Die Gemeinde Blons liegt im Großen Walsertal, einem V-Tal mit steilen, heute nebelbebauschten Flanken in Vorarlberg und Erich Mäser, Mitglied des Heimatvereins hat sich bereit erklärt mir den Lawinenlehrpfad am Falvkopf zu erläutern. Und dafür muss man dann doch irgendwann in den Regen.
"Wir befinden uns hier im Schutzwald und wir sehen hier etwas, was wir oben nicht mehr sehen können, hier im Abbruchgebiet im Wald, was man sich früher überhaupt nicht vorstellen konnte, dass eine Lawine im Wald losbricht und das hat sich eben hier in Blons gezeigt, dass das doch möglich ist und vor allem deswegen, weil hier großteils Fichtenbestand ist und die Fichten haben natürlich ihre Äste, wenn sie entsprechend belastet werden legen sie sie an Richtung Stamm und dann geht natürlich der Schnee runter auf den Boden und dann passiert folgendes, dass eben unten überhaupt kein Wuchs da ist, keine Sträucher, kein Gras nichts, sondern nur die Nadeln am Boden liegen und dann passiert das natürlich, dass dann dort der Schnee weiterrutscht und wenn's dann ins freie Gelände kommt ist dann natürlich die Hölle los."
1954 gingen in der Schweiz und Österreich unzählige Lawinen ab. Eine der verheerendsten überrannte von hier aus die Gemeinde Blons. Was diese Mont-Calv-Lawine so außergewöhnlich macht ist, dass sie eine jahrhundertealte vermeintliche Sicherheit in Frage stellte. Die generelle Schutzfunktion des Waldes.
Mäser: "Ursprünglich war ja der Wald bis ganz oben auf, das heißt bis gegen 2000 Meter und damit hat's keine Probleme gegeben. Dann sind dann die Walser gekommen und haben Wald auch gerodet und dann ist da zusätzlich eine Klimaverschlechterung gekommen, damit ist auch der Wald wieder etwas zurückgegangen und zusätzlich ist das Gelände Flyschgestein, bei uns gibt es das Mundartwort Flysser, also fließen und das spielt alles miteinander eine entsprechende Rolle."
Bereits 1497 ist die erste Lawine in Blons unrundlich erwähnt und man sah schnell einen Zusammenhang zwischen der Rodung der Wälder und der zunehmenden Lawinengefahr. Und so forderten die Bewohner des Tals bereits im 15 Jahrhundert von den Besitzern der Wälder, den Grafen von Montfort und Blumenegg die in Bannlegung des Restbaumbestandes.
Mäser: "Man wollte mit diesem Bannwald sich vor den Lawinen schützen und auf der andren Seite vor Vermurungen, Steinschlag und so weiter. Natürlich war beim Schutzwald das riesige Problem, dass er überaltert war, dadurch, dass man keine Bäume mehr schlagen durfte und damit hat man natürlich über 100, 200 Jahre da drin überhaupt nichts getan und es kam auch praktisch kein neuer Wald auf weil man nichts pflanzen konnte weil es war ja kein Platz da weil die alten Bäume da gestanden sind."
Doch nicht nur die Überalterung der Bäume schwächte den Schutzwald. Rot-, Reh- und Gamswild lieben besonders die jungen Sprösslinge von Lärche, Zirbe und Laubbäumen. Übrig blieben Fichten-Monokulturen und ein Anheben der Abschusszahlen war unvermeidlich.
Etliche Höhenmeter weiter oben verabschieden wir uns von Gustel und dem Auto und machen uns zu Fuß auf den Weg zum Falvkopf. Hier beginnt der Verbauungsweg der Wildbach- und Lawinenverbauung, auf dem der Interessierte einen Überblick über unterschiedlichste Lawinen- Verbauungsmethoden bekommt. Der Regen hat aufgehört und der schmale, wurzeldurchzogene Weg führt uns mitten hinein in blühenden blauen Eisenhut, gelben Klappertopf, Margariten und großes Leimkraut.
Mäser: "Ja es sind hier also bereits Fichten und Bergahorn gemischt, es stehen mittendrin auch noch einige Eschen und dadurch, dass die Mischung da ist, schützen sich die Bäume gegenseitig."
Stephanie Damm: "Seit wann weiß man denn, dass man einen durchmischten Wald braucht und der viel sicherer ist?"
Mäser: "Eigentlich wissen tut man's seit der Lawinenkatastrophe seit 1954, seit die Mont-Calv-Lawine im Wald drinnen eigentlich losgebrochen ist und seit dem weiß man, dass ein entsprechender Unterwuchs da sein muss und in der Monokultur gibt's einfach keinen Unterwuchs und es werden abgebrochene Äste liegen gelassen, weil auch das wieder das Abrutschen des Schnees im Winter verhindert."
Damm: "Und dieser recht bunte Bodenbewuchs kommt durch das lichte Stehen der Bäume?"
Mäser: "Richtig, und da kann man schon erkennen, dass die Bäume eher in Gruppen gepflanzt wurden. Damit kommt auch entsprechend Licht herein und das gibt dann auch den guten Unterwuchs dann."
