Wir sind von der Strasse abgebogen und rumpeln über einen Bush-Track durch das hohe, trockene Gras. Der Pfad ist mit roten Bändern markiert, die an die nach dem fast regenlosen Winter blattlosen Bäume geknüpft sind. Die Fahrt ist mehr ein wilder Ritt durch Schlaglöcher, über Stock und Stein. Hin und wieder müssen wir anhalten, auf den Wagen klettern und die nächste Markierung suchen. Vorsichtig steuert Simon über tiefe Rinnen, die in vergangenen Jahren bei den seltenen aber umso heftigeren Regenfällen ausgewaschen worden sind. Diese Rinnen sind selbst für die Achsen eines Geländewagens mörderisch.
Auf jeden Fall ist die Gegend mörderisch für Reifen. Der im Gras verborgene Ast einer Mulga hat uns erwischt. Diese immergrüne Akazie wird nicht alt. Ist sie abgestorben, zerfällt ihr Holz in messerscharfe Dolche. Simon arbeitet schon seit vielen Jahren hier und hat große Erfahrung im Reifenwechsel, lehnt deshalb jede Hilfe ab. Bald holpern wir weiter. Nach einer weiteren halben Stunde waren wir angekommen. Die Sonne steht hoch am Himmel. Es ist heiß. Mit Rucksäcken bepackt klettern wir durch Gestrüpp und über große Blöcke aus Verwitterungsschutt den Hügel hinauf. Oben, direkt unter dem Gipfel, hatten die Forscher damals die Probe genommen, die die Fachwelt in Erstaunen versetzen sollte.
Das ist die Fundstelle der ältesten Zirkon-Kristalle der Welt. Die Steine, auf denen wir sitzen, sind ungefähr drei Milliarden Jahre alt, wenn wir vom jüngsten hier datierten Kristall ausgehen. Aber sie enthalten ein Spektrum von beträchtlich älteren Zirkonen. Wir haben hier eine ganze Bandbreite von Zirkonen, von jungen – vom geologischen Standpunkt aus gesehen jungen –, die es auf 3,1 Milliarden Jahre bringen, bis zu dem ältesten, der mehr als 4,4 Milliarden Jahre alt ist.
Genau 4,405 Milliarden Jahre. Dieser nur Bruchteile von Millimetern winzige Splitter ist der älteste Kristall, den wir auf der Erde kennen. Wir wissen von nichts Älterem. Der Zirkon aus Mileura ist kaum jünger als die Erde selbst: nur 150 Millionen Jahre. Setzt man das gesamte Erdalter von 4,55 Milliarden Jahre mit 12 Stunden gleich, waren gerade 24 Minuten vergangen, als er entstand. Und dieser winzige Kristall bringt das traditionelle Bild der Erdentstehung ins Wanken.
Um die junge Sonne kondensiert eine Materiescheibe aus Gas und Staub. Die Staubkörnchen treffen aufeinander, bleiben kleben, wachsen. Sind sie so groß wie ein Basketball, beginnen sie andere Körper aus ihrer Umgebung anzuziehen. Sie wachsen schneller und schneller. Irgendwann reicht ihre Schwerkraft, um die Bahnen weiter entfernter "Babyplaneten" zu stören. Ein kosmisches Billard beginnt.
Ich denke, das Erste, was Sie wissen wollen, ist: Wie bildet man einen terrestrischen Planeten.
Beim Urknall entstanden Wasserstoff und Helium, erst Generationen von Sternen erbrüteten alle schwereren Elemente: Eisen, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff. Diese Elemente sind das Mehl, aus dem man Planeten macht, erklärt Charly Lineweaver, Astronom an der Universität von New South Wales. Als die ersten Sonnen starben, explodierten sie, schleuderten ihre "Ernte" in den Weltraum. Jahrmillionen später verdichteten sich diese interstellaren Wolken wieder: Ein neuer Stern entstand – und auch er erbrütete schwerere Elemente, wurde alt, starb. Mit jedem Zyklus gab es mehr Eisen, mehr Sauerstoff, mehr Stickstoff, Kohlenstoff oder Silizium. Die Sterne sind die Mühlen, die das Mehl für die Planeten mahlen.
