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Diplomat im Praktikum

Visa-Affaire, Nachruf-Skandal - das Bundesaußenministerium sorgte in den vergangenen Wochen für reichlich Schlagzeilen. Dabei gerät in Vergessenheit, dass das Auswärtige Amt mit seinen über 200 Botschaften und Konsulaten in aller Welt eine Fülle interessanter und karriereträchtiger Arbeitsplätze bietet.

Von Thomas Wagner |
    Und nicht nur das: Studenten aller Fachrichtungen können im diplomatischen Dienst ein zweimonatiges Praktikum absolvieren, als eine Art "Diplomat im Praktikum" in fernen Ländern wertvolle Erfahrungen sammeln. Thomas Wagner hat am Deutschen Konsulat im Rumänischen Temeswar einer Praktikantin über die Schulter geschaut.

    "Ja, Fau Faltenbacher. Wir haben heute einiges an Programm vor. Um 11 Uhr kommt der Präsident des hiesigen deutschsprachigen Wirtschaftsclubs. Wir wollen da über Konzepte sprechen zur Unterstützung des deutschen Kulturzentrums. Heute Nachmittag möchte ich Sie zu einem Außentermin mitnehmen. 'Da wird die so genannte Deutsch-Olympiade eröffnet. Da kommen Deutschstudenten aus ganz Rumänien zusammen in einem Wettbewerb.

    Ja, was ist das genau, eine Deutschollympiade ? Ist das jetzt nur lokal oder auf nationaler Ebene?"

    Nathalie Faltenbacher hat dieser Tage viele Fragen. An der Universität Erlangen studiert sie Politikwissenschaften und Neue Geschichte. Doch die Uni in Franken ist derzeit weit weg. Stattdessen sitzt die Studentin jeden Morgen im Dienstzimmer von Rolf Maruhn, dem Deutschen Konsul im Rumänischen Temeswar. Zwei Monate lang absolviert Nathalie Faltenbacher dort ihr Praktikum, fernab der Hörsäle zu hause. Und so ein klein wenig darf sie sich schon mal auch als "Mini-Diplomatin" fühlen. Die Arbeit ist überaus spannend.

    "Bisher habe ich Reden vorbereitet. Also zum Beispiel, wenn wir jetzt am Nachmittag bei der Eröffnung dieser Deutscholympiade dabei sein werden, habe ich versucht, so ne Rede zusammen zu stellen. Und ansonsten Protokolle...Wenn ich bei einer Diskussion dabei bin. Dann mach' ich einfach mal so ein Protokoll, wie man das eben in der Arbeitswelt so macht und solche Sachen also."

    Auf selbständiges Arbeiten legt das Auswärtige Amt bei seinem Praktikanten-Programm großen Wert. Die 500 Studentinnen und Studenten, die derzeit an den deutschen Konsulaten und Botschaften in aller Welt sechs bis acht Wochen lang mitarbeiten, bekommen dabei einen ausgiebigen Eindruck in die weiten Arbeitsfelder der Diplomatie.

    "Also ich denke hier in erster Linie an die Betreuung deutscher Bürger im Ausland, die hier Probleme bekommen, und natürlich auch die Pflege der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen, also zwischen Rumänien und Deutschland jetzt in diesem Fall, das sind dann die Hauptaufgaben."

    Was kann eine Deutsche Botschaft im Ausland für deutsche Investoren tun? Was ist für den jeweiligen Konsul oder Botschafter wichtig, um es nach Deutschland, ins Auswärtige Amt, zu berichten? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, um ein Visum auszustellen? Auf solche und weitere Fragen erhalten die Praktikanten Antworten. Über die Visa-Affaire wird auf den Gängen in den Botschaften und Konsulaten weltweit natürlich auch gesprochen; da bekommt man auch als Praktikant das eine oder andere mit. In dem kleinen Konsulat Temeswar ist das aber kein beherrschendes Thema: Rumänen dürfen ohnehin seit vier Jahren als Touristen ohne Visum in die Schengen-Staaten reisen. Und überhaupt: Die tägliche Arbeit der Praktikanten steht eher im Gegensatz zu den Schlagzeilen der vergangenen Wochen; mit Schleusern und Menschenschmugglern jedenfalls hat Natalie Faltenbacher in ihrem Praktikum noch nie zu tun gehabt.
    Doch erst einmal an ein solches Praktikum herankommen.... Für Natalie Faltenbacher aus Erlangen war's nicht besonders schwer.