Rechts und links des Weges stehen Blaubeerensträucher mit unverschämt aromatischen Früchten, pralle Himbeeren rufen "iss mich", und die Wirkung des beiläufig eingeflochtenen Wörtchen "wenn" in Bezug auf das Erreichen der Bergspitze von Seiten meines Begleiters hält nur wenige Meter vor.
Mäser: "Wir befinden uns in einem Stück, wo damals die Falvkopflawine abgegangen ist und wir sehen da drüben einen Schutzwall, der aufgebaut wurde. Es war an sich hier eine Ebene drin, dann hat man hinten noch ausgehöhlt und dann vorne das Material aufgeschüttet. Es soll einen gewissen Schutz bieten, vor allem für die Grundlawinen, für die Nassschneelawinen, Trockenschneelawinen, je trockener die Lawine, umso weniger nützen diese Schutzwälle weil ohne weiteres eine solche Trockenschneelawine 20 bis 25 Meter Höhe überwinden kann."
Die Lawine von 1954 war eine Trockenschneelawine. Etwa die Hälfte der 55 Todesfälle in der Gemeinde Blons war auf mechanische Verletzung zurückzuführen, verursacht durch zersplitterte Balken und geborstene Öfen.
Mäser: "Es ist ganz interessant. Es ist in einem Kubikmeter Luft unter Umständen fast kein Schnee drin, das was natürlich die große Gefahr ist von diesen Staublawinen ist das ist eben der große Luftdruck der vorher kommt. Natürlich ist schon auch Schnee dabei, das Gefährliche ist der Luftdruck, der alles davor wegfegt. Bei den Nassschneelawinen rutschen natürlich langsam herunter und wenn da amal mehrere Bäume im Weg stehen kann es schon passieren, dass die im Stande sind eine solche Lawine, Nassschneelawine aufzuhalten, aber gegen die Staublawine ist praktisch kaum ein Kraut gewachsen. Da gibt es nur die eine Möglichkeit: oben verbauen, damit sie gar nicht abbrechen können."
Die Kehren werden häufiger, der Weg steiler und plötzlich treten wir aus dem mittelhohen Gehölz auf eine Schneise, die nach der Wiederaufforstung in den 60er Jahren erneut von Steinabgängen geschlagen wurde. Und man erschrickt über die schiere Größe dessen, was vom Tal aus eher wie eine Struktur im Hang wirkt.
Mäser: "Wir haben hier jetzt die ersten Lawinenverbauungen und das sind Stahlschneebrücken nennt man so etwas, das sind die neuesten Verbauungen die es so gibt hier und gegenüber den Hängeschneebrücken, die oben angehängt waren sind hier die Stützen unten, also talwärts und die Verbauungen sollten eigentlich den Zweck erfüllen auch, neben dem dass sie den Abbruch des Schnees verhindern auch dass der Jungwald dazwischen aufkommt, den man pflanzt. Es gibt da und dort sogar Stellen, wo sie durch wachsen."
Damm: "Und die stehen so im Abstand von 20 Metern oder so, wahrscheinlich unterschiedlich?"
Mäser: "Ja so 23 bis 30 Meter aber das ist geländeabhängig, es kann sein, dass sie ein bisschen weiter auseinander sind. Sie sind grundsätzlich vier bis viereinhalb Meter hoch und wenn da zum Beispiel eine Schneelast draufliegt von Nassschnee, dann kann so eine Stütze bis vier Meter Länge, bis zu etwa sechs Tonnen Last aushalten. Wobei man natürlich sagen muss, dass es eine 100 Prozentige Sicherheit nie geben wird, weder vor Lawinen noch vor Vermurungen, das kann immer wieder kommen."
Die Metallbrücken reihen sich soweit das Auge reicht in Richtung Bergspitze und man wünscht sich unwillkürlich, die Bäume mögen schneller wachsen, um diese rostigen Fremdkörper zu verdecken.
Wieder im Wald sind die Bäume nun nur noch sechs bis sieben Meter hoch und nach der nächsten Kehre wird deutlich, dass nicht nur sichtbare Eingriffe diese Hänge völlig neu gestaltet haben.
Mäser: "Wir befinden uns jetzt auf einem sogenannten Druckhügel. Seine Aufgabe ist den Schneedruck abzuschwächen und aufgebaut ist dieser Hügel so dass auf der Talseite mit Rasenziegeln ein Aufbau gemacht wird und dieser Aufbau wird dann mit Erde, die hier abgegraben wird, hier können wir den Rand noch sehen, aufgefüllt und damit ist das eben und wird der Schneedruck auch gemildert."
Damm: "Hier sind Brücken unter uns, über uns, rechts und links und in der Mitte ist dieser Druckhügel, wahrscheinlich ein paar Meter rechts und links direkt der nächste."
Mäser: "Na, hier geht jetzt eher ein Graben herüber, man sieht auch da, dass da ein Steilhang ist auf der Talseite und ist nur natürlich im Gras noch stärker verwachsen als hier."
Was wir, infolge meines Beerenhungers, nicht mehr erreichen, ist die Triebschneewand aus Stahlprofilen die längs zum Berg bis hoch auf 1849 Meter zwei Abbruchgebiete trennt.