Die Erde ist genau aus diesem Zeug gemacht. Wann aber war der früheste Zeitpunkt, an dem es das Mehl für den Planetenkuchen gab? Wenn man zwei Milliarden Jahre wartet, bekommt man plötzlich einen steilen Anstieg bei der Bildung terrestrischer Planeten, denn zu diesem Zeitpunkt ist genügend Material erbrütet worden. Nach unseren Berechnungen wären damit drei Viertel aller Planeten älter als unsere Erde – und ein Viertel jünger.
Generationen von Sternen vergingen, ehe die Sonne und ihre Planeten entstanden. Neun Milliarden Jahren vergingen. Dann war es so weit: das Sonnensystem.
Perth, Curtin Universität, ein moderner Campus am Rande einer Millionenstadt. Im Keller des Geologischen Instituts steht eine SHRIMP, eine gewaltige Ionensonde, die problemlos das große Labor füllt und die nur durch ein Weitwinkelobjektiv aufs Photo paßt.
Wie andere Sonden auch dient eine SHRIMP der Altersbestimmung. Sie analysiert dazu verräterische Isotopenverhältnisse beispielsweise von Uran und Blei. Soweit klingt das nicht besonders. Aber eine Millionen-Dollar-teure SHRIMP ist kein Gerät wie jedes andere, denn sie arbeitet – punktgenau. Beispiel: Zirkone. Sie wachsen schubweise, manchmal über viele Millionen Jahre verteilt. Diese Wachstumszonen gleichen Baumringen, mit deren Hilfe sich die Geschichte des Kristalls genau nachvollziehen ließ. Bei der konventionellen Datierung wird aber der ganze Kristall aufgelöst und dann gemessen, wieviel stabiles Blei sich durch den Zerfall des radioaktiven Urans gebildet hat. Das ergibt ein Durchschnittsalter über alle Wachstumszonen hinweg. Die SHRIMP aber datiert jede einzelne Zone – und erlaubt damit einen tiefen Einblick in die Frühgeschichte der Erde.
Eine Probe wird gewechselt – vollautomatisch. Bis zu drei warten in der Vakuumkammer auf ihre Altersbestimmung. Dazu werde zunächst Sauerstoff in ein Plasma eingeleitet, erläutert Mick Poole:
Die Sauerstoffionen werden beschleunigt und auf die Probe fokussiert, die sehr klein ist. Unseren Proben, das sind diese Körnchen, sind vielleicht halb so groß wie ein Stecknadelkopf. Wir messen einen Bereich von 15 Tausendstel Millimetern. Die Sauerstoffionen prallen auf diesen Punkt und schlagen Uran- und Blei-Ionen heraus. Die elektrisch geladenen Ionen werden durch das ganze Instrument weitergeleitet.
Sie werden beschleunigt und fliegen dann durch einen Magneten:
Folgendes passiert: In dem Magnetfeld werden schwerere Massen nach außen ausgelenkt, leichtere nach innen. Die Uran- und Bleiisotope treffen also an unterschiedlichen Stellen auf den Kollektor und produzieren dabei – für uns genau identifizierbar – eine Schar von Elektronen, die sich in einer Kettenreaktion vervielfachen. Die Pulse, die so entstehen, zählen wir. Durch das Verhältnis der Pulse für die Uran- und Blei-Isotope erfahren wir das Alter.
An dem Bildschirm werden die Meßpunkte eines Zirkons bestimmt. Er ist winzig, hat den Durchmesser von zwei menschlichen Haaren. Unzählige dieser gelblichen Kristallen aus den Jack Hills mußten gemessen werden, ehe einige mit den unglaublichen Alter von mehr als vier Milliarden Jahren entdeckt waren.
