
"Im Grundsatz hat Reiche recht",
schreibt etwa das HANDELSBLATT:
"Sie muss ihre Position allerdings ausdifferenzieren. Denn nicht alle arbeiten unter denselben Bedingungen. Wer jahrzehntelang in der Pflege, auf dem Bau oder im Lager gearbeitet hat, ist mit 60 gesundheitlich angeschlagener als eine Bürokraft. Das belegen zahlreiche Studien wie etwa vom Robert-Koch-Institut. Den Renteneintritt allein nach Branchen zu staffeln, wird vermutlich nicht ausreichen. Besser wären Modelle, die Belastungen im Arbeitsleben erfassen. In Frankreich soll es etwa ein Punktesystem geben: Wer lange unter schwierigen Bedingungen, etwa bei Nacht, unter körperlicher Last oder hohem Zeitdruck arbeitet, sammelt Punkte und kann dadurch früher in Rente gehen. Auch die Idee, Menschen mit frühem Berufseinstieg früher aus dem Erwerbsleben zu entlassen, ist gerecht."
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG meint:
"Länger zu arbeiten, wie es Wirtschaftsministerin Katherina Reiche nun fordert, ist richtig. Helfen würde dabei, die 'Rente mit 63' zu streichen, dank der vorwiegend gesunde Facharbeiter zwei Jahre früher ohne Abschläge in Rente gehen. Doch um damit die Rentenkasse kurzfristig zu entlasten, würde die Regierung Hunderttausende Menschen zurückrufen zum Arbeitsplatz, obwohl sie schon den Ausstand für die Kollegen geplant haben."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG moniert:
"Was Katherina Reiche zu den Sozialsystemen sagt, spricht wohl jedem aus dem Herzen, der seit Jahren darauf wartet, dass die Politik Konsequenzen aus deren chronischer Überlastung zieht. Den Arbeitgebern zuallererst. Bislang warten sie (und alle anderen Steuer- und Abgabenzahler) darauf leider vergeblich. Besonders schlimm ist die Inkonsequenz in der Rentenpolitik. Dass sich die Koalition auf nicht mehr als die Einsetzung einer Kommission einigen konnte, ist ein Zeichen dafür, dass auch sie nicht vom Fleck kommen wird."
Reiche habe einen Generalangriff auf die Lebens- und Jahresarbeitszeiten in Deutschland gestartet, kritisiert die TAGESZEITUNG - TAZ:
"Die Beschäftigten arbeiteten ihrer Meinung nach zu wenig. Reiche funktioniertihr Haus zum Kultur- und Klassenkampfministerium um. Damit hat sie die Rolleder Störgeräuschproduzentin in der Regierung übernommen, die früherFDP-Mann Christian Lindner innehatte. Der Unterschied: Lindner konnte nurblockieren, Reiche kann viel zerstören."