Mäser: "Der Wind kommt hier vom Nordwesten eigentlich herüber und trägt den Wind hier über den Gipfel und über einen kleinen Pass den Schnee herein und verlagert ihn auch genau hier in diese Mulde und das wird dann natürlich gefährlich. Zum Beispiel 1999 bestand hier die große Gefahr, die Schneebrücken waren alle total angefüllt und wenn diese Triebschneewand nicht gewesen wäre, wäre es wirklich wieder kritisch geworden."
Mittlerweile haben wir eine Höhe knapp 1800m erreicht. Nach hängenden und stehenden Schneebrücken, solchen aus Holz und Metall erwartet uns hier die Frühgeschichte der Lawinenverbauung. Der sogenannte Arlbergrechen von 1907 erinnert eher an einen hoch geratenen Bauerngarten- Holzzaun und davor ist eine Terrasse aus Stein aufgeschichtet.
Mäser: "Eigentlich war das das erste was man an Lawinenverbauungen gemacht hat, damals wusste man natürlich nichts besseres, es waren natürlich auch die technischen Möglichkeiten noch nicht so gegeben und deswegen haben die also mit dem Material, das vor Ort lag eben gearbeitet."
Damm: "Wir stehen jetzt direkt über Blons?
"
Mäser: "Blons liegt jetzt hier etwas weiter westlich hier unten, wir sind also im Ostteil der Gemeinde Blons und hier ist eben die Falvkopflawine damals am 11. Jänner 1954 abgegangen, vormittags um 10 hat die sich gelöst, am Walkenbach unten, wie diese Parzelle heißt, da wurden über 50 Menschen verschüttet, einen Teil der Menschen konnte man nur noch tot finden, die anderen hat man dann ins Dorf geholt und 14 von diesen Leuten kamen dann am Abend bei der Mont-Calv-Lawine dann im Dorf ums Leben."
Blons, eine Gemeinde mit heute wieder 344 Einwohnern hat, wie für Walsersiedlungen üblich, außer der Kirche und wenigen alten oder wiederaufgebauten Häuser keinen alten Dorfkern. Die Viehbauern benötigten Wiesen für ihre Kühe und streuten ihre Gehöfte in großen Abstand über den Hang. Zwischen der Kirche und dem neuen Gemeindezentrum treffe ich mich mit Maria Ganahl, die das Lawinen- Dokumentationszentrum betreut. Wo sitzen wir nun hier?
"Genau mittendrin, weil die Lawine kam genau hier herunter vom Falvkopf durch das Dorf und wo wir jetzt sitzen, diese Häuser nahm die Lawine mit. Das war am 11.Jänner 1954. Es wurden eigentlich sehr viele Häuser wieder aufgebaut und das neue Gemeindezentrum wurde hier gebaut und weil gerade das 50jährige Gedenken war hat man einfach auch besonders an die Lawinenkatastrophe gedacht und hat da ein Lawinendokumentationszentrum gemacht."
Damm: "Da gehen wir jetzt mal hin."
Ganahl: "Da gehen wir hin. Das ist hauptsächlich Weißtanne aus Blons. So ca. alle 50 Jahre muss ausgeforstet werden im Wald und das war nun nötig und mit diesem Holz hat man jetzt das neue Gemeindezentrum gebaut."
Das moderne, helle Holzgebäude öffnet sich spektakulär über eine durchgehende Fensterfront auf die gegenüberliegende Talseite und das Dorf Ragall.
Ganahl: "Und wenn wir hier hereinkommen ist jetzt hier chronologisch der Tag, der 11. Jänner 1954 angegeben, von 1 Uhr bis 24 Uhr, und dann steht da bei 5 Uhr, die Murlawine zerstörte ein Haus und einen Stall und um 9 Uhr Stutzlawine zerstörte neun Häuser und sieben Ställe, ein Toter, um 10 Uhr, die Falvkopflawine zerstörte 10 Häuser und 20 Ställe, 75 Verschüttete, 42 Tote und so weiter."
Bereits 1497 ist die erste Falvkopf- Lawine urkundlich erwähnt. Danach kam es ca. alle 50 Jahre zu Lawinenereignissen, die jedoch nie so viele Opfer forderten wie 1954.
Ganahl: "Im Herbst 1953 hatte es keinen Schnee, es haben Blumen geblüht, die Kinder haben zu Weihnachten Blumensträuße mit nach Hause gebracht und dann am 9.Jänner hat es angefangen zu schneien, ganz ein lockerer Schnee, wenn man gelaufen ist, ist der Schnee gleich wieder zusammengefallen und da kamen dann solche Mengen zusammen und der Schnee hatte keinen Untergrund und hat nicht gehaftet und dadurch ist der Schnee dann gekommen, dadurch sind dann die Lawinen gekommen. Also meine Mutter hat erzählt, das war ein Sonntag und die Leute kamen in die Kirche, wie es bei uns üblich ist, alle kommen in die Kirche und alle haben gesagt, wir müssen schnell wieder nach Hause, irgendwas ist in der Luft, irgendwas passiert. "
Zu diesem Zeitpunkt kostete eine erste Lawine, wenige Kilometer entfernt im Gemeindebezirk Fontanella, im hinteren Walsertal, zwei Kirchgänger auf dem Weg nach Hause das Leben. Jeder war auf sich gestellt und konnte lediglich auf die Hilfe der direkten Nachbarn hoffen, als die Lawinenabgänge auch noch am nächsten Tag anhielten.
