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Die Wüste lebte

Umwelt. - Hält eine ausgeprägte Wetterlage ein paar Wochen an, entbrennen daraus schnell Diskussionen um den Klimawandel. Doch oft macht erst ein Blick in die Daten von Jahrtausenden tatsächliche Änderungen greifbar. Bei ihrer weit zurück reichenden Klima-Recherche über Nordafrika stießen Kölner Forscher jetzt auf verblüffende Erkenntnisse.

Von Arndt Reuning | 11.09.2006
    Grau und ein wenig bröselig ist der Gesteinsbrocken, den Dr. Stefan Kröpelin in Händen hält. In die Masse eingebettet: Das spiralförmige Haus einer Wasserschnecke. Keine Tierart, die man am Fundort des Steins erwarten würde, im sudanesischen Teil der Sahara. Und doch hat es dort einmal bis zu zehn Meter tiefe Seen gegeben, voller Leben: Kieselalgen, Muscheln, Fische, sogar Krokodile haben dort existiert. Heute nicht mehr vorstellbar.

    "Selbstverständlich gibt es dort nicht mal mehr Seen. Es gibt dort heute nicht mal mehr die Reste von Regenschauern. Also es ist wirklich die trockenste Wüste der Erde und im Zentrum absolut tot."

    Die "Blütezeit" der östlichen Sahara hatte vor ungefähr zehntausend Jahren begonnen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Wüste genauso heiß und trocken gewesen wie heute. Dann aber änderte sich das Klima: Die sommerlichen Monsun-Regen verschoben sich vom Süden herauf und verwandelten die Wüste allmählich in eine savannenartige Landschaft. Gleichzeitig ließen die Niederschläge den Nil zu einem wilden und unberechenbaren Fluss anschwellen. Die Menschen, die damals an der Grenze des heutigen Sudan und Ägypten lebten, verließen die Ufer des Nils und wanderten in Richtung Westen, dem Regen hinterher, verteilten sich über die beiden Länder.

    "Und dort hat sich darauf hin das spezialisierte Rinderhirtentum entwickelt, das heute eine der wesentlichsten Grundlagen der Menschen in den großen Trockengebieten Afrikas ist."

    Dr. Rudolph Kuper, der ehemalige Leiter des Instituts für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Köln. Die Jäger und Sammler passten sich also den neuen Bedingungen an und domestizierten wild lebende Tiere. Die Wanderbewegung und die kulturellen Veränderungen haben die Forscher nun detailliert nachgezeichnet. Sedimente in der heutigen Wüste weisen auf das damalige Klima hin, und archäologische Funde auf die Lebensweise der Menschen. Solche Funde können Scherben sein, Aschereste von Herdstellen oder auch Knochen.

    "Wenn Sie nur Hase und Gazelle finden, war es relativ trocken, und der Mensch lebte als Jäger und Sammler. Wenn Sie hingegen Rind, Schaf und Ziege haben, muss es feuchter gewesen sein. Und der Mensch hatte bereits den kulturgeschichtlich wichtigen Schritt zur Viehzucht hin getan."

    Mit Hilfe der Radiokarbonmethode haben die Forscher unzählige Fundstücke datiert. Herausgekommen ist der zur Zeit umfassendste Überblick über eine Kultur im Klimawandel. Und das nicht nur auf eine kleine Region beschränkt, sondern für ein Gebiet so groß wie Westeuropa. So zeigen die Daten auch, dass nach ungefähr dreitausend Jahren die Wüste allmählich zurückkehrte. Und dass wiederum die Menschen dem Regen folgten und sich den alten Heimatländern am Nil zuwandten. Dort, wo später die Pyramiden und die pharaonische Kultur entstehen sollten.

    "Und man hat lange gefragt: Wo kommt das her? Und man hat wesentliche Wurzeln der ägyptischen Kultur im Bereich Naher Osten, also Mesopotamien etwa, gesehen. Aber Ägypten liegt nun mal in Afrika. Und das wird immer deutlicher: dass nicht alle, aber entscheidende Wurzeln der ägyptischen Hochkultur in die Sahara zurückzuverfolgen sind."

    Der Klimawandel als Motor für die Entwicklung der östlichen Sahara. Und das nicht nur für eine weit zurück liegende Ära. Auch heute noch ändert sich das Klima in der afrikanischen Wüste. Zum einen ist da die globale Erwärmung. Dadurch verdunstet mehr Wasser aus den Weltmeeren und die Monsunregen nehmen wieder zu. Auf der anderen Seite schreitet aber die menschgemachte Wüstenbildung voran. Die bewohnbaren Gebiete verschieben sich erneut. Und damit, glaubt Dr. Kröpelin, lässt sich nun auch sozusagen in Echtzeit studieren, wie Klima und Kultur sich gegenseitig beeinflussen:

    "Dass unseres Erachtens selbst der Konflikt in Darfur heute weitestgehend zurück geht auf die Verschlechterung der Umweltbedingungen. Und daraus resultieren dann aus der Verknappung von Brunnen, aus der Verknappung von Weideland - und dass dadurch Konflikte entstehen wie in der Vorzeit um den Kampf um die immer knapper werdenden Ressourcen."