Die junge Sonne zündet. Ihr Fusionsfeuer beginnt zu brennen. Mit dem Licht stößt sie auch einen starken Strom geladener Teilchen aus, entfacht einen ungeheuren Sonnenwind, der alles Gas und allen Staub aus ihrem neuen System fegt. Der frühe Sonnenwind entreißt den Steinplaneten auch ihre ersten Hüllen aus verdampftem Gestein. Auf seinem Höhepunkt reicht dieser Sturm bis hinaus in den Raum zwischen den Sternen. Dorthin wird diese Plazenta aus Gas und Staub geschleudert: Die Geburt des Sonnensystems ist beendet.
Vor mehr als drei Milliarden Jahren fielen hier, wo heute Mileura ist, hohe Berge in ein Meer ab. Das Land war nackt, kahl, aber es war warm und feucht. Der saure Regen kurbelt die Verwitterung an. Von den Bergen blieben nur Quarzkiesel – und die Zirkone. Zirkone sind ewig, spiegeln noch nach Äonen den Moment ihres Entstehens wider. Als Simons Zirkon vor drei Milliarden Jahren in die Schuttfächer geriet, die heute die Jack Hills aufbauen, war er schon anderthalb Milliarden Jahre alt. Doch nicht nur das schiere Alter dieses Zirkons ist sensationell. Als die Geologen die Sauerstoff-Isotopen untersuchten, entdeckten sie noch etwas viel Ungewöhnlicheres.
Dieser Kristall ist nicht einfach nur ein alter Kristall. Er kann nur entstehen, wenn sein Muttergestein Kontakt mit Wasser gehabt hat. Das ist mehr als überraschend. Bislang haben wir geglaubt, dass die Erde nach ihrer Entstehung mindestens 700 Millionen Jahre lang zu heiß gewesen ist für flüssiges Wasser und dass der Planet nur sehr langsam abgekühlt ist. Dieser winzige Kristall erzählt hingegen, dass die Erde sehr schnell kühl wurde, so kühl, dass es zu der Zeit, als der Kristall entstand, flüssiges Wasser auf ihr gegeben haben muss.
150 Millionen Jahre war die Erde alt, als dieser Kristall entstand. Gab es damals flüssiges Wasser, hatte sie gerade ein Drittel der Zeit, die man ihr bislang dafür zugestanden hat, ihre Oberflächentemperatur unter den Siedepunkt von Wasser zu drücken. Das ist unglaublich schnell – und wirbelt die Vorstellungen darüber, wie die Frühzeit des Planeten ausgesehen hat, gründlich durcheinander.
Anfangs war der Erdkörper durch die Hitze der zahllosen Kollisionen der Entstehungzeit weich. Schwere Elemente sickern nach unten. Der Eisenkern entsteht. Leichte Elemente wie Magnesium und Calcium schwimmen auf, bilden die erste Kruste. Immer wieder zerfetzen kosmische Bomben diese dünne Haut aus primitivem Basalt. Dann, vor 4,53 Milliarden Jahren, schlägt ein marsgroßer Körper ein: Theia. Die ungeheure Kollision reißt den Planeten fast auseinander, schlägt große, glutflüssige Massen heraus und schleudert sie in die irdische Umlaufbahn – das Material, aus dem sich der Mond zusammenballt. Die Erde hat einen Begleiter.
Wie lange dauert es, bis in einer Staubscheibe ein Planet entstanden ist? Im Fall Erde ging es wohl viel schneller als gedacht. Das belegt der radioaktive Zerfall, genauer: der Zerfall des radioaktiven Hafniums 182 in das stabile Wolfram 182. Aufgrund der Halbwertzeit des Hafniums ist dieser Prozess nach 60 Millionen Jahren abgeschlossen, dann ist alles in Wolfram umgewandelt. Beide Elemente aber verhalten sich chemisch sehr unterschiedlich: Wolfram bevorzugt Eisen, Hafnium Stein. Im heißen, durchlässigen Erdinneren wandert das Wolfram also mit dem Eisen hinab in den Kern, während das Hafnium oben bleibt. Das nutzen Isotopengeologen wie Thorsten Kleine von der Universität Münster für die Datierung des Moments, an dem sich in der Erde der metallische Kern vom Steinmantel abgesetzt hat:
Nach der Kernbildung sieht es so aus, dass alles Hf im Mantel ist und alles W im Kern. Wenn jetzt aber die Kernbildung so früh war, dass es den Zerfall von Hf zu W noch gab, dann wird nach der Kernbildung im Mantel aus dem Hf neues W produziert, und wir haben gefunden, dass der Erdmantel eben solches extra produziertes W enthält. Und wir können damit nachweisen, dass der Zerfall von Hf zu W noch aktiv war.
