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Die Wiederbelebung der Mona Lisa

Max von Schillings schrieb über die Frau mit dem geheimnisvollen Lächeln, Mona Lisa, eine Oper und feierte damit 1915 einen Sensationserfolg. Von Schillings Werk geriet nach dem Krieg in Vergessenheit, doch in Braunschweig kam "Mona Lisa" jetzt erneut zu Gehör. Das Geheimnis ihres Lächelns wird in der Oper übrigens nicht gelüftet.

Von Jörn Florian Fuchs |
    Die Nationalsozialisten sahen ihn als "verkörperten Inbegriff des urdeutschen Meisters". Zu einer Zeit, als langsam die Werke Franz Schrekers, Egon Wellesz’ oder Arnold Schönbergs an Beachtung gewannen, lieferte Max von Schillings Spätromantisch-Impressionistisches, vermischt mit veristischen Elementen und einer zurückhaltenden Leitmotivik.

    Als Wagner-Nachfolger sah man ihn und in der Tat sind Ähnlichkeiten zum Bayreuther Meister etwa in Schillings bekanntester Oper "Mona Lisa" nicht zu überhören. Da klingen großflächige Chöre ein bisschen wie die Festwiese aus den "Meistersingern" (heitere Mandolinenklänge inklusive) und mächtig wummernde Kirchenglocken, verbunden mit düster wabernden Klängen, gelangen zum Einsatz – Parsifal lässt grüßen.

    Ähnlich wie Wagner vereinnahmten die Nazis auch Schillings, wobei in beiden Fällen die Vereinnahmten nicht ganz unschuldig sind. So akzeptierte Schillings viele Ehrungen nebst einem guten Arbeitsplatz und sprach im Gegenzug von "mystischen Eindrücken", die sich angeblich nach einer Begegnung mit Hitler bei ihm einstellten. Die Nazis waren zufrieden, hatten aber dennoch ein Problem: der Text zu "Mona Lisa" war ihnen ob der dargestellten Gewalt zu extrem.

    "Mona Lisa" führt uns ins Florenz der Renaissance, im Palazzo des Francesco Giocondo geht es hoch her – es wird gezecht, gefeiert und geliebt. Nur der Hausherr ist betrübt, da seine junge Frau, von allen Mona Lisa genannt, offenbar ein wenig prüde ist. Er weiß sich keinen rechten Rat und beauftragt Herrn da Vinci, sie zu malen – und erschrickt ob des Ergebnisses: was ist das nur für ein merkwürdiges Lächeln?

    Ein junger Gesandter kommt ins Haus und entpuppt sich als vormaliger Beinahe-Freund des blässlichen Mädchens, dem nun die Schamesröte zu Kopf steigt. Der Gatte mordet den möglichen Konkurrenten und muss am Folgetag selbst dran glauben – denn Mona Lisa, über Nacht zum Vamp mit Elektra-Allüren gewandelt, befördert ihn ins Jenseits, mit einem Lächeln…

    Ein wirklich großes Welttheater ist das Ganze nicht, und auch des Rätsels Lösung wird am Ende verweigert, was es denn nun mit dem Lächeln auf sich hat, wer diese Mona Lisa wirklich ist. Ein Wesen, wohl irgendwo zwischen einer Hure und einer Heiligen, so formuliert es ganz am Schluss ein Mönch – und geht dann schweigend ab.

    In Braunschweig ist der Palazzo ein geometrisches Spielfeld: an allen Seiten, auf allen Wänden sind Formeln aufgemalt, sieht man Fluchtlinien und Fluchtpunkte. Eingeblendete Videoprojektionen verdeutlichen den Seelenzustand der jeweiligen Protagonisten, man sieht alte Fresken mit Liebesgottheiten, einen Cerberus und immer wieder das Antlitz der Mona Lisa, gemalt von Leonardo.

    Zuweilen verirrt sich eine Gruppe Kunststudenten samt Lehrer hier herein und sie vermessen das Bildnis der lächelnden Frau mit Geodreieck und Laserpointer. Nach kurzer Zeit schreiten sie frustriert von dannen – das soll wohl heißen: mit Rationalität, mit moderner Vermessungstechnik gar kommt man diesem Rätsel nicht bei.

    Anna-Katharina Behnke zeigt die Wandlung Mona Lisas von einer femme fragile zur rachsüchtigen femme fatale mit Verve und großer Ausdruckskraft, dagegen singt Jan Zinkler den Gatten Francesco manchmal etwas zu bemüht.

    Hörbar begeistert über soviel Seelen-und Liebesschmerz spielt das Staatsorchester Braunschweig unter GMD Jonas Alber zügig und ziemlich laut, aber fast immer präzise – nur beim Blech hapert es zuweilen. Die einzige Enttäuschung des Abends ist der Chor – verwaschen und zum Teil nur aus dem Off kommt da die Festgemeinschaft des Edelmanns Francesco.

    Im Ganzen aber eine gute Leistung für Braunschweig und es bleibt die Hoffnung, dass sich auch andere Häuser mal Schillings zuwenden, wenn es um tragische Frauenschicksale geht – es muss ja schließlich nicht immer Brünhild oder die Butterfly sein.