in Venedig hatten, zeigte die Literaturwissenschaftlerin Professorin Susanne Winter aus Salzburg am Beispiel der Musikensembles der venezianischen Waisenhäuser, der Ospitali, für die die führenden Komponisten ihrer Zeit wie Antonio Vivaldi komponierten.
"Die Ospitali waren eine kirchliche soziale Institution, die bereits Anfang des 17. Jahrhunderts auch eine musikalische Ausbildung den Mädchen… angedeihen ließen und es entwickelten sich dann in der Zeit hervorragende Ensembles, etwa 40 Frauen sangen und musizierten unter der Leitung dann allerdings von Männern, aber die Ausführenden waren eben Frauen und die Ensembles hatten ne besonders gute Qualität, weil es feste Ensembles waren, die Leute spielten immer zusammen und dadurch steigt natürlich die musikalische Qualität. "
Eine frühe Form von Hochbegabtenförderung also. Während die Waisenkinder meist auch noch als Erwachsene hinter den hohen Mauern der Ospitali lebten und ihr als "engelsgleich" gerühmter Gesang sich stets aus vom Kirchenraum optisch abgetrennten Emporen verströmte, gelang der Sopranistin Faustina Bardoni vom Opernhaus Teatro Fenice eine geradezu modern anmutende Solokarriere:
"Faustina Bardoni war sicher eine der bekanntesten Opernsängerinnen ihrer Zeit, also der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und sie machte ihr Debüt in Venedig und wurde dann sehr bekannt, reiste herum, war auf Tourneen, war eben im Gegensatz zu den Mädchen der Ospitali ganz und gar nicht eingeschlossen, sondern frei und verdiente auch ihr Geld mit ihren Engagement. "
Eines der wichtigsten Ergebnisse des Symposiums war, dass Frauen der oberen Stände weit besser ausgebildet und einflussreicher waren als bisher allgemein bekannt. Es zeigte sich jedoch, wie viel Forschungsbedarf noch besteht, aber auch wie viel Forschungsmöglichkeiten sich auf dem Gebiet der kulturellen Tätigkeit von Frauen eröffnen. Zwei weitere Kongresse in den nächsten zwei Jahren sind schon geplant, sie werden sich schwerpunktmäßig mit dem höfischen und dem klösterlichen Kulturleben beschäftigen.
" Wir setzen heute häuslich und privat gleich. In der Frühen Neuzeit, späten Mittelalter kann man das nicht tun. Das Haus ist ein eigener Rechtsbereich, ein geschützter Rechtsbereich und der Haushaltsvorstand, das heißt, der Ehemann und die die Haushaltsmutter üben Herrschaft in diesem Haus aus und alle Personen, die Herrschaft ausüben, haben einen öffentlichen Charakter, sie nehmen Teile von Aufgaben wahr, die wir heute als öffentlich, staatlich darstellen. "
Ein bürgerlicher Haushalt im 17. und 18 Jahrhundert umfasste weit mehr Personen als die Kernfamilie, zu ihm gehörten auch das Gesinde und die Handwerker mit ihren Familien, weitläufige Verwandtschaft, Kostgänger, sogar Fremde, die in dem Haus vorübergehend Unterkunft fanden. Eine Gemeinschaft von Menschen also, für deren Wohlergehen, Bildung und Erziehung die Haushaltvorstände verantwortlich waren und in dem ein kulturelles Leben seinen festen Platz hatte.
Für Susanne Rode-Breymann, Professorin für Musikwissenschaft an der HMT in Hannover und Gastgeberin dieses Symposiums, bedeutet dieser neue Ansatz vor allem, die Quellenlage in den Kultur- und Geschichtswissenschaften neu zu untersuchen.
