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Die Strategie der EZB
Ökonomen zweifeln an Draghi

Ist Mario Draghi mit seiner Politik der Niedrigzinsen und Strafgebühren auf Bankeinlagen noch auf dem richtigen Kurs? Kritik erntet der EZB-Präsident unter anderem von den Ökonomen einiger großer Konzerne. Die fordern nicht etwa mehr, sondern weniger Liquidität.

07.01.2016
    EZB-Präsident Mario Draghi.
    EZB-Präsident Mario Draghi. (AFP / Daniel Roland)
    Die Finanzmärkte waren unzufrieden mit der letzten geldpolitischen Entscheidung der Europäischen Zentralbank im Dezember. Sie hatten eine noch stärkere Lockerung erwartet. Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, rechtfertigte das mit Verweis auf eine anhaltende Erholung, die vor allem vom Verbrauch getragen werde. Warum dann überhaupt eine weitere Lockerung?, fragen sich jedoch die Ökonomen, vor allem in Deutschland. Sie wollen nicht mehr, sondern weniger Liquidität. Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz:
    "Es ist eine Medizin, die natürlich die Risikobereitschaft der Investoren weiter erhöht und die Abhängigkeit von Nullzinsen weiter verschärft, den Ausstieg dann immer schwieriger macht. Insofern würde ich bei Abwägung von Pro und Con eindeutig auf der kritischen Seite stehen."
    Denn immer stärker wird das Risiko von Blasenbildungen vor allem am Immobilien- und Aktienmarkt. Eigentlich möchte die EZB ja mit ihrem reichlichen Liquiditätsangebot und mit den Strafzinsen auf Einlagen erreichen, dass die Banken das Geld arbeiten lassen, also im Euroraum mehr Kredite vergeben. Doch die haben noch ein anderes Problem, erklärt Stefan Schneider, Volkswirt der Deutschen Bank:
    "Solange die Situation in der Eurozone relativ stabil, aber nicht euphorisch ist und wir immer noch praktisch die Konsolidierung in vielen Bereichen der Eurozone vor uns haben, das heißt eigentlich den Abbau der Schulden, hat die EZB natürlich ein Dilemma, das Schuldenabbau und zusätzliche beschleunigte Kreditvergabe sich irgendwie nicht miteinander vertragen."
    Die Wirtschaft im Euroraum ist also noch nicht so stark wie etwa die in den USA: Deren Notenbank Fed hatte ja Mitte Dezember wie erwartet die Zinswende eingeleitet, also die Zinsen leicht erhöht. Das unterstützt die Geldpolitik der EZB insofern, als der Euro sich dadurch gegenüber dem Dollar weiter abschwächen dürfte. Dieser Effekt ist der EZB sicher willkommen, aber sie hat offiziell kein Wechselkursziel, sondern sie will die Preise im Euroraum stabil halten. Das bedeutet für die Notenbank, dass die Preise um unter, aber nahe zwei Prozent steigen sollen. Dieses Inflationsziel wirkt inzwischen wie eine Zwangsjacke, meint Allianz-Chefvolkswirt Heise. Heise schlägt deshalb eine andere Lösung vor:
    "Daher wäre es dringend notwendig, Preisstabilität flexibler zu definieren. In früheren Zeiten hat auch die EZB gesagt, Preisstabilität ist eine Inflationsrate von unter zwei Prozent. Das kann auch mal ein Prozent sein oder mal 0,5 Prozent, das würde ihr wesentlich mehr Flexibilität in ihrer Politik geben und sozusagen sie nicht unter den Zwang setzen, expansive Maßnahmen immer weiter zu verschärfen, obwohl sie kaum noch Auswirkungen auf das Preisniveau haben."
    Sollte die EZB ihr Inflationsziel nicht anpassen, wird es wohl wie angekündigt noch mindestens bis März 2017 bei der Politik des billigen Geldes bleiben. Trotz aller Bedenken der Ökonomen.