Ganahl: "Die Leute im Dorf haben das zuerst gar nicht mitbekommen, dass am 10 Uhr Vormittags die Falvkopflawine in Falentschina heruntergegangen ist. Es hat natürlich immer noch geschneit, auch gegenüber dem Tal, dem Ort Ragall, die haben das erst gesehen, was für eine Katastrophe da war als es aufgehört zu schneien hat, das war erst ein zwei Tage später."
In Fontanella, im hinteren Walsertal bin ich am folgenden Abend bei einer Walserfamilie zu Gast. Mit dem 80jährige Erich Bertel, seinen beiden Töchtern, dem Schwiegersohn und der Enkelin sitze ich bei einem Riebel, einem traditionellen Walsergericht in der Küche um den großen Tisch.
"Ein Riebel das ist die Leibspeise von uns, das gibt's jetzt noch jeden Tag, das ist ein Stopfer, nennt sich das, das wird aus Milch, Butter, Salz und Maisgries oder Weizengries gemacht."
Erklärt mir die Tochter Erika Pfefferkorn beim Zubereiten des knusprig angebratenen festen Griesbreis in einer hohen Pfanne. Alles Zutaten, die man bei den häufig ums Überleben kämpfenden Walser Milchbauern immer im Haus hatte. Der Riebel wird übrigens im Milchkaffee ertränkt, dann herausgelöffelt und mit Bergkäse oder Zucker kombiniert. Erika ist es auch die Ihren Vater auffordert mir von dem Tag der Lawine zu erzählen:
Erich Bertel: "Da hat meine Vater noch gelebt und da sind wir in den Stall gegangen am morgen und da hat man es gleich gemerkt. Wo es ein bisschen steil war, wenn man da reingestapft ist, ist es gleich abgerutscht und weg und dann haben wir gemolken und ich hatte einen Kübel Milch, auch so mit Tragbändern, sollte ich in die Sennerei hinauf gehen. Und wie ich bei der Sennerei war begann das Rauschen im Wald über mir und die Lawine kam. Ich bin unter einen Zementsockel gelegen, habe mich mit meinen Händen geschützt und dachte, der wird nicht als erstes mitgerissen und schon ist ungefähr 100 Meter hinter mir auf dem Hang die Lawine ins Tal gestürzt, hat drei, vier Häuser mit sich gerissen und Stallungen, ja, das war eine schlimme. Aber wir haben Glück gehabt, dass wir auf so einem Rücken gewesen sind und da ist die Lawine abgebogen in diese Mulde und dort hinein, da draußen ist sie abgegangen und in dem Tobel wo der Wald dort ist. Das Gebäude das man dort sieht, das war vollständig weg. Dort gab es sieben Tote, weiter unten eine Familie, fünf Kinder und der Vater sind ums Leben gekommen."
Wie sahen denn damals die Schutzmaßnahmen gegen die Lawinen aus?
"Man hat schon, wo es lawinengefährlich gewesen ist, wenn man gebaut hat, hat man eine Schanze darüber gemacht, eine Mauer gebaut und mit Erde aufgeschüttet bis es die Höhe vom Haus hatte und damit geschützt war, einen Stier hat man gesagt, einen Stier aufs Haus bauen."
Claudia Rinderer: "Und da hat es die Lawine geteilt oder die Staublawine ist darüber hinweg weil es flach vom Hügel übers Dach drüber gegangen ist oder eine Grundlawine im Frühling hat es geteilt."
Erich Bertel: "Schutzbäume hat es auch gegeben, ja sicher, grad da draußen, aber da hat man extra Tannen angepflanzt, damit sie die Lawine etwas aufgehalten hat."
Rinderer: "Früher, das waren ja auch die einfachsten Mittel einen Baum zu pflanzen Und heute hat man modernere Techniken, jetzt macht man Lawinenverbauungen in großer Höhe, damit die Lawine erst gar nicht zustande kommt. "
Erich Bertel: " Ja das hat man früher nicht gekannt so eine Lawinenverbauung wie jetzt mit Eisen und Beton, wie hätte man das in die Hänge hoch gebracht, das war unmöglich. "
Fühlt man sich denn heute mit diesen modernen Verbauungen völlig sicher im Tal oder verhält man sich anders wenn es schneit?
