Archiv


Diven im Kurort

Mit dem "Rosenkavalier" von Richard Strauss haben in Baden-Baden haben die Winterfestspiele 2009 begonnen. Die im 18. Jahrhundert angesiedelte Wiener Liebes- und Verkleidungsgeschichte ist in einer Inszenierung von 1995 zu sehen. Zu hören bekommt man aber eine neue Fassung, bei der Dirigent Christian Thielemann sein Baden-Badener Operndebüt gibt.

Von Kirsten Liese |
    Das Festspielhaus Baden-Baden ist schon seit einigen Jahren eine erste Adresse für exquisite Opernaufführungen von Wagner, Verdi und Mozart, und jetzt kommt mit Richard Strauss wieder eine neue Farbe dazu. Christian Thielemann, seinen Münchner Philharmonikern und Starsolisten gelang ein dynamisch und farblich sehr nuancierter "Rosenkavalier". Für Thielemann, der sich seit seinem Abschied von der Deutschen Oper Berlin außer in Bayreuth und gelegentlich in Wien nur noch selten auf das Wagnis Musiktheater einlässt, war es zugleich sein Operneinstand an diesem Ort. Er bildet nunmehr eine Brücke zwischen Bayreuth und Baden-Baden, zwei Festivals, die er auf eine Stufe stellt, wenngleich sie sich in ihren Regiehandschriften sehr unterscheiden. Während in Bayreuth Newcomer wie Schlingensief, Herheim oder Katharina Wagner für "frischen Wind" sorgen, setzt Baden-Baden auf bewährte, ästhetisch eingängige Inszenierungen.
    Die Tatsache, dass er in Baden-Baden eine so klassische Inszenierung wie die von Herbert Wernicke wieder beleben kann, die 1995 in Salzburg herauskam und dennoch mitnichten verstaubt wirkt, kommt Thielemann sehr entgegen. Er sei ja auch ein Wernicke-Fan, sagt er:

    "Ich finde, allein schon der Terminus 'verstaubt' ist erstaunlich. Es gibt ja manche Dinge, die man wieder schön aufarbeitet. Ist wie ein altes Haus, das renoviert wird. Man muss ja nicht das ganze Haus abreißen, wenn man mal was Neues will. Manchmal reicht Farbe drauf und man erfreut sich an den Details wieder sehr."

    Dem lässt sich nur zustimmen. Wernickes Konzeption mit raffinierten Spiegelungen und neobarocken Versatzstücken bietet eine optimale Kulisse für das musikalische Glanzereignis.

    Gewiss, eine Festspielkonzeption, die das Risiko einer möglicherweise provokanten Neuinszenierung ausspart, wirft Fragen auf: Wann spricht man von einer richtigen Premiere? Vielleicht sollte man da einfach einmal umdenken, wie Thielemann vorschlägt:

    "Eine neue Inszenierung ist ja nicht immer nur unbedingt eine Premiere, weil es eine neue Inszenierung ist, sondern weil unter Umständen neue Sänger oder ein neuer Dirigent kommt. Ich bin der Tatsache müde, dass gesagt wird, na ja, dieser Dirigent, der hat ja an dem oder dem Haus das und das möglich gemacht in regielicher Sache. Ich fände es viel schöner, wenn gesagt werden würde, der Dirigent hat was in musikalischer Sache möglich gemacht."

    Der Baden-Badener "Rosenkavalier" ist das beste Beispiel für eine Produktion, die musikalisch in jeder Hinsicht eine Premiere ist. Die Münchner Philharmoniker, die sich erstmals auch als Opernorchester empfehlen, spielen ihre berühmten Walzermelodien nach ausgiebiger, intensiver Probenarbeit mal ganz leise, dann voller Verve aufschäumend so beschwingt wie es die Wiener Philharmoniker nicht schöner könnten. Eine Partitur zum ersten Mal zu ergründen sei eben doch auch ein nicht zu unterschätzender Vorteil, meint Thielemann:

    "Wenn ein Orchester, was so was noch nie gespielt hat, solche Dinge macht, dann hat das eigentlich den großen Vorteil, dass die das wirklich mit einer geradezu naiven Freudigkeit neu lesen."

    Eine ebensolche Frische herrscht auch bei den drei Primadonnen vor.

    Renée Fleming, die schon acht Jahre lang keine Marschallin mehr gesungen hat, übertrifft sich selber. Anrührend weise ist sie in ihren Reflektionen über Alter, Abschied und Vergänglichkeit und vornehm im Moment des Verzichts, vom ersten bis zum letzten Auftritt eine Grande Dame:

    Der vielleicht magischste Moment aber gehört Diana Damrau, wenn sie mit betörend schönen Kopftönen die silberne Rose empfängt.

    Den hohen Anspruch, einen Rosenkavalier in denkbar bester Besetzung herauszubringen - ihn hat Intendant Andreas Mölich-Zebhauser eingelöst. Ebenso ambitioniert soll es auch weitergehen. Für kommendes Jahr ist eine "Elektra", für 2013 ein neuer "Ring" geplant, beide Produktionen wiederum mit Christian Thielemann und seinen Münchnern. Für die Regie des "Rings" hat man schon einen ganz berühmten Regisseur ins Auge gefasst, dessen Name aber noch niemand nennen will. Es bleibt spannend.