Versteinerte Mienen beim Krisentreffen der Führungskräfte in Ingolstadt. Kürzlich musste der Konzern 60.000 Fahrzeuge zurückrufen – wegen einer illegalen Abschalteinrichtung. Nun hat die Staatsanwaltschaft München Audi-Chef Rupert Stadler in seinem Privathaus in Haft genommen. Er befindet sich in Untersuchungshaft. Eine Straßenumfrage zeigt gemischte Reaktionen:
"Kein Kommentar, danke! Ich war erstmal schockiert, aber ich glaube, das ist normal und selbstverständlich!"
Die Ermittler werfen dem Markenchef "Betrug und mittelbare Falschbekundung" vor. Audi soll seit 2009 mehr als 200.000 Dieselautos mit verbotener Abschalteinrichtung verkauft haben – und dies weiterhin tun. Stadler soll von manipulierten Abgaswerten bei Audi-Modellen in Europa gewusst aber keinen Vertriebsstopp angeordnet haben.
Erst vor wenigen Tagen hatten die Ermittler Stadlers Privatwohnung durchsucht. Verdunklungsgefahr ist der Grund für den Haftbefehl, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft München II, Stephan Necknig:
"Im Rahmen der Durchsuchungen bzw. der zeitlichen Nähe zur Durchsuchung, die letzte Woche Montag bei Herrn Stadler durchgeführt wurde, haben sich konkrete Hinweise für die Staatsanwaltschaft ergeben, dass der Beschuldigte auf Beweismittel, d.h. möglicherweise auf andere Beschuldigte, auf zeugen oder auf sonstige Beweismittel in unlauterer Weise einwirken könnte."
Von der Konzernspitze wollte sich zunächst niemand äußern. Für Stadler gelte weiter die Unschuldsvermutung, teilt Audi mit. Rupert Stadler ist nicht der einzige VW-Topmanager der wegen möglicher Verwicklungen in den Dieselbetrug im Visier der Staatsanwaltschaft ist. Allein bei der VW-Tochter Audi sind es 20 Beschuldigte.
Stadler nur einer von mehreren im Visier der Justiz
Bei der für den Konzernsitz zuständigen Anklagebehörde in Braunschweig laufen Ermittlungen gegen insgesamt 49 frühere und amtierende VW-Führungskräfte. Das prominenteste Aktenzeichen hält Ex-VW-Boss Martin Winterkorn. Haftbefehle wurden in Braunschweig bislang keine ausgestellt. Anders die Einschätzung im Fall Stadler und des früheren VW-Topmanager Wolfgang Hatz, der wegen drohender Verdunklungsgefahr seit Monaten in U-Haft sitzt.
Bisher hatte Stadler stets bestritten, in die Abgasaffäre verwickelt zu sein. Der 55jährige lenkt Audi seit 11 Jahren. Während ringsum zahlreiche Audi-Vorstände nach 2015 ihre Posten räumen mussten, genoss Stadler in all dieser Zeit das Vertrauen der Eigentümerfamilien Porsche/Piëch.
Damit dürfte es vorbei sein: Am Rande der regulären Aufsichtsratssitzung von Volkswagen in Wolfsburg verlautet aus Konzernkreisen: Stadler wird abgelöst. Neuer Audi-Chef soll der bisherige Vertriebschef Bram Schot werden. Der in den Niederlanden geborene Manager stieß erst im September vergangenen Jahres zu Audi – und gilt daher als unbelastet.