Rinderer: "Wir haben keine Angst aber wir haben Respekt vor dem Schnee. Es gibt in jedem Dorf eine Lawinenkommission, da kommen meist ältere Leute zusammen, erfahrene, und die schauen dann ob man das für die Allgemeinheit noch verantworten kann, ob man fahren kann oder sonst wird halt einfach eine Sicherheitssperre verhängt und das ist ein Problem wenn Gäste da sind und da wundere ich mich immer wieder, dann sagen die da ist die Schranke runter, wir können nicht weg und kriegen voll die Krise und dann sage ich bei uns schneit es und wenn's bei uns schneit dann bleibt man daheim. Das ist für uns ganz normal, damit sind wir aufgewachsen. "
"Wir befinden uns hier im Schutzwald und wir sehen hier etwas, was wir oben nicht mehr sehen können, hier im Abbruchgebiet im Wald, was man sich früher überhaupt nicht vorstellen konnte, dass eine Lawine im Wald losbricht und das hat sich eben hier in Blons gezeigt, dass das doch möglich ist und vor allem deswegen, weil hier großteils Fichtenbestand ist und die Fichten haben natürlich ihre Äste, wenn sie entsprechend belastet werden legen sie sie an Richtung Stamm und dann geht natürlich der Schnee runter auf den Boden und dann passiert folgendes, dass eben unten überhaupt kein Wuchs da ist, keine Sträucher, kein Gras nichts, sondern nur die Nadeln am Boden liegen und dann passiert das natürlich, dass dann dort der Schnee weiterrutscht und wenn's dann ins freie Gelände kommt ist dann natürlich die Hölle los."
1954 gingen in der Schweiz und Österreich unzählige Lawinen ab. Eine der verheerendsten überrannte von hier aus die Gemeinde Blons. Was diese Mont-Calv-Lawine so außergewöhnlich macht ist, dass sie eine jahrhundertealte vermeintliche Sicherheit in Frage stellte. Die generelle Schutzfunktion des Waldes.
Mäser: "Ursprünglich war ja der Wald bis ganz oben auf, das heißt bis gegen 2000 Meter und damit hat's keine Probleme gegeben. Dann sind dann die Walser gekommen und haben Wald auch gerodet und dann ist da zusätzlich eine Klimaverschlechterung gekommen, damit ist auch der Wald wieder etwas zurückgegangen und zusätzlich ist das Gelände Flyschgestein, bei uns gibt es das Mundartwort Flysser, also fließen und das spielt alles miteinander eine entsprechende Rolle."
Bereits 1497 ist die erste Lawine in Blons unrundlich erwähnt und man sah schnell einen Zusammenhang zwischen der Rodung der Wälder und der zunehmenden Lawinengefahr. Und so forderten die Bewohner des Tals bereits im 15 Jahrhundert von den Besitzern der Wälder, den Grafen von Montfort und Blumenegg die in Bannlegung des Restbaumbestandes.
Mäser: "Man wollte mit diesem Bannwald sich vor den Lawinen schützen und auf der andren Seite vor Vermurungen, Steinschlag und so weiter. Natürlich war beim Schutzwald das riesige Problem, dass er überaltert war, dadurch, dass man keine Bäume mehr schlagen durfte und damit hat man natürlich über 100, 200 Jahre da drin überhaupt nichts getan und es kam auch praktisch kein neuer Wald auf weil man nichts pflanzen konnte weil es war ja kein Platz da weil die alten Bäume da gestanden sind."
Doch nicht nur die Überalterung der Bäume schwächte den Schutzwald. Rot-, Reh- und Gamswild lieben besonders die jungen Sprösslinge von Lärche, Zirbe und Laubbäumen. Übrig blieben Fichten-Monokulturen und ein Anheben der Abschusszahlen war unvermeidlich.
Etliche Höhenmeter weiter oben verabschieden wir uns von Gustel und dem Auto und machen uns zu Fuß auf den Weg zum Falvkopf. Hier beginnt der Verbauungsweg der Wildbach- und Lawinenverbauung, auf dem der Interessierte einen Überblick über unterschiedlichste Lawinen- Verbauungsmethoden bekommt. Der Regen hat aufgehört und der schmale, wurzeldurchzogene Weg führt uns mitten hinein in blühenden blauen Eisenhut, gelben Klappertopf, Margariten und großes Leimkraut.
Mäser: "Ja es sind hier also bereits Fichten und Bergahorn gemischt, es stehen mittendrin auch noch einige Eschen und dadurch, dass die Mischung da ist, schützen sich die Bäume gegenseitig."
Stephanie Damm: "Seit wann weiß man denn, dass man einen durchmischten Wald braucht und der viel sicherer ist?"
Mäser: "Eigentlich wissen tut man's seit der Lawinenkatastrophe seit 1954, seit die Mont-Calv-Lawine im Wald drinnen eigentlich losgebrochen ist und seit dem weiß man, dass ein entsprechender Unterwuchs da sein muss und in der Monokultur gibt's einfach keinen Unterwuchs und es werden abgebrochene Äste liegen gelassen, weil auch das wieder das Abrutschen des Schnees im Winter verhindert."
Damm: "Und dieser recht bunte Bodenbewuchs kommt durch das lichte Stehen der Bäume?"
Mäser: "Richtig, und da kann man schon erkennen, dass die Bäume eher in Gruppen gepflanzt wurden. Damit kommt auch entsprechend Licht herein und das gibt dann auch den guten Unterwuchs dann."
Rechts und links des Weges stehen Blaubeerensträucher mit unverschämt aromatischen Früchten, pralle Himbeeren rufen "iss mich", und die Wirkung des beiläufig eingeflochtenen Wörtchen "wenn" in Bezug auf das Erreichen der Bergspitze von Seiten meines Begleiters hält nur wenige Meter vor.
