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Die Welt als digitales Dorf

Betreiber von sozialen Netzwerken machen über die Werbung ihr Wissen um Vorlieben und Stellung der Mitglieder zu Geld. Der milliardenschwere Börsengang von Facebook zeigt, wie wertvoll solche Daten sein können. Doch was bringt ein soziales Netzwerk eigentlich dem Nutzer?

Von Stefan Römermann |
    Facebook braucht kein Mensch. Klar. Denn Freundschaften pflegen kann ich auch per Brief oder E-Mail, per Telefon oder gar, in dem ich mich persönlich mit jemandem verabrede. Nur: Mit einem sozialen Netzwerk wie Facebook oder Twitter geht das tatsächlich viel einfacher. Mir geht es da ähnlich wie der jungen Kulturwissenschaftsstudentin Nina Schäfer. Sie hält per Facebook Kontakt zu Freunden und Bekannten in aller Welt.

    "Die ich zum Beispiel auf Reisen, Auslandsaufenthalten kennengelernt habe. Und mit denen es mir schwerfällt, jetzt irgendwie über Brief oder Mail den Kontakt zu halten. Und dementsprechend ist das bei Facebook ziemlich einfach."

    Ob Leipzig oder Kuala Lumpur: Facebook macht da keinen Unterschied. Alle Freunde eines Facebooknutzers werden angezeigt, sobald auch sie online sind. Die Welt wird zum digitalen Dorf. Die Pinnwände der Nutzer sind dabei gewissermaßen die Dorfplätze. Wer etwas im Internet entdeckt oder erlebt hat, schreibt dazu einfach ein paar Zeilen auf seiner Pinnwand oder lädt kurzerhand ein Foto vom Handy auf seine eigene Facebookseite. Auch für Medienwissenschaftsstudentin Tina ist das Alltag.

    "Ich poste zum Beispiel so etwas wie Filmtipps, oder einen Buchtipp. Oder wenn eine Nachricht mit politisch sehr interessiert, dann sage ich auch mal: Mensch, das geht ja gar nicht! Oder: Lest das mal! Und solche Sachen."

    Im Idealfall bekommt Tina für Ihre Äußerungen Zuspruch. Mehrere "Gefällt mir"-Klicks ihrer Freunde oder einen kurzen Kommentar. Wir können uns selbst darstellen und Facebook belohnt uns dafür. Das ist eines der Erfolgsgeheimnisse von sozialen Netzwerken. Doch das Ganze kann auch nach hinten losgehen. Etwa dann, wenn die Freunde doch nicht so begeistert sind. Auch Tina spürt einen Erfolgsdruck.

    "Das ist ja schon doof, wenn man das macht und keiner reagiert. Das war nicht witzig, das war nicht interessant. Und alle fühlen sich einfach nur gelangweilt. Ich glaube das ist so ähnlich, wie wenn man in der Gruppe irgendwas erzählt, und irgendwie gucken einen alle nur an, und sobald man den Satz beendet hat, wenden sie sich wieder anderen Menschen zu, weil die irgendwie Interessanteres zu erzählen haben. Und das ist natürlich nicht schön."

    Sie selbst teile deshalb heute viel seltener Dinge im Facebook, als beispielsweise noch vor einigen Monaten, erzählt Tina. Und dann ist da noch die Angst um die eigenen Daten. Was etwa, wenn ein Personalchef im Netzwerk auf die Suche nach Details aus dem Privatleben eines Bewerbers geht?

    Die Sorge um solche Fragen hat bei vielen Nutzern zugenommen. Allerdings gibt es heute auch viele Einstellungsmöglichkeiten. So habe ich es als Nutzer selbst in der Hand, ob ich das peinliche Partyfoto mit der ganzen Welt teile - oder nur mit bestimmten Facebookfreunden. Allerdings muss man dafür selbst aktiv werden und die Privatsphäreeinstellungen bearbeiten, erklärt Facebooknutzer Stefan Hintsche.

    "Eigentlich kann man, wenn man mit mir nicht befreundet ist, auf meine Daten überhaupt nicht zugreifen. Und selbst wenn man mit mir befreundet ist, kann man das nur sehr eingeschränkt tun. Man hat sicher halt auch irgendwann auch jemanden in der Freundesliste, wo man nicht so ganz sicher sein kann, ob der nicht doch mit den Daten doch noch irgendwas anfängt."

    Bestimmte Dinge würde Stefan Hintsche allerdings ohnehin nie in einem sozialen Netzwerk posten. Seine religiöse Ausrichtung beispielsweise - oder den Beziehungsstatus.

    "Es ist ja zum Beispiel auch so, dass alle Daten letztendlich auch dafür genutzt werden, zum Beispiel spezifische Werbung zu schalten. Das sind so Sachen, die mich einfach so ein bisschen beängstigen auch."

    Skepsis bei Stefan Hintsche. Wohlmöglich ist das alles schon der Anfang der sogenannten "Facebook-Müdigkeit", die von einigen Internetexperten prophezeit wird. Zwar steigen weltweit momentan noch die Nutzerzahlen. Doch gerade unter den "early adoptern", also den Facebooknutzern der ersten Stunde, wachsen Frust und Langeweile. Viele sind inzwischen beispielsweise bei Twitter oder Google+ deutlich aktiver. Vielleicht kann Facebook sie mit neuen Konzepten oder Funktionen zurückgewinnen. Wenn nicht, könnten bald größere Massen Facebook verlassen. Für ein börsennotiertes Unternehmen wären das keine guten Nachrichten.