    "Natürlich habe ich mir die Homepage angeschaut. Da stand, wie man sich bewerben kann, dass es schon eine Möglichkeit gibt; welches sind die Voraussetzungen, und ich habe gesehen, dass ich die Voraussetzungen erfülle, und ich habe gesagt: ich versuch's einfach."

    Stichwort Voraussetzungen: Praktika an deutschen Botschaften und Konsulaten stehen grundsätzlich Studenten aller Fachrichtungen offen. In der Regel sollte man das Vordiplom bereits in der Tasche haben; bei Bachelor-Studiengängen bewirbt man sich am besten nach den ersten beiden Studienjahren. Seit Jahresbeginn ist das Bewerbungsverfahren völlig neu geregelt: An die Praktika kommt man ausschließlich über die Homepage des Auswärtigen Amtes. Dort können sich Studenten auf maximal neun Auslandsposten gleichzeitig bewerben - von Moskau über Kapstadt bis hin zu Washington. 120 von 200 deutschen Auslandsvertretungen bieten Praktika an. Dort, wo's besonders gefährlich oder besonders kriminell zugeht, beispielsweise in Bagdad, gibt es selbstredend keine Praktikantenplätze. 5000 Bewerbungen pro Jahr stehen 500 Praktikantenplätze gegenüber. Bei der Auswahl kommt es unter anderem auf die persönliche Motivation sowie auf Sprach- und Kulturkenntnisse an. Und man muss bereit sein, sich in einer völlig fremden Umgebung zu recht zu finden . Doch das hat, findet Nathalie Faltenbacher, auch seinen Reiz:

    "Es erweitert den Horizont natürlich. Es ist gut, wenn man mal irgendwo außerhalb Deutschlands war. Also hoch empfohlen für alle Studenten, damit sie mal woanders hingehen, ihren Horizont erweitern."

    Viele derjenigen, die ein Praktikum in einer Auslandsvertretung nachweisen können, kommen später auch mal tatsächlich im diplomatischen Dienst oder bei Internationalen Organisationen unter. Einen Wermutstropfen gibt es: Das Auswärtige Amt hilft zwar bei der Beantragung des Visums für das jeweilige Gastland; die deutschen Diplomaten vor Ort unterstützen die Praktikanten bei der Suche nach einer möglichst günstigen Wohngelegenheit. Allerdings: Eine Vergütung erhalten die Praktikanten nicht. Gleichwohl besteht die Möglichkeit, für die Dauer des Praktikums an besondere Zuschüsse des Deutschen Akademischen Austauchdienstes heranzukommen. Für Nathalie Faltenbacher aus Erlangen steht jedenfalls fest: Für sie ist die Arbeit als "Diplomatin im Praktikum" ein unschätzbarer Gewinn für ihr Studium und ihre spätere Arbeit. Und über so manches Vorurteil, das Diplomaten anlastet, kann sie bereits jetzt, nach vier Wochen Praktikum im Deutschen Konsulat Temeswar, nur schmunzeln.

    "Wie ich das so sehe...Die Abläufe der Arbeit, die sind wie in einer inländischen Behörde, bloß mit anderen Aufgaben. Das Bild, dass man nur auf Cocktails und Empfängen ist, ist sicherlich falsch."

    Wer nun auch mal gerne "Diplomat im Praktikum" sein möchte, kann Ausbildung für Rechtsreferendare beim Auswärtigen Amt
    Für Rechtsreferandare gibt's ebenso die Möglichkeit, an einer deutschen Auslandsvertretung zu arbeiten: Praktika beim Auswärtigen Amt