Mäser: "Wir befinden uns in einem Stück, wo damals die Falvkopflawine abgegangen ist und wir sehen da drüben einen Schutzwall, der aufgebaut wurde. Es war an sich hier eine Ebene drin, dann hat man hinten noch ausgehöhlt und dann vorne das Material aufgeschüttet. Es soll einen gewissen Schutz bieten, vor allem für die Grundlawinen, für die Nassschneelawinen, Trockenschneelawinen, je trockener die Lawine, umso weniger nützen diese Schutzwälle weil ohne weiteres eine solche Trockenschneelawine 20 bis 25 Meter Höhe überwinden kann."
Die Lawine von 1954 war eine Trockenschneelawine. Etwa die Hälfte der 55 Todesfälle in der Gemeinde Blons war auf mechanische Verletzung zurückzuführen, verursacht durch zersplitterte Balken und geborstene Öfen.
Mäser: "Es ist ganz interessant. Es ist in einem Kubikmeter Luft unter Umständen fast kein Schnee drin, das was natürlich die große Gefahr ist von diesen Staublawinen ist das ist eben der große Luftdruck der vorher kommt. Natürlich ist schon auch Schnee dabei, das Gefährliche ist der Luftdruck, der alles davor wegfegt. Bei den Nassschneelawinen rutschen natürlich langsam herunter und wenn da amal mehrere Bäume im Weg stehen kann es schon passieren, dass die im Stande sind eine solche Lawine, Nassschneelawine aufzuhalten, aber gegen die Staublawine ist praktisch kaum ein Kraut gewachsen. Da gibt es nur die eine Möglichkeit: oben verbauen, damit sie gar nicht abbrechen können."
Die Kehren werden häufiger, der Weg steiler und plötzlich treten wir aus dem mittelhohen Gehölz auf eine Schneise, die nach der Wiederaufforstung in den 60er Jahren erneut von Steinabgängen geschlagen wurde. Und man erschrickt über die schiere Größe dessen, was vom Tal aus eher wie eine Struktur im Hang wirkt.
Mäser: "Wir haben hier jetzt die ersten Lawinenverbauungen und das sind Stahlschneebrücken nennt man so etwas, das sind die neuesten Verbauungen die es so gibt hier und gegenüber den Hängeschneebrücken, die oben angehängt waren sind hier die Stützen unten, also talwärts und die Verbauungen sollten eigentlich den Zweck erfüllen auch, neben dem dass sie den Abbruch des Schnees verhindern auch dass der Jungwald dazwischen aufkommt, den man pflanzt. Es gibt da und dort sogar Stellen, wo sie durch wachsen."
Damm: "Und die stehen so im Abstand von 20 Metern oder so, wahrscheinlich unterschiedlich?"
Mäser: "Ja so 23 bis 30 Meter aber das ist geländeabhängig, es kann sein, dass sie ein bisschen weiter auseinander sind. Sie sind grundsätzlich vier bis viereinhalb Meter hoch und wenn da zum Beispiel eine Schneelast draufliegt von Nassschnee, dann kann so eine Stütze bis vier Meter Länge, bis zu etwa sechs Tonnen Last aushalten. Wobei man natürlich sagen muss, dass es eine 100 Prozentige Sicherheit nie geben wird, weder vor Lawinen noch vor Vermurungen, das kann immer wieder kommen."
Die Metallbrücken reihen sich soweit das Auge reicht in Richtung Bergspitze und man wünscht sich unwillkürlich, die Bäume mögen schneller wachsen, um diese rostigen Fremdkörper zu verdecken.
Wieder im Wald sind die Bäume nun nur noch sechs bis sieben Meter hoch und nach der nächsten Kehre wird deutlich, dass nicht nur sichtbare Eingriffe diese Hänge völlig neu gestaltet haben.
Mäser: "Wir befinden uns jetzt auf einem sogenannten Druckhügel. Seine Aufgabe ist den Schneedruck abzuschwächen und aufgebaut ist dieser Hügel so dass auf der Talseite mit Rasenziegeln ein Aufbau gemacht wird und dieser Aufbau wird dann mit Erde, die hier abgegraben wird, hier können wir den Rand noch sehen, aufgefüllt und damit ist das eben und wird der Schneedruck auch gemildert."
Damm: "Hier sind Brücken unter uns, über uns, rechts und links und in der Mitte ist dieser Druckhügel, wahrscheinlich ein paar Meter rechts und links direkt der nächste."
Mäser: "Na, hier geht jetzt eher ein Graben herüber, man sieht auch da, dass da ein Steilhang ist auf der Talseite und ist nur natürlich im Gras noch stärker verwachsen als hier."
Was wir, infolge meines Beerenhungers, nicht mehr erreichen, ist die Triebschneewand aus Stahlprofilen die längs zum Berg bis hoch auf 1849 Meter zwei Abbruchgebiete trennt.
