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Die Wahrheit hält Gericht

Heute beginnt das Schilerjahr. Schillers Helden ist eine Ausstellung der Stiftung Weimarer Klassik gewidmet. Dabei geht es um den lebendigen Umgang mit Schiller und die Modernität seiner Botschaft für die Gegenwart.

    Schossig: Am Telefon verbunden bin ich mit Hellmut Seemann, dem Germanisten und Präsidenten der Stiftung Weimarer Klassik. Die Stiftung nimmt das Schillerjahr zum Anlass, jetzt Schillers Helden heute in einer Ausstellung vorzustellen. Wie machen Sie das ohne Bühne, jenseits des Theaters?

    Seemann: Natürlich ist es immer eine Problematik, eine Ausstellung über Theater zu machen. Wir haben aber die Helden gewählt, weil wir fanden, das ist ein guter Einstieg in die Dramatik Schillers, denn wo gibt es solche Helden, so ambivalente, so große, so menschliche Figuren wie gerade in Schillers Geschichtsdramen. Und deswegen haben wir die Helden in den Mittelpunkt der Präsentation seiner Stücke gestellt.

    Schossig: Sie sprachen gerade von der Ambivalenz. Der Titel Ihrer Ausstellung heißt 'die Wahrheit hält Gericht', es geht um Schillers Reaktion auf die Zeitenwende um 1800, was können wir da, Stichwort Ambivalenz heute, 200 Jahre später, eigentlich damit anfangen?

    Seemann: Nun, ich glaube, da liegt der eigentliche Kern unserer, darf ich das Botschaft nennen, die wir mit dieser Ausstellung verfolgen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in einer sehr ähnlichen Situation leben wie Schiller in Weimar um 1800 gelebt hat. Eine Situation, die von großen Umbrüchen gekennzeichnet ist, die auch allen deutlich vor Augen stehen, die aber nicht absehen lassen, wohin das alles führen wird und die deswegen sehr ambivalente Gefühle bei den Zeitgenossen erregen. Das ist genau die Disposition, die das Publikum um 1800 hatte und ich denke, das macht die Aktualität und Modernität Schillers aus.

    Schossig: Dennoch, dieses Weltumarmende von Schillers Optimismus, diesen Kuss der ganzen Welt und auf der anderen Seite natürlich auch das Skeptische, das Bewusstsein des Scheiterns. Hat das nicht heute doch andere Vorzeichen, wie haben Sie das in der Ausstellung bearbeitet?

    Seemann: Es gibt diesen Schiller, der die Welt umarmen möchte, aber die Ausstellung - und wir finden, auch die Dramatik - Schillers stellt dieses Weltbild nicht in den Mittelpunkt. Im Mittelpunkt der Ausstellung und der großen Dramen von Schiller steht eine tiefst pessimistische Welt- und Geschichtsauffassung, die eigentlich eben nur hier und dort von der Hoffnung, der Freude, der Poesie eingefangen wird, aber niemals weicht. Die Ausstellung ist eher dunkel, sie ist verdüstert und ich denke, dieses Weltbild, diese Zukunftsperspektive ist uns sehr viel näher als dieses ständig zitierte "seid umschlungen, Millionen".

    Schossig: Sie ziehen auch Schillerinszenierungen aus jüngster Zeit heran, seit den 60erjahren, Peter Zadek etwa, natürlich eine der großen Ikonen der Räuber. Wie machen Sie das, geht das ohne Film, ohne Video?

    Seemann: Wir setzen sowohl Monitore ein, in denen wir Inszenierungen vorstellen wie auch Großbildflächen, wo wir in unseren Augen besonders wichtige Inszenierungen in Ausschnitten den Besuchern vorführen. Insofern ist diese Ausstellung nichts, was man so 'kuck mal' anschaut und dann hat man sie gesehen, man muss sich in die einzelnen Kapitel (wir beschäftigen uns ja mit sieben der historischen Stücke Schillers) wirklich hineinlesen, -schauen, -sehen und dann kann man aber diese entscheidenden Inszenierungen der letzten 30, 40 Jahre tatsächlich auch authentisch anschauen.

    Schossig: Brechen Sie also auch eine Lanze fürs Regietheater?

    Seemann: Es geht eigentlich nicht so sehr um die Frage Werktreue oder Regietheater, es geht mehr um die Frage wann interessieren sich Autoren (es geht ja auch um Adaptationen) erneut für Schiller. Das kann dann sehr frei sein, wenn etwa sich Einer Schläf mit Maria Stewart, es kann aber auch sehr nah dran sein, wenn wir etwa die Hell-Aufführung vom Jahre 2004 auf dem Rütli uns anschauen. Beides wird in der Ausstellung gezeigt.