"Dadurch, dass das Fach als ein Männerdominiertes Fach Geschichtsschreibung begonnen hat, haben sie Quellen gelesen und ein Drittel wegfallen lassen, das überliest man. Das ist auch gar nicht zu kritisieren, man muss eben alles neu lesen. Man muss nicht denken, ich finde nichts, sondern man muss einfach mit den neuen Fragestellungen diese Quellen noch einmal lesen und hat dann Aha-Erlebnisse, das einfach unglaublich viel sich auftut, was anderen nicht wichtig war. "
Kulturelles Leben von Frauen zu erforschen, bedeutet jedoch auch, den Blick zu öffnen weg vom Genie- Kult hin zu einem erweiterten Kulturbegriff. Susanne Rode- Breymann:
"Die überlieferten Werke, die gedruckten Notentexte sind einfach in der Minderzahl und da kommt man immer wieder in diese Sackgasse, dass man sagt, na ja, es gibt eben doch nicht so viele Komponistinnen, oder sie waren eben nicht so gut wie die prominenten Genies. Man muss die Kategorie von Genieästhetik wirklich über Bord werfen und muss dazu stehen, dass Frauen Kultur prägen, in dem sie kulturell tätig sind. Und das sind Sammlerinnen, das sind Frauen, die Bildung weiter geben, also Erziehungsforschung müssen wir auch betreiben. Das sind Frauen, die fördern, das sind Musikerinnen, das heißt, wir haben so eine ganze Palette von Frauen, die tätig sind. Ich spreche auch über die Druckerinnen in Nürnberg und wer würde heute behaupten, dass Herr Hanser- Strecker vom Schottverlag, nicht ein zentral Kulturprägender Mensch ist und das waren eben in Nürnberg Frauen. "
Wie schnell man fündig wird, wenn man in diesen Kategorien denkt, bewiesen die zahlreichen interessanten Vorträge des Symposiums. Da stellte beispielsweise Professor Hartmut Möller, Musikwissenschaftler aus Rostock, die Notensammlung der Prinzessin Louise Friederike von Mecklenburg vor, die vor allem für die Lautenmusik zu den bedeutendsten Sammlungen ihrer Zeit gehört. Sabine Meine vom Deutschen Historischen Institut in Rom berichtete über die hochgebildeten und kunstverständigen Kurtisanen in Rom, die in der Spannung zwischen Ansehen, Begehrtheit und Stigmatisierung in der Gesellschaft des 16. Jahrhunderts eine bedeutende Sonderstellung inne hatten.
Welch hohen Anteil am Kulturleben Frauen in Venedig hatten, zeigte die Literaturwissenschaftlerin Professorin Susanne Winter aus Salzburg am Beispiel der Musikensembles der venezianischen Waisenhäuser, der Ospitali, für die die führenden Komponisten ihrer Zeit wie Antonio Vivaldi komponierten.
"Die Ospitali waren eine kirchliche soziale Institution, die bereits Anfang des 17. Jahrhunderts auch eine musikalische Ausbildung den Mädchen… angedeihen ließen und es entwickelten sich dann in der Zeit hervorragende Ensembles, etwa 40 Frauen sangen und musizierten unter der Leitung dann allerdings von Männern, aber die Ausführenden waren eben Frauen und die Ensembles hatten ne besonders gute Qualität, weil es feste Ensembles waren, die Leute spielten immer zusammen und dadurch steigt natürlich die musikalische Qualität. "
Eine frühe Form von Hochbegabtenförderung also. Während die Waisenkinder meist auch noch als Erwachsene hinter den hohen Mauern der Ospitali lebten und ihr als "engelsgleich" gerühmter Gesang sich stets aus vom Kirchenraum optisch abgetrennten Emporen verströmte, gelang der Sopranistin Faustina Bardoni vom Opernhaus Teatro Fenice eine geradezu modern anmutende Solokarriere:
"Faustina Bardoni war sicher eine der bekanntesten Opernsängerinnen ihrer Zeit, also der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und sie machte ihr Debüt in Venedig und wurde dann sehr bekannt, reiste herum, war auf Tourneen, war eben im Gegensatz zu den Mädchen der Ospitali ganz und gar nicht eingeschlossen, sondern frei und verdiente auch ihr Geld mit ihren Engagement. "
Eines der wichtigsten Ergebnisse des Symposiums war, dass Frauen der oberen Stände weit besser ausgebildet und einflussreicher waren als bisher allgemein bekannt. Es zeigte sich jedoch, wie viel Forschungsbedarf noch besteht, aber auch wie viel Forschungsmöglichkeiten sich auf dem Gebiet der kulturellen Tätigkeit von Frauen eröffnen. Zwei weitere Kongresse in den nächsten zwei Jahren sind schon geplant, sie werden sich schwerpunktmäßig mit dem höfischen und dem klösterlichen Kulturleben beschäftigen.