Mäser: "Der Wind kommt hier vom Nordwesten eigentlich herüber und trägt den Wind hier über den Gipfel und über einen kleinen Pass den Schnee herein und verlagert ihn auch genau hier in diese Mulde und das wird dann natürlich gefährlich. Zum Beispiel 1999 bestand hier die große Gefahr, die Schneebrücken waren alle total angefüllt und wenn diese Triebschneewand nicht gewesen wäre, wäre es wirklich wieder kritisch geworden."
Mittlerweile haben wir eine Höhe knapp 1800m erreicht. Nach hängenden und stehenden Schneebrücken, solchen aus Holz und Metall erwartet uns hier die Frühgeschichte der Lawinenverbauung. Der sogenannte Arlbergrechen von 1907 erinnert eher an einen hoch geratenen Bauerngarten- Holzzaun und davor ist eine Terrasse aus Stein aufgeschichtet.
Mäser: "Eigentlich war das das erste was man an Lawinenverbauungen gemacht hat, damals wusste man natürlich nichts besseres, es waren natürlich auch die technischen Möglichkeiten noch nicht so gegeben und deswegen haben die also mit dem Material, das vor Ort lag eben gearbeitet."
Damm: "Wir stehen jetzt direkt über Blons?
"
Mäser: "Blons liegt jetzt hier etwas weiter westlich hier unten, wir sind also im Ostteil der Gemeinde Blons und hier ist eben die Falvkopflawine damals am 11. Jänner 1954 abgegangen, vormittags um 10 hat die sich gelöst, am Walkenbach unten, wie diese Parzelle heißt, da wurden über 50 Menschen verschüttet, einen Teil der Menschen konnte man nur noch tot finden, die anderen hat man dann ins Dorf geholt und 14 von diesen Leuten kamen dann am Abend bei der Mont-Calv-Lawine dann im Dorf ums Leben."
Blons, eine Gemeinde mit heute wieder 344 Einwohnern hat, wie für Walsersiedlungen üblich, außer der Kirche und wenigen alten oder wiederaufgebauten Häuser keinen alten Dorfkern. Die Viehbauern benötigten Wiesen für ihre Kühe und streuten ihre Gehöfte in großen Abstand über den Hang. Zwischen der Kirche und dem neuen Gemeindezentrum treffe ich mich mit Maria Ganahl, die das Lawinen- Dokumentationszentrum betreut. Wo sitzen wir nun hier?
"Genau mittendrin, weil die Lawine kam genau hier herunter vom Falvkopf durch das Dorf und wo wir jetzt sitzen, diese Häuser nahm die Lawine mit. Das war am 11.Jänner 1954. Es wurden eigentlich sehr viele Häuser wieder aufgebaut und das neue Gemeindezentrum wurde hier gebaut und weil gerade das 50jährige Gedenken war hat man einfach auch besonders an die Lawinenkatastrophe gedacht und hat da ein Lawinendokumentationszentrum gemacht."
Damm: "Da gehen wir jetzt mal hin."
Ganahl: "Da gehen wir hin. Das ist hauptsächlich Weißtanne aus Blons. So ca. alle 50 Jahre muss ausgeforstet werden im Wald und das war nun nötig und mit diesem Holz hat man jetzt das neue Gemeindezentrum gebaut."
Das moderne, helle Holzgebäude öffnet sich spektakulär über eine durchgehende Fensterfront auf die gegenüberliegende Talseite und das Dorf Ragall.
Ganahl: "Und wenn wir hier hereinkommen ist jetzt hier chronologisch der Tag, der 11. Jänner 1954 angegeben, von 1 Uhr bis 24 Uhr, und dann steht da bei 5 Uhr, die Murlawine zerstörte ein Haus und einen Stall und um 9 Uhr Stutzlawine zerstörte neun Häuser und sieben Ställe, ein Toter, um 10 Uhr, die Falvkopflawine zerstörte 10 Häuser und 20 Ställe, 75 Verschüttete, 42 Tote und so weiter."
Bereits 1497 ist die erste Falvkopf- Lawine urkundlich erwähnt. Danach kam es ca. alle 50 Jahre zu Lawinenereignissen, die jedoch nie so viele Opfer forderten wie 1954.
Ganahl: "Im Herbst 1953 hatte es keinen Schnee, es haben Blumen geblüht, die Kinder haben zu Weihnachten Blumensträuße mit nach Hause gebracht und dann am 9.Jänner hat es angefangen zu schneien, ganz ein lockerer Schnee, wenn man gelaufen ist, ist der Schnee gleich wieder zusammengefallen und da kamen dann solche Mengen zusammen und der Schnee hatte keinen Untergrund und hat nicht gehaftet und dadurch ist der Schnee dann gekommen, dadurch sind dann die Lawinen gekommen. Also meine Mutter hat erzählt, das war ein Sonntag und die Leute kamen in die Kirche, wie es bei uns üblich ist, alle kommen in die Kirche und alle haben gesagt, wir müssen schnell wieder nach Hause, irgendwas ist in der Luft, irgendwas passiert. "
Zu diesem Zeitpunkt kostete eine erste Lawine, wenige Kilometer entfernt im Gemeindebezirk Fontanella, im hinteren Walsertal, zwei Kirchgänger auf dem Weg nach Hause das Leben. Jeder war auf sich gestellt und konnte lediglich auf die Hilfe der direkten Nachbarn hoffen, als die Lawinenabgänge auch noch am nächsten Tag anhielten.