Die Kernbildung ist das letzte große Ereignis der Planetenentstehung – und der Kern war bereits abgeschlossen, als der Hafniumzerfall zu Wolfram noch lief. Das heißt: Die Erde war ungeheuer früh fertig – und ist damit als Planet sehr viel älter als gedacht.
Sehr viel schneller heißt und sehr viel älter heißt, dass sie ungefähr 30 bis 70 Mio Jahre älter ist. Das absolute Alter der Erde, das wir bestimmt haben, sind 4.53 Milliarden Jahre, und das heißt, es hat nur 30 Millionen Jahre gedauert in der Geschichte unseres Sonnensystems, bis sich die Erde gebildet hat.
Die Kollision mit Theia, das war das dramatische Finale, der Schlußakkord. Danach kam die Erde zur Ruhe.
Ein fertiger Planet nach 30 Millionen Jahren, flüssiges Wasser nach 150 Millionen Jahren – das bedeutet, dass alle Prozesse – selbst die Entstehung des Lebens – Hunderte von Millionen Jahren mehr Zeit gehabt hätten.
Wir spekulieren, dass es damals Ozeane gegeben haben könnte. Es müssen zwar keine Meere gewesen sein, aber wenn wir uns die Erde heute ansehen, scheint es unwahrscheinlich, dass sie damals hier dampfend heiß und dort kühl genug für flüssiges Wasser gewesen ist. Wenn wir auf der jungen Erde hier flüssiges Wasser haben, warum nicht auch anderswo? Wir glauben, dass es große Wasserreservoirs gegeben haben muss.
Ein Messfehler könnten diese Werte nicht sein, denn dieser älteste aller Zirkone ist nicht der einzige, der diese Daten liefert. Eine andere Forschergruppe hat unabhängig von der um Simon Wilde mehrere 4,3 Milliarden Jahre alte Zirkone gemessen – mit identischen Resultaten. Auch sie zeigen die verräterischen Sauerstoffisotope, genau wie ebenso alte Zirkone, die jetzt erst analysiert worden sind. Alle diese Kristalle konnten nur in Kontakt mit Wasser entstehen.
Hunderte von Millionen Jahren war es recht ruhig auf der Erde. Dann – vor 3,9 Milliarden Jahren – prasselte ein Hagel von Meteoriten, Asteroiden und Kometen auf das innere Sonnensystem. Das Große Kosmische Bombardement. Die Wucht der Treffer war gewaltig, ließ vielleicht die Meere verdampfen. Aber kein Treffer reichte an die Kollision mit Theia heran.
Während auf Mond und Mars Kraternarben von dieser Zeit erzählen, sind hier alle Spuren verschwunden. Sie wurden ausgelöscht durch einen Prozess, der bislang nur auf der Erde bekannt ist: die Plattentektonik. Seit mindestens 2,6 Milliarden Jahren wälzt sie diesen Planeten um und um, verschiebt Kontinente, öffnet Meere und türmt Berge auf – und löscht dabei viele Spuren der Vergangenheit aus. Deshalb sind die Hinweise auf die Welt vor dem Großen Kosmischen Bombardement besonders spärlich. Zwischen den Zirkonen der Jack Hills und den nächstjüngeren Spuren aus Stein in Kanada und Grönland liegen 400, ja 700 Millionen Jahre – eine unvorstellbar lange Zeitspanne. Die sorgfältige Analyse der wenigen steinernen Zeugen belegen: Die junge Erde war in ihrem Inneren deutlich heißer als heute. Um mindestens 200 Grad. Zum einen war der radioactive Zerfall noch starker, zum anderen war noch die Einschlagsenergie aus der Phase der Planetenbildung noch frisch.
