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Dinosaurier des Kalten Krieges: Der Warschauer Pakt

Um dem zunehmenden sowjetischen Einfluss in Osteuropa entgegenzuwirken, gründeten die westlichen Alliierten 1949 die NATO. Als mit den Pariser Verträgen auch die Bundesrepublik Deutschland 1955 ins westliche Verteidigungsbündnis integriert wurde, reagierten die sowjetischen Machthaber mit der Gründung des Warschauer Pakts. Das Zeitalter des Kalten Krieges hatte begonnen.

Von Wolf-Sören Treusch | 14.05.2005
    Optimismus soll es verbreiten, das Lied zum Warschauer Vertrag. Regierungsdelegationen aus acht Ländern Osteuropas unterzeichnen am 14. Mai 1955 in Warschau einen Vertrag, in dessen Präambel es heißt:

    Die Vertragschließenden Parteien haben beschlossen, unter Berücksichtigung der Lage, die in Europa durch die Ratifizierung der Pariser Verträge entstanden ist, welche die Bildung neuer militärischer Gruppierungen unter Teilnahme eines remilitarisierten Westdeutschland und dessen Einbeziehung in den Nordatlantikpakt vorsehen, diesen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand zu schließen.

    Albanien, Bulgarien, Polen, Rumänien, die Tschechoslowakei, die Sowjetunion, Ungarn und die DDR versichern einander gegenseitige militärische Hilfeleistung im Falle eines Angriffs auf einen oder mehrere der Teilnehmerstaaten. Sie beschließen zudem, ihre Truppen einem Vereinten Kommando der Streitkräfte zu unterstellen. In jedem Mitgliedsland residiert künftig ein sowjetisches Oberkommando, damit hat der Kreml vertraglich abgesichert, was längst politische Realität ist. In der DDR sind zeitweise bis zu 400.000 Soldaten der Roten Armee stationiert.

    Auch die Machthaber in Ost-Berlin verstehen den Warschauer Vertrag als entscheidenden Schritt zu mehr Sicherheit und Frieden in Europa. Walter Ulbricht, Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED.

    "In diesem Sinne bitten wir Sie, dieses große Ergebnis der Warschauer Konferenz bis in den letzten Betrieb, die letzte Wohnung, bis in das letzte Bauernhaus zu tragen, damit in der Deutschen Demokratischen Republik nach der Warschauer Konferenz die patriotischen Kräfte gestärkt werden und die Nationale Front des Demokratischen Deutschlands zu weiterer Kraft entfaltet wird."

    Die Stationierung sowjetischer Truppen in den Warschauer-Pakt-Staaten stärkt die Vorherrschaft der jeweiligen kommunistischen Partei. Moskau bestimmt die Außen- und Sicherheitspolitik in den sozialistischen Bruderstaaten. Ob 1956 in Ungarn oder 1968 in der CSSR: die Sowjets dulden keine eigenständige Entwicklung.

    Der Korrespondent Gustav Chalupa berichtet am 21. August 1968:

    "Die ersten Nachrichten über den Einmarsch der Truppen der Warschauer-Pakt-Länder in der Tschechoslowakei sind um 5 Uhr 30 über Rundfunk bekannt gegeben worden, und zwar sehr kurz, es wurde lediglich erklärt, dass die Warschauer-Pakt-Truppen illegal in die Tschechoslowakei einmarschiert sind, ohne Wissen und Zustimmung der tschechoslowakischen Regierung beziehungsweise der Parteiführung."

    Der Einmarsch in die Tschechoslowakei ist der einzige gemeinsame militärische Einsatz der Truppen des Warschauer Pakts – und das obwohl Artikel 8 des Warschauer Vertrages ausdrücklich die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaates untersagt. Karl Eduard von Schnitzler kommentiert im DDR-Fernsehen den Schlag gegen die Reformsozialisten:

    "Das ist keine innere Angelegenheit der Tschechoslowakei, sondern das betrifft das gesamte sozialistische Weltsystem, das betrifft die Sicherheit Europas. Die Entscheidung, dem tschechoslowakischen Volk auch militärisch Hilfe zu leisten, war eine Entscheidung von erstrangiger strategischer Bedeutung."

    Der Fall der Mauer 1989 leitet das Ende des Warschauer Pakts ein. Die Sowjetunion kann die Freiheitsbestrebungen in den Ländern Osteuropas nicht mehr aufhalten. Die Mitgliedsstaaten drängen auf den Abzug der sowjetischen Truppen aus ihren Ländern. Wenige Tage vor der Wiedervereinigung Deutschlands wird der Austritt der DDR aus dem Warschauer Pakt besiegelt.

    "Artikel 1: Mit dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland löst die Nationale Volksarmee der DDR ihre Truppen aus den vereinten Streitkräften der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages heraus und wird von allen diesbezüglichen eingegangenen Verpflichtungen und Vereinbarungen entbunden."

    Am 25. Februar 1991 beschließen die Außen- und Verteidigungsminister der übrigen Warschauer-Pakt-Staaten in Budapest die Auflösung des Bündnisses. Der ehemalige Stabschef der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Pakts, der Sowjetrusse Anatoli Gribkow kommentiert später.

    "Die NATO ging aus dem Kalten Krieg mit dem Warschauer Pakt als Sieger hervor. Der eigene Verteidigungsblock aber blieb erhalten. Es stellt sich die Frage, gegen wen der NATO-Block heute eigentlich gerichtet ist, zumal die Führer der Länder des Westens wie des Ostens wiederholt erklärt haben, dass zwischen ihnen keine Feindschaft mehr bestehe."