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Digitales Logbuch: Scheu

Also er ist eher scheu, der digital Native. In die abgelegensten Gegenden des Cyberspace muss man vordringen, um ihn zu beobachten. Aber das lohnt sich, weil ethnologisch ist er äußerst interessant, der einzige Primat mit partiell exkorporalem Gehirn.

Von Achim Killer |
    Ja, den wichtigsten Teil seines Gehirns hat er ins Internet ausgelagert. Wikipedia heißt der. Und wenn er darauf keinen Zugriff hat, der digital Native, dann kann er nur noch digitale Grunzlaute von sich geben. Twittern nennt man das, hat mit der Hochsprache des Homo sapiens nicht das Geringste zu tun, dieses Twittern. Oder er chattet.

    Ha, manchmal versucht er so, eine Paarung einzuleiten. Das ist dann drollig, weil es meistens nicht klappt. Denn fast 90 Prozent der digital Natives sind männlichen Geschlechts. Ja, und mit Cybersex, da kann man sich halt nicht fortpflanzen. Deshalb sind die digital Natives die bislang einzige Ethnie, die gleich bei ihrem ersten Auftauchen auf die Liste der bedrohten Völker gesetzt worden ist. Er ist einfach faszinierend, schon rein physiologisch.

    Erkennen kann man ihn am ausgeprägten rechten Daumen, damit kommuniziert er, simsen sagt er dazu. Dafür benutzt er sein Universalwerkzeug, so eine Art High-Tech-Faustkeil. Er ähnelt ein bisschen einem Steiftier, der digital Native, hat immer einen Knopf im Ohr. Denn hören kann er am besten mp3. Er organisiert sich in so etwas wie virtuellen Stammesverbänden und ist an sich sehr sozial. Ständig durchstreift er sogenannte social Networks. Oh, dahinten ist einer. Ein Prachtbursche! Der Daumen: mindestens fünf Zoll. Jetzt bootet er. Und jetzt... oh, ein ganz, ein seltener Anblick. Ist das schön! Er bloggt!