Wenn man die Idee vom heißen Erdinneren einerseits und andererseits die von den Meeren an der Oberfläche, wie sie die Zirkone der Jack Hills nahelegen, wenn man diese Idee akzeptiert, muss es über diesem heißen Erdinneren eine isolierende Schicht gegeben haben. Die Lithosphäre, die spröde äußere Steinhülle der Erde, muss dann ungewöhnlich mächtig gewesen sein. Die wenigen Gesteine, die aus der Zeit vor mehr als dreieinhalb Milliarden Jahren erhalten blieben, stützen diese Sicht. Die Erdoberfläche könnte durch eine dicke Steinhülle schon sehr früh vor der Hitze im Inneren isoliert gewesen sein. Zumindest dort, wo die bis heute überlieferten Gesteine entstanden sind, die vor dem heißen Erdinneren geschützt gewesen zu scheinen.
Paul Sylvester, Professor an der Memorial Universität in Neufundland, Kanada. Die Kruste der junge Erde war ungeheuer dick, 45, 50 vielleicht sogar 60 Kilometer. Moderne Kontinente bringen es auf rund 30 Kilometer, Meereskruste auf acht. Unter dieser dicken Kruste der Frühzeit war die Hitze im Inneren gefangen. Aber die Erde muss diese enorme Hitze irgenwie loswerden. Heute erledigt sie das über die mittelozeanischen Rücken, wo aus dem Erdinneren neuer Ozeanboden und damit die Hitze gefördert wird. Doch wie war das damals?
Die junge Erde gleicht einem Schnellkochtopf voll zähen Breis, der auf großer Flamme kocht. Unter einem dichten Deckel brodelt der Planet. Die Hitze sucht nach Schwachstellen, nach Ventilen, durch die sie herausbrechen kann, damit der Druck nicht zu hoch wird.
Nichts regt sich in der Mittagshitze. Die Känguruhs dösen im Schatten der Mulgabäumen. Selbst den Papageien scheint es zu heiß geworden zu sein und sind verstummt. Wir sind hinabgeklettert und haben uns im Schatten des Wagens niedergelassen. Picknick mit Orangensaft, Sandwiches und hartgekochten Eiern. Die Klimaanlage funktioniert nicht, und so zögern wir die Rückfahrt noch hinaus. Die Zirkone der Jack Hills erzählen auch, dass es damals einen Mechanismus gegeben hat, der die Erdkruste recycelt und dabei die Hitze aus dem Inneren verbraucht. Diese Kristalle enthalten nämlich Hinweise, dass sie nicht in einer primitiven basaltischen Lava entstanden sind, sondern in einem Granit, also einem "fortentwickeltem" Gestein, das nur durch chemische Aufarbeitung entsteht.
Der alte Kristall enthält drei Einschlüsse, von denen zwei mit Quarz gefüllt sind. Der dritte Einschluß ist sehr interessant. Er enthält Kalium, Natrium, Aluminium und Silizium, und genau daraus besteht das Mineral Feldspat. Feldspat aber ist typisch für einen Granit, ein Gestein, das durch das Recycling von Kruste entsteht und heute in Graniten auftritt. Heute finden wir Granite fast ausschließlich in der Kontinentkruste. Es könnte also diese weiterentwickelte kontinentale Kruste gegeben haben, nicht nur die primitive ozeanische aus einfachem Basalt. Wir haben also gute Hinweise darauf, dass es schon vor 4,4 Milliarden Jahren Vorläufer von Kontinenten und große stehende Wasserkörper gegeben hat.
Diese Kontinente wären verschwunden – bis auf die uralten Kristalle der Jack Hills, ihre letzten Spuren.