Ganahl: "Die Leute im Dorf haben das zuerst gar nicht mitbekommen, dass am 10 Uhr Vormittags die Falvkopflawine in Falentschina heruntergegangen ist. Es hat natürlich immer noch geschneit, auch gegenüber dem Tal, dem Ort Ragall, die haben das erst gesehen, was für eine Katastrophe da war als es aufgehört zu schneien hat, das war erst ein zwei Tage später."
In Fontanella, im hinteren Walsertal bin ich am folgenden Abend bei einer Walserfamilie zu Gast. Mit dem 80jährige Erich Bertel, seinen beiden Töchtern, dem Schwiegersohn und der Enkelin sitze ich bei einem Riebel, einem traditionellen Walsergericht in der Küche um den großen Tisch.
"Ein Riebel das ist die Leibspeise von uns, das gibt's jetzt noch jeden Tag, das ist ein Stopfer, nennt sich das, das wird aus Milch, Butter, Salz und Maisgries oder Weizengries gemacht."
Erklärt mir die Tochter Erika Pfefferkorn beim Zubereiten des knusprig angebratenen festen Griesbreis in einer hohen Pfanne. Alles Zutaten, die man bei den häufig ums Überleben kämpfenden Walser Milchbauern immer im Haus hatte. Der Riebel wird übrigens im Milchkaffee ertränkt, dann herausgelöffelt und mit Bergkäse oder Zucker kombiniert. Erika ist es auch die Ihren Vater auffordert mir von dem Tag der Lawine zu erzählen:
Erich Bertel: "Da hat meine Vater noch gelebt und da sind wir in den Stall gegangen am morgen und da hat man es gleich gemerkt. Wo es ein bisschen steil war, wenn man da reingestapft ist, ist es gleich abgerutscht und weg und dann haben wir gemolken und ich hatte einen Kübel Milch, auch so mit Tragbändern, sollte ich in die Sennerei hinauf gehen. Und wie ich bei der Sennerei war begann das Rauschen im Wald über mir und die Lawine kam. Ich bin unter einen Zementsockel gelegen, habe mich mit meinen Händen geschützt und dachte, der wird nicht als erstes mitgerissen und schon ist ungefähr 100 Meter hinter mir auf dem Hang die Lawine ins Tal gestürzt, hat drei, vier Häuser mit sich gerissen und Stallungen, ja, das war eine schlimme. Aber wir haben Glück gehabt, dass wir auf so einem Rücken gewesen sind und da ist die Lawine abgebogen in diese Mulde und dort hinein, da draußen ist sie abgegangen und in dem Tobel wo der Wald dort ist. Das Gebäude das man dort sieht, das war vollständig weg. Dort gab es sieben Tote, weiter unten eine Familie, fünf Kinder und der Vater sind ums Leben gekommen."
Wie sahen denn damals die Schutzmaßnahmen gegen die Lawinen aus?
"Man hat schon, wo es lawinengefährlich gewesen ist, wenn man gebaut hat, hat man eine Schanze darüber gemacht, eine Mauer gebaut und mit Erde aufgeschüttet bis es die Höhe vom Haus hatte und damit geschützt war, einen Stier hat man gesagt, einen Stier aufs Haus bauen."
Claudia Rinderer: "Und da hat es die Lawine geteilt oder die Staublawine ist darüber hinweg weil es flach vom Hügel übers Dach drüber gegangen ist oder eine Grundlawine im Frühling hat es geteilt."
Erich Bertel: "Schutzbäume hat es auch gegeben, ja sicher, grad da draußen, aber da hat man extra Tannen angepflanzt, damit sie die Lawine etwas aufgehalten hat."
Rinderer: "Früher, das waren ja auch die einfachsten Mittel einen Baum zu pflanzen Und heute hat man modernere Techniken, jetzt macht man Lawinenverbauungen in großer Höhe, damit die Lawine erst gar nicht zustande kommt. "
Erich Bertel: " Ja das hat man früher nicht gekannt so eine Lawinenverbauung wie jetzt mit Eisen und Beton, wie hätte man das in die Hänge hoch gebracht, das war unmöglich. "
Fühlt man sich denn heute mit diesen modernen Verbauungen völlig sicher im Tal oder verhält man sich anders wenn es schneit?
Rinderer: "Wir haben keine Angst aber wir haben Respekt vor dem Schnee. Es gibt in jedem Dorf eine Lawinenkommission, da kommen meist ältere Leute zusammen, erfahrene, und die schauen dann ob man das für die Allgemeinheit noch verantworten kann, ob man fahren kann oder sonst wird halt einfach eine Sicherheitssperre verhängt und das ist ein Problem wenn Gäste da sind und da wundere ich mich immer wieder, dann sagen die da ist die Schranke runter, wir können nicht weg und kriegen voll die Krise und dann sage ich bei uns schneit es und wenn's bei uns schneit dann bleibt man daheim. Das ist für uns ganz normal, damit sind wir aufgewachsen. "