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"Digital Ratgeber"
Die Online-Gesundheitswelt

In vielen Apotheken liegt inzwischen eine ganze Reihe von Zeitschriften zum Mitnehmen aus – neu hinzu kommt jetzt der "Digital Ratgeber". Darin geht es um Gesundheits-Apps, elektronische Rezepte und digitale Medizin. Doch das Geschäftsmodell des verantwortlichen Verlages ist umstritten.

Von Burkhard Schäfers | 08.05.2020
Das Apotheken-Logo erscheint auf einem Smartphone. Im Hintergrund ist eine Apotheke zu erkennen.
In Apothekenzeitschriften wird zunehmend über die Digitalisierung der Gesundheitsbranche berichtet (imago/ Future Image/C. Hardt)
Video-Sprechstunde, Apps auf Rezept, digitale Patientenakte: Das neue Apotheken-Magazin "Digital Ratgeber" berichtet über Themen, die für viele nach ferner Zukunft klingen dürften. Denn wer an Arztpraxen und Apotheken denkt, hat eher Faxgerät und Papier vor Augen als Roboter und Chat Bots.
"Trotzdem gehen wir an die Themen mit einer positiven Haltung heran. Nicht mit so einer Generalverdacht-Skepsis – alles neu, alles komisch, alles verdächtig, machen wir’s lieber nicht. Sondern wir wollen es positiv begleiten."
Chefredakteurin Nina Buschek sagt, dass es für den Digital Ratgeber einen Markt gebe: Patientinnen und Patienten, aber auch Beschäftigte in Kliniken, Apotheken oder Krankenversicherungen.
"Veränderungen als Chance"
"Weil wir in der Veränderung eine große Chance sehen. Bei aller angemessenen Kritik an den Punkten, wo immer es nötig ist, glauben wir, dass sie die Medizin leistungsfähiger machen kann. Dass sie aber auch dem einzelnen Menschen mehr Möglichkeiten der Teilhabe bieten können. Und deswegen glauben wir, dass dieser Gesamtkomplex der Veränderungen eine eigene Publikation verdient. Die die Veränderung begleitet, sie erklärt und die auch die Chancen und den Nutzen aufzeigen kann."
Neben dem Magazin gibt es ein täglich aktualisiertes Online-Portal, einen Newsletter und einen Podcast. Die gedruckte Erstauflage der Zeitschrift aus dem Wort & Bild Verlag ist enorm: 650.000 Exemplare gingen an deutsche Apotheken.
Noventi als großer Anzeigenkunde
Sie können das knapp 150 Seiten dicke Magazin kostenlos an ihre Kundinnen und Kunden verteilen. Kostenlos deshalb, weil die Firma Noventi als großer Anzeigenkunde dabei ist. Das Unternehmen verkauft Branchen-Software für Apotheken und Pflegedienste. Journalistische Abhängigkeiten schaffe dies nicht, sagt Chefredakteurin Buschek.
"Es gab beim Wort & Bild Verlag nie gekaufte Artikel, und es gibt die auch beim 'Digital Ratgeber' nicht und wird sie auch nicht geben. Trotzdem sind wir natürlich in einem Bereich, wo wir viel mit Innovationen und neuen Produkten zu tun haben, auch näher am Produkt dran. Aber das immer mit der größten journalistischen Sorgfalt."
Berichte über Digitalisierung
Im ersten "Digital Ratgeber" spricht Gesundheitsminister Jens Spahn über Gesundheits-Apps. Eine Psychologin über die "oft unbegründete Angst vor Technik". Und mehrere Patienten schildern, wie ihnen digitale Technik im Alltag hilft.
"Es geht darum, ein bestimmtes Thema zu setzen und ein bestimmtes Thema positiv zu besetzen", sagt Christoph Neuberger, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Sein Schwerpunkt: Die Digitalisierung von Medien.
"Mir ist es schwergefallen, irgendwas Kritisches zu finden, was nun in irgendeiner Form gegen Digitalisierung von Gesundheit und Medizin gesprochen hätte. Es geht, glaube ich, nicht so direkt darum, bestimmte Produkte besser zu verkaufen. Sondern es geht darum, die Stimmungslage zu verbessern. Aufzuklären auch, was ja nicht unredlich sein muss. Aber es ist gleichwohl am Ende auch ein ökonomisches Interesse, das sich damit verbindet. Deshalb würde ich das nicht mehr als rein journalistisches Produkt betrachten wollen."
Umstrittenes Geschäftsmodell
Zudem ist der Medienwissenschaftler skeptisch, ob die Apotheken mitziehen. Vorbild für den Vertrieb des "Digital Ratgebers" dürfte die "Apotheken Umschau" sein, ebenfalls vom Wort & Bild Verlag. Die Apotheken kaufen das Heft und verschenken es an ihre Kunden. So mancher Inhaber dürfte nicht gerade begeistert sein, mit der kostenlosen Erstausgabe das Interesse anzukurbeln – und dann womöglich bald weitere Abo-Kosten zu haben. Hinzu komme, so Neuberger:
"Die Apotheken leben ja davon, dass sie die Kundschaft vor Ort haben, während in dem Angebot nun ganz deutlich für eine Digitalisierung geworben wird. Auch eine Rationalisierung, was den Medikamentenvertrieb angeht. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob die Apothekerinnen und Apotheker wirklich den Eindruck haben, dass sie was für ihre eigenen Interessen machen, wenn sie die Zeitschrift weiterverbreiten. Oder ob sie nicht eher den Eindruck haben, dass ihnen hier quasi die Kundschaft abgeworben werden soll."
Weitere Printausgaben in Planung
Die Resonanz der Apotheken auf den "Digital Ratgeber" sei positiv, heißt es beim Verlag. Aber das Magazin positioniert sich auf einem umkämpften Markt: Zum Thema Gesundheit und Digitalisierung gibt es etliche Newsletter von Unternehmen und Verbänden, Kundenzeitschriften von Krankenkassen, Sonderbeilagen in Zeitungen und Zeitschriften.
Chefredakteurin Nina Buschek zeigt sich dennoch optimistisch, was die Zukunft des "Digital Ratgebers" angeht:
"Wir lernen jetzt aus dem Feedback und dem Nutzungsverhalten für unsere Digitalangebote. Und wir planen eine weitere Printausgabe beziehungsweise weitere Printausgaben voraussichtlich noch in diesem Jahr."