Donnerstag, 28. März 2024

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Digitalisierung in der Medizin
"Der Kern von Humanmedizin ist menschliche Zuwendung"

Die Digitalisierung in der Medizin habe viele Vorteile gebracht, sagte der Arzt und Kabarettist Eckart von Hirschhausen im Dlf. Doch ein Algorithmus könne ein gutes Gespräch zwischen Arzt und Patient nicht ersetzen. Zwischenmenschliches lasse sich nicht digitalisieren.

Eckart von Hirschhausen im Gespräch mit Christian Floto | 07.01.2020
Porträt von Eckart von Hirschhausen vor einer Backsteinwand.
Eckart von Hirschhausen sieht die Vor- und Nachteile der Digitalisierung in der Medizin (hirschhausen.com / Camillo Wiz)
Die Digitalisierung habe positive und negative Seiten, so Eckart von Hirschhausen im Interview. "Wir haben ein Problem mit Überversorgung, mit unnötigen Eingriffen in der Medizin. Und wo ich ein Plus der Digitalisierung sehe ist tatsächlich, Patienten schlauer zu machen, Wissen zu demokratisieren." Noch immer würden Patienten über ihren Kopf hin behandelt, ihnen würden Dinge aufgedrückt, die sie sich für die Klinik rechneten, für den Patienten aber unnötig seien.
Eine Ärztin kommuniziert in ihrer Praxis über Webcam mit einem Patienten.
Medizinethikerin: "Der Patient wird nicht digital, er bleibt analog"
Die Digitalisierung des Gesundheitswesen biete viele Chancen, sagte Medizinethikerin Sabine Salloch im Dlf. Doch gerade ältere Menschen müssten auch weiterhin zum Arzt gehen können.
Es gebe aber auch Zwischenmenschliches, das sich nicht digitalisieren lasse, so Hirschhausen weiter. Seine Hauptkritik an einem Heilsversprechen in der digitalen Welt betreffe den Aufwand der Pflege. "Immer wieder werden Computersysteme in Kliniken eingeführt mit dem Versprechen 'Wir nehmen euch Routinetätigkeiten ab und dann habt ihr mehr Zeit für den Patienten.' Jeder, der in letzter Zeit mal im Krankenhaus war, weiß: Genau das Gegenteil ist passiert." Es müsse durch die vielen Daten mehr dokumentiert werden.
Zusammenhang von Digitalisierung und Klimawandel
"Aber der Kern von Humanmedizin ist menschliche Zuwendung. Nach wie vor kann man die besten Diagnosen stellen durch eine gute Anamnese, durch ein einfühlsames Gespräch, durch die richtigen Fragen." Das könne durch keinen Algorithmus ersetzt werden.
Eine Frau hält ein Smartphone in den Händen
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Auch hänge die Digitalisierung mit dem Klimawandel zusammen, so der Arzt und Kabarettist. "Dafür braucht es Server, dafür braucht es Strom. Je mehr wir Daten hin und her streamen, in Clouds speichern und so weiter, desto mehr frisst dreckiger Strom auch die letzten Ressourcen, die wir haben." Man solle ganz genau überlegen, wo Digitalisierung Sinn mache und "wo es die Anbetung von einem Gott ist, der uns die Lebensressourcen nimmt."