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Dokumentarfilmer über Flüchtlingspolitik 
"Jeder schiebt das Problem über die Grenze zurück"

Über die Flüchtlinge selbst und ihre Fluchtgründe werde in der europäischen Migrationspolitik gar nicht diskutiert, sagte der Regisseur und Autor des Flüchtlingsfilms "Eldorado", Markus Imhoof, im Dlf. Es sei nur Thema, wie man sich die Last vom Hals schaffen könne.

Markus Imhoof im Gespräch mit Kathrin Hondl | 08.07.2018
    Der Schweizer Filmemacher Markus Imhoof
    Der Schweizer Filmemacher Markus Imhoof (dpa picture alliance/ EPA/ Urs Fluegler)
    Die Zahlen sind erschreckend: Seit Jahresbeginn starben laut UN-Angaben mehr als 1.400 Menschen bei der Fahrt über das Mittelmehr. Im Juni ist jeder sechste, der von Libyen aus aufgebrochen war, ums Leben gekommen.
    Das ist die Realität der sogenannten Flüchtlingskrise, mit der sich der schweizer Filmemacher Markus Imhoof schon lange und intensiv auseinandersetzt. "Eldorado" heißt sein aktueller Film, ein Dokumentarfilm, für den er unter anderem die italienische Seenotrettungsmission "Mare Nostrum" begleitet hat - eine Mission, die schon lange beendet ist. Die neue italienische Regierung setzt bekanntlich nicht auf Rettung, sondern verweigert Rettungsschiffen ziviler Organisationen, in italienische Häfen einzulaufen.
    Leider habe Italiens Innenminister Matteo Salvini mit diesem Kurs Erfolg bei der Bevölkerung, sagte Markus Imhoof im Dlf. "Das hängt damit zusammen, dass Italien eine der größten Lasten der ganzen Flüchtlingsthematik zu tragen hat." Imhoof verwies auf das Dublin-Abkommen, nach dem Flüchtlinge in dem Land behandelt und ihre Asylgesuche geprüft werden, in dem sie angekommen sind.
    Ursachen bekämpfen und verhindern
    "Die Leute kommen ja aus einem bestimmten Grund, machen sich auf den gefährlichen Weg", doch darüber werde in der ganzen Diskussion nicht gesprochen, so Imhoof.
    Auf die Frage nach seiner Einschätzung, weshalb die Fluchtgründe in der Debatte eine untergeordnete Rolle spielten, sagte Imhoof: "Man weiß natürlich, dass man dafür verantwortlich ist und will es nicht hören und nicht wissen. Schäuble hat die Flüchtlinge mit einer Lawine verglichen und ist dafür kritisiert worden. Aber wenn man das Bild mal richtig verwendet: Eine Lawine hat eine Ursache und die muss man dort bekämpfen, wo sie entsteht oder verhindern. Jeder Schweizer weiß, es braucht Bäume, die den Schnee zurückhalten, man braucht Landschaftspflege statt Holzhandel. Und dasselbe gilt für Afrika. Man muss diesen Leuten, die man seit hunderten von Jahren ausgebeutet hat, eine wirtschaftliche Perspektive geben, damit es sich lohnt, in dem Land zu leben."
    Die Diskreditierung von ethischen Motivationen und Diskussionen führe dazu, so der Filmemacher, dass diese ethischen Standards so heruntergeschraubt würden, dass man mit Menschen machen könne, was man wolle. "Die Geschichte, die schreiben wir jetzt. Und ich möchte nicht, dass meine Kinder sich schämen müssen für mein Verhalten."