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"Die Zukunft des Konzerts - das Konzert der Zukunft"

Ein vom Bonner Beethovenfest veranstaltetes Symposium hat versucht, eine für die klassische Musik noch viel grundlegendere Frage zu beantworten: Wie geht es weiter mit der Kunstform "Konzert"?

Von Eva Maria Götz |
    Eychmüller: "Es sollte andere Formen geben, ich finds vielleicht auch wichtig, dass die Leute vielleicht auch näher kommen können, auch beim großen Sinfonieorchester. Wir haben das neulich so gemacht, dass Kinder dazwischen sitzen können, das ist wichtig. Oder dass auch Erwachsene, die Lust haben, sich auch mal direkt nach einem Konzert ins Orchester setzen können, mal gucken, wie machen die das. Natürlich nicht ein ganzes Konzert lang. Aber das es einfach unterschiedliche Methoden gibt, die Musik weiterzubringen, dass es nicht dieser starre Konzertort nur ist."

    Susanne Eychmüller, stellvertretende Solocellistin im WDR- Sinfonieorchester formuliert, was viele der Diskutanten auf dem Bonner Podium empfanden: die Vermittlung Absoluter Musik muss dringend flexibler, phantasievoller oder, wie der Künstlerische Leiter des Berliner Erfolgsmodells "Radialsystem" Folkert Uhde meint, "überraschender" werden. Ihm geht es in seinem frei finanzierten Konzertgebäude, einem ehemaligen Pumpwerk am Ufer der Spree, vor allem um den intensiven Kontakt zwischen Künstlern und Publikum.

    Uhde: "In den traditionellen Konzerthäusern kommen 100 Leute auf die Bühne durch zwei kleine Löcher und wenn der Beifall verklungen ist, verschwinden sie wieder durch die gleichen kleinen Löchern und es gibt überhaupt nicht die Möglichkeit, dass irgendjemand aus dem Publikum mit irgendeinem Musiker in Kontakt kommt, es sei denn, das Publikum ist so gewieft und findet den Weg in die Kantine."

    Jeder Konzertabend, so Uhde, braucht seine eigene Struktur, sein eigenes Konzept und in diesem Sinne solle der Raum gestaltet und das Publikum einbezogen werden. Doch aller Kontakt zwischen Bühne und Zuschauerraum vor, während oder nach dem Konzert bleibt Makulatur, wenn nicht auch das vertraute Repertoire einmal einer gründlichen Revision unterzogen und in neue Bezüge gesetzt wird.

    Uhde: "Wir versuchen, Dinge, die auf den ersten Blick nicht zusammengehören, zusammenzubringen, etwas zeitgenössische Musik und Tanz. Oder wir haben eine sehr schöne Reihe, die wir Barock- Longe genannt haben, wo es darum geht, das Musiker aus dem Elektronikbereich/ DJs zusammenkommen mit Barockmusikern und die nicht nur abwechseln spielen im Sinne von das erst die Barockmusiker ein Stück Musik spielen und dann der DJ seinen Remix macht, sondern die können mittlerweile zusammen improvisieren und es entsteht wirklich ein Dialog und das ist total faszinierend."

    Elmar Weingarten, Intendant des Tonhalle-Orchesters Zürich, macht ebenfalls gute Erfahrung mit dem Mix aus Klassischer und Elektronischer Musik in einer immer ausverkauften Konzertreihe am späten Abend. Seine Vorstellung von den Konzerten der Zukunft:

    "Es wird sehr viel mehr kleine Konzerte geben, kleinere Ensembles, mittlere Ensembles, die anders organisiert sind als die städtischen Musikorchester und es wird wahrscheinlich ne größere Vielfalt geben."

    Spezialensembles für Neue Musik wie die "Musikfabrik" oder das "Ensemble Moderne" oder die zahlreichen Orchester für Alte Musik haben diesen Trend in den letzten zwei Jahrzehnten erkannt und die Entwicklung geprägt. Modellcharakter für ein Orchester der Zukunft hat die demokratisch organisierte, in keine Institution eingebundene Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die zurzeit spektakuläre Erfolge mit ihrem Beethoven Programm feiert. Orchester-Manager Albert Schmitt:

    "Ich glaube, das Wesentliche, was man daraus nehmen kann, ist das Modell der Teilhabe der Musiker, also dass die Musiker wirklich in alle Prozesse eingebunden sind, denn das ist etwas, was Identifikation stärkt, was auch Motivation stärkt, jeder Musiker sitzt bei uns auf der Bühne und weiß, wir machen jetzt das, was wir gemeinsam überlegt haben zu tun, und das machen wir so gut wir können."

    Denn die Qualität einer Aufführung wird auch in Zukunft das entscheidende Kriterium für den Erfolg und das Überleben der Kunstgattung sein.

    Schmitt: "Am Ende des Tages unterscheidet der Hörer, ob das ein engagiertes Ensemble ist, was da sitzt, oder ist das ne Truppe von Musikbeamten, die hier sich zugunsten ihres Kontos die Zeit vertreibt."