Viereinhalb Milliarden Jahre nach ihrer Entstehung dominiert Plattentektonik die Erde. Sie transportiert großräumig über gewaltige Walzen im Planeteninneren die Hitze hinaus und schiebt dabei an ihrer Oberfläche die großen Krustenplatten über den Planeten. Da, wo diese Krustenplatten kollidieren, wachsen Kontinente, steigen Berge auf. Neben diesen Konvektionsströmen der Plattentektonik gibt es noch "Hotspots", wie Hawaii, wo sich in einem schmalen Schlauch Magma – und damit Hitze – wie ein Schneidbrenner von einer ultraheißen Stelle an der Grenze zum Erdkern quer durch den Mantel bis an die Oberfläche frisst. Sind das beides Modelle für die Frühzeit, als das Planeteninnere kochte? Damals waren alle Prozesse virulenter. Fördert das die Plattentektonik? Oder kühlte sich die Erde vielleicht eher mit zahllosen Hotspots ab, und schuf durch sie neue Kruste? Vielleicht griff der Planet aber auch auf ein feinmaschiges Netz von unendlich vielen Mikroplatten zurück, die über heftig konvergierenden Zellen sitzen, Kruste produzieren und vernichten. Wir wissen es nicht.
Kontinente – heute bedeutet das Granite, weil sie ihr Fundament bilden. Wegen dieses leichten Granitfundaments schwimmen Kontinente regelrecht auf den dichten, schweren Basaltgesteinen des Erdmantels, aus dem sie durch Recycling entstanden sind. Wann begann das? Der Überlieferung der Gesteine zufolge gab es vor rund zweieinhalb Milliarden Jahren plötzlich sehr viele Kontinente – wie aus dem Nichts. Damals war das Recycling sehr viel starker als heute. Doch was war davor?
Es ist verrückt, aber wenn man sich die Chemie der überlieferten Reste von Meereskruste aus der Frühzeit der Erde vor fast vier Milliarden Jahren anschaut, sind sie verarmt an den Elemente, die in Kontinenten angereichert sind. Ob in Australien, Grönland, Indien oder Kanada, überall messen wir diese Verarmung. Diese Werte sehen wir auch in dem vier Milliarden Jahren alten ersten "echten” Gesteinen, die wir kennen. Deshalb glauben wir, dass es damals viele Kontinente gegeben hat und dass wir sie alle verloren haben.
Allerdings ist es unbefriedigend, vom Mangel an bestimmten Elementen darauf zu schließen, dass sie mitsamt der Kontinente, die sie speicherten, verschwunden sind. Um überhaupt diese großen Massen an kontinentaler Granitkruste zu bekommen, mit der sich dieser chemische "Mangel" erklären ließen, denkt Sylvester an einen sehr ungewöhnlichen Mechanismus. Vielleicht waren diese frühen Kontinente so etwas wie Schaum auf dem Meer.
Wenn man etwas recht Heißes hat, wird eine Komponente aufsteigen und sich absetzen. Damit kommen wir zurück zu den frühen Kontinenten. Wenn das Erdinnere heißer ist, könnte das leichte Material aufgeschwommen sein.
Es ist Abend geworden. Wir sind auf dem Rückweg und haben an einer Wasserstelle Halt gemacht. "Igah" – Abbruch – heißt sie in der Sprache der Aborigines. Dunkelrot ist das steile Ufer. Die weißen Gummibäume und der Himmel spiegeln in dem dunkelblauen Wasser. Es ist still, nur der Wind in den Blättern und das Plätschern der Wellen ist zu hören. Wenn es nicht bald regnet, wird dieses Wasserloch austrocknen. Mileura. Eine Farm, auf der fünf Menschen wohnen, und die trotzdem auf jedem Atlas der Welt verzeichnet ist. Was will man auch sonst in den menschenleeren Weiten Westaustralien eintragen. Und am Horizont erheben sich die Jack Hills. Auf der höchsten Kuppe, dort hat Simon den Zirkon gefunden.