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Dolmetscher-Diplom in der Pfalz

Die Pfalz als sprachlicher Nabel der Welt: 2.200 angehende Dolmetscher und Übersetzer studieren derzeit in Gemersheim. Der Fachbereich für allgemeine Sprach- und Kulturwissenschaften der Mainzer Universität genießt weltweit einen ausgezeichneten Ruf.

Von Jürgen Essig |
    Die Welt ist ein Dorf - in dem allerdings nicht alle Bewohner die selbe Sprache sprechen. Dennoch rücken Ost und West, Nord und Süd immer enger zusammen und da ist es ein Glück, das es Dolmetscher und Übersetzer gibt. Die weltweit größte und wohl auch renommierteste Dolmetscher- und Übersetzerschmiede steht in Germersheim: Der Fachbereich Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft der Mainzer Johannes Gutenberg Universität. Groß und angesehen, was dies bedeutet, übersetzt für Campus und Karriere Jürgen Essig:

    Hassan Mossaid aus Marokko braucht ein Buch. Er steht am Ausleihschalter der Bibliothek des Fachbereiches für angewandte Sprach und Kulturwissenschaften:

    "Arabisch ...das heißt, ich heiße Moussaid Hassan und ich studiere an der Universität Mainz im Fachbereich in Germersheim"

    Deutsch und Französisch hat sich Hassan für sein Diplomstudium ausgesucht. So wie Hassan Moussaid zieht es viele junge Leute aus aller Welt in die pfälzische Kleinstadt am Rhein.

    "Wir haben fast 1000 Studierende - das sind fast 50 Prozent unserer Studierenden insgesamt - die zur Zeit aus etwa 90 verschieden Ländern der ganzen Welt kommen, aus allen fünf Erdteilen mittlerweile"

    erzählt Lothar Görke, der in Germersheim Anglistik unterrichtet. Insgesamt 2200 Studierende sind am Fachbereich für angewandte Sprach- und Kulturwissenschaften eingeschrieben, alle mit dem Ziel, entweder Dolmetscher oder Übersetzter zu werden. Warum studiert Stephan Gödde aus Ostwestfalen hier Französisch, Spanisch und Italienisch?

    "Mir gefällt's hier. Hier werden Sprachen und Kulturen angewandt, nicht wie an anderen Universitäten einfach nur so angesprochen. Sondern hier kommt man in dieser Beziehung richtig auf seine Kosten, also man lernt viel über andere Kulturen, andere Länder."

    Und das in der Regelstudienzeit von neun Semestern. Germersheim hat einen ausgezeichneten Ruf weltweit, so Lothar Görke:

    "Der Ruf begründet sich wahrscheinlich hauptsächlich auf dem Ruf, den die Dolmetsch-Absolventen unseres Instituts in der Vergangenheit in der ganzen Welt verbreitet haben. Die Qualität der Ausbildung ist aber wahrscheinlich auch dadurch bedingt, das wir halt ein so großes Sprachenangebot haben, so gute technische Möglichkeiten für die möglichst praxisnahe Ausbildung nicht nur der Dolmetscher sondern auch der Übersetzer, wir haben ein ganz modernes Dolmetsch-Labor, EDV-Unterrichtsräume, ein Video-Labor, ein Sprach-Labor, also eigentlich fast alles dass, was man braucht um junge Leute möglichst gut für ihren späteren Berufsalltag und dessen Anforderungen ausbilden zu können-"

    Eine gute Ausstattung ist nur eines der Geheimnisse für den guten Ruf des Germersheimer Fachbereiches, aber das ist für Klaus Schmidt, Dozent für Amerikanistik und Übersetzungswissenschaften noch längst nicht alles:

    "Also der Vorteil hier ist, die Atmosphäre ist sehr familiär, das heißt man kennt die Studierenden gut, man kennt alle Kollegen, alles ist überschaubar, nicht so anonym wie in großen Unis, München, Berlin, da ist man im Prinzip ne Nummer, bis man das richtige Gebäude findet wird man alt und hier geht halt alles schnell, effektiv und ne gemütliche Atmosphäre."

    Doch wer glaubt, sich bei diesem Studium zurücklehnen zu können, der täuscht sich, denn die Anforderungen....

    "...sind hoch, ja, vor allem deswegen, es kann sich niemand in der Masse verstecken, das sind relativ kleine Gruppen, so zwischen 20 und 40, das heißt man muss vorbereitet sein, die Leute wissen auch, dass man merkt wenn sie fehlen, man hat einen besseren Überblick, auch als Dozent."

    Der Fachbereich für allgemeine Sprach- und Kulturwissenschaften bildet Diplom-Dolmetscher und Übersetzer aus. Man kann hier einen Aufbaustudiengang Konferenzdolmetschen absolvieren oder promovieren. Dabei ist das Studium modular aufgebaut:

    "Man kann so im Bausteinsystem sich sein eigenes Studium basteln und kann dann von vorneherein dem Arbeitgeber signalisieren: da hab ich mich spezialisiert und das finde ich schon sehr gut."

    Und wie stehen die Berufschancen für die Absloventen?

    "Also eigentlich sehr gut, ich glaube wenn man es in Germersheim schafft, dann hat man es geschafft sozusagen."

    Ganz so entspannt wie Friederke Mast, die momentan im 3. Semester Englisch und Spanisch ist, sehen dies Dozenten wie Lothar Görke und Klaus Schmitt allerdings nicht. Ein Abschluss in Germersheim sei nicht zwangsläufig auch eine Garantie dafür, daß man anschließend in diesem Beruf arbeitet:

    "Das ist natürlich leider nicht mehr möglich bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage aber viele Übersetzer und Dolmetscher arbeiten freiberuflich und es gibt auch neue Arbeitsmärkte oder Betätigungsfelder, wo dann doch wieder viele unterkommen, so dass also nicht so viele wie man befürchten könnte, wenn man von den Absolventenzahlen spricht, arbeitslos werden. Die Chancen sind sehr gut aber der Markt ist sehr eng, nur die Besten setzen sich durch. Und das wissen sie von Anfang an, deswegen viele fangen an mit dem Traum Dolmetscher und wechseln dann doch über in den Bereich Übersetzen."

    So ähnlich erging es auch Julia Buschmann die im 7. Semester Englisch und Neugriechisch studiert, sie wollte eigentlich Dolmetscherin werden, hat nun aber ein neues Berufsziel:

    "Ich hab eigentlich vor noch einen Aufbaustudiengang zu machen in International Marketing-Management und ich könnte mir vorstellen dann für ein Touristik-Unternehmen zu arbeiten, so wie TUI, dass ich dann zuständig für den Markt in Griechenland bin, ja ich weiß noch nicht ganz genau, irgendetwas in dieser Richtung-"

    Hassan Mossaid aus Marokko hat es da einfacher, er hat inzwischen nicht nur sein Buch ausgeliehen, er weiß auch wie es für ihn weitergeht.

    "Ich gehe nach Marokko zurück und dann schaue ich, was ich da mit meinem Diplom mache, als Übersetzer."